Zeitnotstandsgesetze

Affekte und Recht im Antiterrorkrieg

“Was es zu geben gibt, einzig und allein, hieße die Zeit.”
Jacques Derrida1

In Echtzeit: Szenen der gezielten Tötung

Auch wenn die Schließung des Lagers von Guantanamo Bay immer noch aussteht, befindet sich die exterritoriale Inhaftierung nicht mehr im Mittelpunkt der politischen Aufmerksamkeit. Die Signatur des weltweiten Antiterrorkampfes ist heute vielmehr die Praxis des sogenannten targeted killling.

Situation Room of the White House, 1 May 2011. Photo: By an employee of the Executive Office of the President of the United States. Source:Wikimedia

Anstelle eines konventionellen Einsatzes von Streitkräften werden dabei Zielpersonen durch Sonderkommandos sowie vor allem durch unbemannte Fluggeräte per Fernsteuerung getötet. Bemerkenswert an dieser Verschiebung vom “globalen Kriegsgefängnis” zum “globalen Schlachtraum” ist insbesondere der Umstand, dass die Intensität der moralischen Empörung tendenziell abgenommen hat.2 Im vergangenen Jahr wurde von amerikanischer Seite zum 500. Mal eine Operation der gezielten Tötung außerhalb der offiziellen Kriegsschauplätze im Irak und in Afghanistan durchgeführt, ohne dass die Maßnahmen zu größeren Kontroversen geführt hätten.3 Nach Schätzungen haben 3 674 Menschen durch die gezielten Tötungen ihr Leben verloren, darunter 473 Personen, die als Zivilisten eingestuft werden.4

Zugleich sticht ein Ereignis in der sich normalisierenden Serie von Tötungen hervor: die Erschießung Osama Bin Ladens am 2. Mai 2011 durch Angehörige der Spezialeinheit US Navy SEALs. Sie hat sich vor allem in Gestalt jener Fotografie aus dem Situation Room des Weißen Hauses in das kollektive Gedächtnis eingeprägt, die den Präsidenten Barack Obama neben Mitgliedern seines Kabinetts, Sicherheitsberatern und Militärs zeigt. Sie alle erscheinen als in affektiver Intensität gebannte Zuschauer der in Echtzeit übertragenen Tötung. Aufgrund der Prominenz bin Ladens hat die Erschießung einen geradezu emblematischen Status erlangt. Sie liefert eine sinn bildliche Evidenz dafür, dass Terroristen durch den gezielten Einsatz von Gewalt weltweit zur Verantwortung gezogen und von künftigen Attentaten abgehalten werden. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Operation hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Pressekonferenz ihre “Freude” über die “gelungene Kommandoaktion” zum Ausdruck gebracht. An Ground Zero versammelte sich spontan eine jubelnde Menschenmenge.

Allerdings ändert sich das Bild, das man sich von der gezielten Tötung macht, sobald eine andere Targeting-Szene in den Blick genommen wird: die Tötung des brasilianischen Elektrikers Jean Charles de Menezes in der Londoner U-Bahn-Station Stockwell am Morgen des 22. Juli 2005 durch Sondereinheiten der Metropolitan Police. Dieses Ereignis führt aus den Gebieten Pakistans, Somalias oder des Jemen hinaus und hinein in den Anti-Terrorkampf in einer europäischen Großstadt, in der zwei Wochen zuvor 56 Menschen bei Selbstmordattentaten starben und über 700 teilweise schwer verletzt wurden. De Menezes wurde fälschlicherweise für einen Terroristen gehalten, von dem man weitere Anschläge erwartete.

Die Londoner Szene hat mit einer “normalen” Kriegssituation offensichtlich nichts gemein. Genau deshalb vermittelt sie einen scharfen Eindruck davon, was die Logik der gezielten Tötung als Antiterrormaßnahme von der Tötung eines Kombattanten unterscheidet. Vor allem begünstigt der Fall von de Menezes die Rückverwandlung einer mittlerweile gemeinhin akzeptierten Tatsache des Antiterrorkampfes: von der gezielten Tötung als matter of fact zu dem, was Bruno Latour im Unterschied dazu ein matter of concern nennt – eine Angelegenheit, die uns im buchstäblichen Sinn angeht.5 Gerade weil die Erschießung von de Menezes über das Schema des Krieges hinausweist, vermag sie eine extreme Konsequenz jener gezielter Tötungen vorzuführen, die gegenwärtig unter maßgeblicher Beteiligung von Geheimdiensten zwar abseits erklärter Kriege stattfinden, dennoch aber rechtlich als Kriegshandlungen angesehen werden.

Zugleich ist der Fall von de Menezes in zweierlei Hinsicht geradezu exemplarisch für den weltweiten Antiterrorkampf. Zum einen zeichnet sich in ihm in überdeutlicher Form das Paradigma eines neuen militärischen Urbanismus ab. Wie Stephen Graham detailliert herausgearbeitet hat, stellen sich die Militärs darauf ein, dass ihr Einsatzort zunehmend dicht besiedelte Städte sind.6 Nach dieser Vision einer new military urban doctrine operieren die Widersacher des 21. Jahrhunderts im städtischen Ambiente, wobei die Trennlinie zwischen innerer und äußerer Gefahr erodiert: “military power, policing and state intelligence cross-fertilize to target the urban quotidian at home and abroad in increasingly integrated ways”.7 Die Tötung von de Menezes in einer Londoner U-Bahn-Station im Kontext der Terrorabwehr durch eine Sondereinheit der Londoner Polizei unter Beteiligung militärischer Spezialkräfte fügt sich nahtlos in solche Planungen ein.

Zudem weist der Fall jene Zeitlichkeit auf, die der ehemalige Terroranalyst des US-amerikanischen Militärnachrichtendienstes Thomas B. Hunter als zentrales Kennzeichen einer gezielten Tötung ansieht: “Targeted Killing is, without question, a form of preemption. Its goal is to proactively eliminate terrorists before they have a chance to inflict harm on the affected state’s citizens and/or homeland.”8 Mit dieser temporalen Bestimmung korrespondieren ferner die Szenarien, in denen Hunter die Anwendungsfelder der gezielten Tötung ausmalt: “Targeted killing may be said to ‘work’ in its most obvious sense when it directly results in the thwarting of an imminent terrorist attack; the surveillance and interdiction of known, armed terrorists en route to an airport, or driving a truck laden with explosives towards a city centre; or even a lone, armed terrorist entering a subway system.”9 Die Tötung von de Menezes wäre somit in geradezu paradigmatischer Weise ein Akt der gezielten Tötung gewesen. Bei ihr handelte es sich um keinen Vergeltungsschlag, keine nachträgliche Sanktion und auch kein politisches Attentat. Vielmehr wurde im urbanen Raum Londons ein präemptiver Schlag vollzogen, der sich gegen einen möglicherweise in der Zukunft stattfindenden Anschlag richtete.10

Im Folgenden möchte ich dieser temporalen Fährte nachgehen, um zu zeigen, dass die präemptive Tötung eine affektive Zeitnahme realisiert, die allen Versuchen ihrer rechtlichen Einhegung strukturell zuwiderläuft. Diese These werde ich in zwei Schritten entfalten. In einem ersten Schritt arbeite ich am Fall der Erschießung von de Menezes heraus, inwiefern die gezielte Tötung im Antiterrorkampf konstitutiv mit affektiven Dynamiken verwoben ist. So dienen Affekte nicht nur der situativen Sensibilisierung für latente Bedrohungspotenziale, sondern auch als imaginative Ressource der Gefahrenantizipation. Insgesamt zeichnet sich die Tötung von de Menezes durch eine vorauseilende Beschleunigung von Ereignisabläufen aus, die in einem Milieu radikaler Ungewissheit affektiv betrieben wurde. Diese Fassung der gezielten Tötung erlaubt es mir anschließend, deren Verrechtlichung zu problematisieren.11 Die primäre Strategie ihrer Legalisierung besteht darin, sie als Tötung im Krieg zu behandeln. Dadurch wird aber nicht nur eine polizeilich-militärische Praxis über erklärte Kriegsschauplätze hinaus entgrenzt. Meine Analyse führt vielmehr vor, dass das Recht letztlich von einem Zeitkonflikt heimgesucht wird: Das Verfahren der präemptiven Tötung weist einen Zukunftsbezug auf, der mit der Eigenzeit des liberalen Rechts interferiert. Durch den beschleunigten Zugriff auf ein bedrohliches Potenzial artikuliert die affektiv betriebene Zeitnahme eine gegenrechtliche Zeitlichkeit, die das Recht von innen aushöhlt.12

Affekte im Antiterrorkampf: Zur präemptiven Tötung von Charles de Menezes

Die Fakten über die Tötung von de Menezes finden sich in zwei Untersuchungsberichten der Independent Police Complaints Commission (IPCC) sehr detailliert aufgearbeitet.13 Die Polizei verfolgte den Elektriker vor seiner Erschießung etwa eine halbe Stunde auf dem Weg aus seinem Apartment zur U-Bahn, weil er fälschlicherweise für Hussain Osman gehalten wurde. Osman stand aufgrund von Indizien im Verdacht, an den tags zuvor vereitelten Selbstmordattentaten auf Londoner Busse und U-Bahnen beteiligt gewesen zu sein. Dennoch wurde de Menezes von den ihn überwachenden Polizisten weder angehalten noch überprüft, als er mit zwei Buslinien zur Stockwell-Station fuhr. Dort angekommen, betrat er den U-Bahnhof vorschriftsmäßig unter Verwendung seiner Oyster-Card, kurz nachdem er sich noch eine Gratiszeitung besorgt hatte. Er übersprang also nicht, wie zunächst behauptet, die Absperrungen, und er begann seinen Schritt erst zu beschleunigen, als er die Bahn auf dem Gleis stehen sah. Drei Polizisten folgten ihm dann in den Waggon, fixierten ihn in einem Klammergriff, woraufhin er von nachrückenden Angehörigen der Specialist Firearms Command mit sieben Kopfschüssen getötet wurde. Ein weiterer Schuss traf ihn an der Schulter, drei Schüsse verfehlten ihn. Alle Zeugenaussagen stimmen darin überein, dass de Menezes vor den Schüssen nicht gewarnt wurde. Er trug nachweislich eine leichte Jeansjacke und nicht, wie zunächst kolportiert, eine dicke Winterjacke, unter der sich ein Sprengsatz hätte verbergen lassen. Auch von einer Verkabelung fand sich keine Spur.

Die offiziellen Erklärungen des Ereignisablaufs räumen affektiven Stimmungen einen prominenten Platz ein. In dem Versuch, das Verhalten der Einsatzkräfte intelligibel zu machen, verweist etwa Peter Clark, der Leiter der Antiterroreinheit der Metropolitan Police, auf “an unprecedented intensity in terms of […] fear of further attacks”.14 Eine ähnliche Einschätzung findet sich auch im Stockwell One Report: “The atmosphere of fear for those living and working in the capital cannot be overestimated. The United Kingdom had never experienced suicide bombings, but within 24 hours of the widespread joy felt in the capital of London being selected as the city to host the 2012 Olympic Games there was a state of fear and panic.”15 London befindet sich demnach im affektiven Taumel. Aus einer freudigen Stadt ist im Handumdrehen eine “panische Stadt” geworden.16

Eine solche Darstellung knüpft deutlich erkennbar an die etymologisch verbriefte Wirkungsweise des Terrors an: Die Praxis des Terrorisierens besteht in der Erzeugung und Ausbeutung von Angst und Schrecken.17 In diesem Sinne hätte sich die gesamte Stadt von der Atmosphäre des Terrors anstecken lassen. Auch den Polizeieinheiten wäre es nicht gelungen, die affektive Hochspannung in kontrollierte Verfahrensroutinen abzuleiten. Gegenüber einer derartigen Lesart, welche die Einsatzkräfte einseitig als Opfer der terroristischen Affektproduktion porträtiert, wurde vermehrt darauf hingewiesen, dass der Antiterrorkampf selbst aktiv in eine Politik der Angst involviert ist.18 Weil Angst die Akzeptanz von Sicherheitsmaßnahmen zu steigern vermag, wird sie zum geteilten politischen Einsatz. Treffender ist daher ein Modell, das die Entfaltung wechselseitiger Wirkungen hervorhebt: “affektive Modulation trifft affektive Modulation”.19

Man erfasst die herausragende Bedeutung von Affekten im gegenwärtigen Antiterrorkampf jedoch erst vollständig, sobald man sie nicht mit individuellen Emotionen gleichsetzt. Einer spinozistischen Traditionslinie folgend, bestimmt Brian Massumi den Affekt stattdessen als “virtuelle KoPräsenz des Potenzials”.20 Die affektive Intensität verdankt sich demzufolge einem Überschuss gegenüber dem aktuellen Sein. Dieser Exzess erlangt eine gefühlte Präsenz. Panik und Angst sind entsprechend als Affekt einer bedrohlichen Zukunft aufzufassen, welche die Gegenwart mit Nervositäten überschwemmen. Deren Intensität im Antiterrorkampf speist sich dabei aus einer spezifischen Figuration der Widersacher als “phantomhafte Feinde”, die kein identifizierbares Antlitz besitzen.21 Insbesondere jener homegrown terrorist, der in London schnell als Urheber der Anschläge vom 7. Juli feststand, zeichnet sich dadurch aus, dass er als Teil des normalen sozialen Lebens Unauffälligkeit fingiert. Zwar ist er immer schon aktiv, aber in seiner Aktivität kaum wahrnehmbar. Er zeigt sein wahres Gesicht erst, wenn er sich eruptiv im Gewaltakt offenbart. Bis dahin bleibt er von anderen ununterscheidbar, sodass man zu ihm in kein determiniertes Kriegsverhältnis treten kann: Freund oder Feind? – Man weiß es nicht. Die Folge ist eine immense Ausweitung des Bedrohungspotenzials.

Vor diesem Hintergrund treten Affekte nicht alleine als Störgröße oder Ablenkung in Erscheinung. Vielmehr eröffnen sie einen Zugang zu potenziellen Gefahren: “affect provides a point of view on the explosiveness of those virtualities that […] are carried within what has become actual […]”.22 Im Kontext der Terrorbekämpfung verliert diese Bestimmung jede Unschuld. Indem sich die “affektive Kognition” auf das Feindwerden bzw. das Bombewerden richtet, wird sie zum integralen Bestandteil einer Kriegsmaschinerie.23 Sie kultiviert eine gespannte Haltung situativer Wachsamkeit, für die jede noch so unscheinbare Begebenheit von Belang ist, weil sie sich immer schon auf anderes hin öffnet und potenziell bedrohliche Tendenzen aufweist. Ähnliche Sensibilitäten könnten dann auch bei der Verfolgung von de Menezes eine Rolle gespielt haben, als er sich in einem Sekundenbruchteil vor dem Betreten der U-Bahn-Station Brixton vom Eingang abwandte und zurück in den Bus sprang, dem er zuvor entstiegen war. Das Überwachungsteam erkannte in diesem plötzlichen Richtungswechsel ein Täuschungsmanöver.24 Das erwies sich rückblickend zwar als Irrtum. In der Situation haben die Einsatzkräfte jedoch nichts anderes getan, als “eine Körperbewegung […] vom Standpunkt ihres Potenzials” zu beobachten.25 Dem Affekt in dieser Form zu folgen, ist im polizeilichen Antiterrorkrieg gleichbedeutend mit einer maximalen Ausweitung des Verdachts, gerade weil höchst unklar ist, woran sich der Verdacht konkret heften soll.

Allerdings agiert der phantomhafte Feind nicht nur an der Grenze der situativen Wahrnehmbarkeit. Das von ihm ausgehende Risiko zeichnet sich zudem durch eine starke Asymmetrie von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensumfang aus: Flugzeuge könnten in Atomreaktoren gesteuert oder biochemische Stoffe zur Vergiftung des Trinkwasser genutzt werden.26 Die gesteigerte Bedeutung von Affekten liegt angesichts derart katastrophischer Bedrohungen nicht alleine darin, dass sie schlichtweg größere Angst einjagen. Vielmehr soll das affektive Register als eine imaginative Ressource beim Entwerfen von Risikoszenarien eingesetzt werden. Der Affekt bildet ein Vehikel, um in der Vorbereitung auf die Zukunft über das Wahrscheinliche hinauszugelangen. “From now on”, so formuliert François Ewald den methodologischen Imperativ des postprobabilistischen Risikomanagements, “it will be necessary to take into account what one can only imagine, suspect, presume or fear. […] I must, out of precaution, imagine the worst possible, the consequence that an infinitely deceptive malicious demon could have slipped into the folds of an apparently innocent enterprise.”27 Man soll demnach mit den Affekten arbeiten, um sich per Imagination auf Ereignisse einzustellen, für die keine Normalverteilung vorliegt. Als Zukunftsmedien des extrem Unwahrscheinlichen werden Affekte zum zentralen Faktor in der Fabrikation antizipatorischer Rahmungen, die der Vorwegnahme und Abwendung von Gefahren im Krieg gegen den Terror dienen.28

Die dicht besiedelte Großstadt war zum Zeitpunkt der Erschießung von de Menezes sowohl mit Mitteln der Imagination als auch der physischen Gewalt fest als zentraler Topos des Terrors etabliert. Insbesondere der Schutz “kritischer” Infrastrukturen steht bis heute im Mittelpunkt der Sorge.29 So gelten die Energieversorgung, die Kommunikationsnetzwerke und nicht zuletzt die Transportsysteme als Schlüsselstellen im Antiterrorkampf. Die Angst vor der Zerrüttung dieser Vitalsysteme, von denen die Zirkulation von Personen, Informationen und Gütern fundamental abhängt, wird dabei noch durch die Offenheit des städtischen Milieus gesteigert. Der urbane Raum als ein Feld permanent neu aufkeimender Beziehungen ist aus der Perspektive der Terrorbekämpfung in höchstem Maße “threat-o-genic“.30 Die britischen Behörden hatten aus dieser städtischen Gefahrenszenerie bereits im Jahr 2003 Konsequenzen gezogen, die dann bei der Tötung von de Menezes zum Tragen kamen. Unter dem Codenamen Kratos wurde eine Shoot-to-kill-Policy für das Auftreten von “spontanen Zwischenfällen” innerhalb Londons entworfen.31 So sollte ein verdächtiger Selbstmordattentäter so früh als möglich ins Visier genommen und gegebenenfalls ohne Vorwarnung direkt durch einen Kopfschuss getötet werden. Damit hat das Einsatzprotokoll von Kratos die präemptive Erschießung von de Menezes wesentlich präformiert. Getragen von der Befürchtung eines bevorstehenden Anschlages wurde vorauseilend agiert, um die Bedrohung durch einen Attentäter zu beseitigen, bevor sie sich zu aktualisieren vermochte.

Es ist deshalb nicht übertrieben, die gezielte Tötung als Technik der Unsicherheitsabsorption zu charakterisieren.32 Sie zielt präemptiv auf ein Potenzial, um es in einem Augenblicksschlag zu vernichten. Dazu schaltet sie sich in die Emergenz der Bedrohung ein. Während präventive Maßnahmen ergriffen werden, um ein Ereignis nicht stattfinden zu lassen, verfährt die Präemption “inzitatorisch”.33 Im Horizont einer noch unbestimmten Bedrohungssituation evoziert sie die Zukunft als Bruch und partizipiert an der Koevolution des befürchteten Ereignisses.34 So musste de Menezes getötet werden, bevor sich seine befürchtete Selbsttötung ereignen konnte. Dass er zu diesem Zeitpunkt nicht mal zweifelsfrei als Zielperson identifiziert worden war, ist dabei nur ein weiterer Ausweis des präemptiven Charakters der Szene. Die Angst vor der Verspätung gegenüber der in der Zukunft lauernden Bedrohung hat in der konkreten Situation offenbar überwogen.

Dieser vorgreifende Zug der Preemption geht daher auch mit einer außerordentlichen Beschleunigung einher.35 Der Moment der gezielten Tötung stellt sich als kurzzeitige Möglichkeit dar, auf ein Möglichkeitsbündel einzuwirken: “Preemption sets a race in motion […] a race on the edge of chaos. It is a race of movement-flushing, detection, perception, and affective actuation.”36 Dem Ideal nach trifft die Kugel ihr Ziel dabei wie ein Blitzschlag – ein Lichtblitz souveräner Macht, wenn man so will. Wer kratos hat, also die “Macht zu entscheiden, durchzusetzen” und “zu überwältigen”, der hat im Rennen des antizipierenden Handelns die Macht, die Zeit, die noch bleibt, zu bestimmen.37 Patricia de Menezes hat die Implikationen dieser souveränen Zeitnahme klar benannt: “They judged my cousin and sentenced him all in the space of a moment.”38

Eine letzte Facette des gleichermaßen temporalen wie affektiven Kalküls, das in der gezielten Tötung von de Menezes seinen Ausdruck findet, zeigt sich in einem technischen Detail: der verwendeten Munition. Bei ihr handelte es sich um ein sogenanntes Hohlspitzgeschoss, das sich beim Auftreffen auf ein Ziel pilzförmig aufspaltet und dadurch besonders viel Bewegungsenergie abgibt. Hohlspitzgeschosse werden bei der Jagd eingesetzt, im Krieg sind sie völkerrechtlich verboten. Ihrer Verwendung im Antiterrorkampf wiederum liegt der medizinische Befund zugrunde, dass nur eine unmittelbare Zerstörung des Hirnstamms einen Selbstmordattentäter daran hindern kann, seinen Sprengsatz noch zu zünden.39 Auf diese Weise interveniert die gezielte Tötung in jenes Zeitintervall, das in den affect studies als “die fehlende halbe Sekunde” thematisiert wird.40 Es handelt sich dabei um die Zeitspanne, welche das Hinterherhinken der Reaktion gegenüber dem auslösenden Reiz bemisst. Für Brian Massumi ist diese Zwischenzeit die Zeit des Affekts: Was in die fehlende halbe Sekunde fällt, sei “something that happens too quickly to have happened”.41 Die gezielte Tötung stellt diese Geschwindigkeitsrelation am Körper des potenziellen Attentäters in Rechnung. Die Verwendung von Hohlspitzgeschossen soll die kinetische Einwirkung der Projektile so schnell geschehen lassen, dass sie von der getroffenen Person nicht mehr als Geschehen erfasst werden kann, auf das noch reagiert werden könnte. Das dynamic targeting will dadurch einen Kurzschluss der Reizreaktion des Körpers herbeiführen, der die Körperspannung einem Wert nahe null annähert. Sie agiert in Affektgeschwindigkeit zur Minimierung der vitalen Vermögen des anderen, zu affizieren und affiziert zu werden.

Gegenrechtliche Zeitbezüge und die Entgrenzung des Krieges

Nachdem die Praxis der gezielten Tötung lange Zeit als nicht legalisierbar galt, hat sich dies im Lauf der letzten Dekade gewandelt.42 Wenn Spezialeinheiten heute sogenannte signature strikes durchführen, die sich vor allem auf Verhaltensprofile von Zielpersonen stützen, geschieht das im Kontext einer umfassenden Jurisprudenz, welche eine Fülle rechtlicher Kriterien und Prozeduren erarbeitet hat.43 Aber kann sich das Recht der nun vorgestellten Temporalität der affektiven Zeitnahme annehmen?

Die Befunde der vorangegangenen Analyse der Erschießung von de Menezes stimmen hier skeptisch. Sie lassen sich auf drei Aspekte hin systematisch zuspitzen: Erstens verlangt ein von terroristischen Bedrohungen geprägtes Milieu nach einer Einstellung, die noch Unbestimmtes registriert und dadurch potenzielle Gefahren im Frühstadium wahrnimmt. Zweitens sollen affektive Vermögen als imaginative Ressource im Entwerfen von Szenarien eingesetzt werden, um auch Unwahrscheinliches antizipieren und vorauseilend bearbeiten zu können. Drittens schließlich strebt die präemptive Intervention danach, im operativen Vollzug die beschleunigte Zeit des Affekts anzunehmen. Führt man sich diese drei Aspekte vor Augen, wird in frappierender Weise deutlich, dass sie sich geradezu spiegelbildlich zur Eigenzeit des Rechts verhalten. Sie laufen jener Art und Weise zuwider, in der zumindest das liberale Recht im Vollzug seiner Operationen auf Zukünftiges und Vergangenes Bezug nimmt.44 Diesen Zeitkontrast scharf zu stellen, ist für ein kritisches Verständnis präemptiver Sicherheitspolitik insgesamt wesentlich. Vor allem können im Blick auf die temporalen Interferenzen die spezifischen Konsequenzen hervorgehoben werden, welche die rechtliche Behandlung der gezielten Tötung mit sich bringt.

Aus soziologischer Sicht ist das Recht erstens ein Mechanismus der Zeitbindung. Es symbolisiert die Zukunft als sicher in Bezug auf spezifische Erwartungen. Dank des Rechts weiß man also schon in der Gegenwart, dass man sich im Fall einer Erwartungsenttäuschung auf eine Norm wird berufen können. In diesem Sinne dient das Recht “der bloßen Fortsetzung des Vergangenen und Gegenwärtigen in einer Welt voller Überraschungen, voller Feinde, voller Gegeninteressen”.45 Das Recht erlaubt eine geradezu gleichgültige Haltung gegenüber den in der Zukunft lauernden Kontingenzen. Damit steht es dem affektiven Ethos des präemptiven Antiterrorkampfes diametral entgegen. In der Bedrohung durch einen phantomhaften Feind herrscht Erwartungsunsicherheit nicht nur als affektives Faktum, sie wird auch zur Tugend.46 Eine indifferente Haltung erscheint unter derartigen Bedingungen als fahrlässig, angesagt ist eine hochgradig sensibilisierte Differenzhaltung: eine Haltung, für die jede noch so kleine Begebenheit einen Unterschied in Bezug auf die Zukunft macht.

Die katastrophische Potenz der terroristischen Bedrohung stellt dabei zweitens die konstitutive Nachträglichkeit des liberalen Rechts grundlegend in Frage. Normalerweise urteilt das Recht über vergangene Taten, es widmet sich einem abgeschlossenen Sachverhalt. Das Recht vermeidet, anders gesagt, Spekulationen darüber, ob zukünftige Taten rechtmäßig oder unrechtmäßig sein werden. Allerdings ist ein in entsprechender Weise spekulatives Vorgehen angesichts katastrophischer Bedrohungen gefragt. Die Befürchtungen und Sorgen dienen als Medium der Erzeugung von Zukunftsvisionen, auf deren Eintreten nicht gewartet werden darf, um sie dann erst nachträglich behandeln zu können. Der Anknüpfungspunkt der präemptiven Sicherheitsmaßnahme ist deshalb kein bereits vollständig vorliegender Tatbestand, sondern der die Bedrohung virtuell präsentierende Affekt: “the only actual leverage the security operation can have is on threat’s back-cast presence, it’s pre-effect of fear”.47

Drittens konterkariert der im Antiterrorkampf vorherrschende Beschleunigungsimpuls die im Vergleich extrem langsame Ereignisgeschwindigkeit des Rechts. Das Recht setzt auf strikt formalisierte Regeln und Prozeduren, die es ihm erlauben, kontrolliert in die Zukunft zu schreiten. Es erzeugt die Legitimität seiner Entscheidungen durch Verfahren, in denen es einen umfassenden Normenbestand erinnert und in konsistenter Weise auf ein strittiges Ereignis bezieht. Das Recht benötigt dafür verhältnismäßig viel Verfahrenszeit, weil es einen Qualitätsausweis darin sieht, dass allen Seiten Gehör geschenkt und Zweifeln skrupulös nachgegangen wird.48 Dieser Umgang mit dem Ereignis verkehrt sich in Situationen, in denen sich Gelegenheitsziele mit katastrophischer Potenz auftun: “Die Bestimmung eines solchen Ereignisses als Ziel beinhaltet […] eine Bestrebung […], seine Singularität durch eine gleichermaßen exzeptionelle Antwort zu integrieren oder sich anzueignen.”49 Entworfen wird in dieser Form eine Notsituation, in der keine Norm anwendbar sein soll. Um dem singulären Ereignis eines Anschlags gezielt zu begegnen, müsse man sich “der Unterordnung unter vorgegebene Regeln und Prozeduren widersetzen”.50

Die präemptive Logik der gezielten Tötung läuft der rechtlichen Eigenzeit somit in dreifacher Hinsicht zuwider. Gerade deshalb ist es höchst aufschlussreich zu sehen, was diese Inversion der rechtlichen Zeit an jenen Punkten mit dem Recht anstellt, wo es sich ihrer annimmt. Folgt man den Juristen, so lassen sich gezielte Tötungen von Terrorverdächtigen gemäß zweier rechtlicher Modelle betrachten: dem armed conflict model oder dem law enforcement model.51 Legt man letzteres zugrunde, dann ist Terror primär ein Verbrechen, das national wie international strafrechtlich zu verfolgen wäre. Terroristen müssten von Polizeieinheiten festgenommen und einem rechtlichen Prozess unterzogen werden. Die präemptive Tötung wäre demgemäß schlichtweg illegal. Sie wird in der Literatur als “außerrechtlich” qualifiziert, weil sie das strafrechtliche Verfahren in fundamentaler Weise umgeht – sie lässt es gar nicht erst stattfinden. Zwar sieht das law enforcement model auch eine präventive Stoßrichtung vor, es begrenzt sie aber strikt. Getötet werden darf lediglich im Fall einer gegenwärtigen Lebensgefahr, zu deren Abwehr kein anderes Mittel verfügbar ist.

Für die Legalisierung gezielter Tötungen im Kontext des Antiterrorkampfs nehmen deren Befürworter in der Regel das armed conflict model Anspruch. Es arbeitet mit der Unterstellung, dass die Bekämpfung des Terrors einem bewaffneten Konflikt gleichkommt, in dem das Kriegsvölkerrecht gilt. Jeder Angehörige einer kriegsführenden Partei gilt demzufolge als rechtmäßiges Angriffsziel. Doch selbst wenn ein erklärter bewaffneter Konflikt in rechtlicher Hinsicht vorliegt, treten Terrorverdächtige zunächst als Zivilisten auf. Sie verlieren ihren geschützten Status nur temporär, und zwar gemäß des ersten Zusatzprotokolls der Genfer Abkommen für die Zeitspanne einer “direkten Teilnahme an Feindseligkeiten”. Der Kampf ums Recht äußert sich dann im Streit darüber, was eine “direkte Teilnahme” ausmacht. Zugleich wird für Akte der gezielten Tötung das in der UN-Charta zugesicherte Recht zur Selbstverteidigung in Anspruch genommen. Dafür muss das jus ad bellum jedoch in Analogie zur polizeilichen Gefahrenabwehr so interpretiert werden, dass man die Realisierungsschwelle eines Angriffs zeitlich vor eine aktuelle Aggression verlegt. Dieser Ausnahmetatbestand ist Völkerrechtlern zufolge dann erfüllt, wenn allgemein sichtbare Angriffsvorbereitungen beweisen, dass ein Angriff unmittelbar bevorsteht.

Geht es um die Legalisierung präemptiver Tötungen, basiert das armed conflict model folglich auf zwei Voraussetzungen: Zum einen muss es möglich sein, einen eventuell bevorstehenden Angriff so zu behandeln, dass man sich antizipierend gegen ihn verteidigen kann. Zum anderen muss ein derart virtueller Angriff auch dann als Kriegshandlung gefasst werden, wenn er abseits erklärter Kriegsschauplätze Personen zugeschrieben wird, die nicht als reguläre Kombattanten gelten. Obwohl niemand im Nachgang der Erschießung von de Menezes ernsthaft auf die Idee gekommen ist, das armed conflict model in Stellung zu bringen, vermag sein Fall diese beiden Voraussetzungen auf ihre Fluchtlinien hin auszuleuchten. So führt die hier vorgelegte Analyse zum einen vor, dass die präemptive Tötung selbst noch den Ausnahmetatbestand der antizipierenden Verteidigung sprengt. Gemäß der Rationalität der Preemption sind Bedrohungen im Zustand der Potenzialität zu attackieren, weil ein Feind, der ununterscheidbar mit seinem Milieu verschmilzt, bis er unerwartet zuschlägt, erst gar nicht in bestimmbarer Form in Erscheinung treten darf. Ein Recht aber, das dieser Logik Raum gibt, hegt streng genommen keine Gewalt mehr ein. Zum anderen wirft die Erschießung von de Menezes ein grelles Licht auf die Ausweitung des Krieges. In London haben Sondereinheiten der Polizei mit militärischer Unterstützung vorbeugend agiert und dadurch die extremen Konsequenzen einer Kriegsführung in Szene gesetzt, deren polizeiliche Interventionen auf Nichtkriegsschauplätzen stattfinden.51

Fast hat es vor diesem Hintergrund den Anschein, als ob die gegenrechtliche Temporalität der affektiv betriebenen Zeitnahme mit der Erosion eines ganzen Repertoires rechtlich tragender Unterscheidungen einhergeht.

Als es den Londoner Antiterroreinheiten am 22. Juli 2005 um 10.03 Uhr geboten erschien, in der unmittelbaren Gegenwart auf die Zukunft einzuwirken und die Schüsse auf Charles de Menezes abzufeuern, war er weder Kombattant noch Zivilist. Er war bloßer Träger einer möglichen Bedrohung, die in diesem Augenblick für zu groß befunden wurde. Zugleich hat sich im Moment der Erschießung die absolute Dislokation des Schlachtfeldes im mittlerweile zum long war umdeklarierten globalen Krieg gegen den Terror erwiesen. Dieser Krieg kennt keine räumlichen Grenzen und wird folglich auch morgens in der Londoner U-Bahn geführt. Sobald man unter derartigen Bedingungen das Recht auf Selbstverteidigung gegen einen phantomhaften Feind geltend macht, führt man jedoch nicht nur die Ausnahme vom internationalen Gewaltverbot ad absurdum. Man löst vor allem das zivile Recht auf, das Erwartungs- und Verfahrenssicherheit gewährt. Unter diesen Voraussetzungen erscheint es ratsam, in einer Umkehr der Beweislast immer schon vorweg zu demonstrieren, dass man kein Terrorist ist. Allerdings blieb de Menezes auch diese Zeit nicht, und zwar nicht alleine aus einem unglücklichen Versehen heraus, wie nach den Londoner Ereignissen immer wieder behauptet wurde, sondern in Übereinstimmung mit der hier vorgestellten Logik.

Jacques Derrida, Falschgeld. Zeitgeben I, übers. von Andreas Knop und Michael Wetzel, München 1993, S. 43.

Während der Begriff des global war prison in kritischer Absicht geprägt wurde, stammt der Terminus des global battlespace von Militärstrategen, vgl. Derek Gregory, "From a View to a Kill: Drones and Late Modern War", in: Theory, Culture & Society 28 (2011), 7-8, S. 188-215, hier S. 190.

"By regimes that self-identify as liberal [...] assassinations are now increasingly seen as a standard part of ongoing overseas contingency operations and counterinsurgency warfare [...]." Kyle Grayson, "The Ambivalence of Assassination: Biopolitics, Culture and Political Violence", in: Security Dialogue 43 (2012), 1, S. 25-41, hier S. 26.

Die Angaben stammen vom Council of Foreign Relations, einem US-amerikanischen Think Tank, vgl. Micah Zenko, "America's 500th Drone Strike", blogs.cfr.org/zenko/2014/11/21/americas-500th-drone-strike/ [10. 2. 2015].

Bruno Latour, Elend der Kritik. Vom Krieg um Fakten zu Dingen von Belang, übers. von Heinz Jatho, Berlin / Zürich 2007, S. 21 ff.

Stephen Graham, Cities Under Siege. The New Military Urbanism, London / New York 2010.

Stephen Graham, "The Urban 'Battlespace'", in: Theory, Culture & Society 26 (2009), 7-8, S. 278-288, hier S. 282.

Thomas B. Hunter, Targeted Killing. Self-Defence, Preemption and the War on Terrorism, Charleston 2009, S. 14.

Ebd., S. 58 (Hervorhebung von mir).

Vgl. Nick Vaughan-Williams, "The Shooting of Jean Charles de Menezes: New Border Politics?", in: Alternatives 32 (2007), 2, S. 177-195.

Zur rechtlichen Normalisierung gezielter Tötungen vgl. Susanne Krasmann, "Targeted Killing and Its Law: On a Mutually Constitutive Relationship", in: Leiden Journal of International Law 25 (2012), 3, S. 665-682.

Für eine Analyse gegenrechtlicher Zeitlichkeit im Recht vgl. bereits Sven Opitz, "Widerstreitende Temporalitäten: Recht in Zeiten des Risikos", in: Behemoth 4 (2011), 2, S. 58-82.

IPPC, Stockwell One Report. Investigation into the Shooting of Charles de Menezes at Stockwell Underground Station on 22 July 2005, London 2007; sowie IPCC, Stockwell Two. An Investigation into Complaints about the Metropolitan Police Service's Handling of Public Statements Following the Shooting of Jean Charles de Menezes on 22 July 2005, London 2007.

IPCC, Stockwell Two, S. 13.

IPCC, Stockwell One, S. 16.

Vgl. Paul Virilio, Panische Stadt, Wien 2007, S. 87 ff.

Veith Selk, "Angstpolitik: Terrorismus als politische Strategie", in: Diskurs 7 (2011), 1, S. 10-35, hier S. 14 ff.

Vgl. Cian O'Discroll, "Fear and Trust: The Shooting of Jean Charles de Menezes and the War on Terror", in: Millenium 36 (2008), 2, S. 339-360; François Debrix / Alexander Barder: "Nothing to Fear but Fear: Governmentality and the Biopolitical Production of Terror", in: International Political Sociology 3 (2009), 3, S. 398-413.

Brian Massumi, Ontomacht. Kunst, Affekt und das Ereignis des Politischen, Berlin 2010, S. 56; den relationalen Aspekt betont ebenfalls Robert Seyfert, "Beyond Personal Feelings and Collective Emotions: Toward a Theory of Affect", in: Theory, Culture & Society 29 (2012), 6, S. 27-46.

Ebd., S. 29. Für eine systematische Aufarbeitung des spinozistischen Erbes in der aktuellen Affekttheorie vgl. Martin Saar, Die Immanenz der Macht. Politische Theorie nach Spinoza, Berlin 2013, S. 275 ff.

"The phantom enemy is the ultimate figure of hostility and the most uncanny because it is not different or distant from us. Rather, it is our shadow." Carlo Galli, "On War and the Enemy", in: The New Centennial Review 9 (2009), 2, S. 195-219, hier S. 217; Alexander Galloway und Eugene Thacker sprechen treffend von einem "defacement of enmity", vgl. The Exploit. A Theory of Networks, Minneapolis 2007, S. 65 ff.

Ben Anderson, "Becoming and Being Hopeful: Towards a Theory of Affect", in: Environment and Planning D 24 (2006), 5, S. 733-752, hier S. 739.

Zum Konzept der affektiven Kognition vgl. John Protevi, Political Affect. Connecting the Social and the Somatic, Minneapolis 2009, S. 16 und 35.

Der Independent spricht von einer "split-second, seemingly innocuous decision [that] cost him his life". Mark Hughes, "Seven Mistakes that Cost de Menezes his Life", in: The Independent, 13 December 2008.

Massumi, Ontomacht, S. 31. Eine analoge sicherheitstechnologische Inanspruchnahme des Affekts in der Dechiffrierung von micro-expressions beschreibt Peter Adey, "Facing Airport Security: Affect, Biopolitics, and the Preemptive Securitisation of the Mobile Body", in: Environment and Planning D 27 (2009), 2, S. 274-395.

Vgl. Sven Opitz / Ute Tellmann, "Katastrophale Szenarien: Gegenwärtige Zukunft in Recht und Ökonomie", in: Leviathan, Sonderheft 25 /2010, S. 27-52.

François Ewald, "The Return of Descartes's Malicious Demon: An Outline of A Philosophy of Precaution", in: Tom Baker / Jonathan Simon (Hg.), Embracing Risk. The Changing Culture of Insurance and Responsibility, Chicago 2002, S. 273-301, hier S. 286.

Judith Butler's Affekttheorie greift an diesem Punkt zu kurz, weil sie den Affekt lediglich als sekundären Effekt jener diskursiven Rahmungen ansieht, welche die Gewaltwahrnehmung im Antiterrorkrieg bestimmen, vgl. dies., Krieg und Affekt, Zürich / Berlin 2009.

Vgl. die Beiträge in Myriam Dunn Cavelty / Kristian Søby Kristensen (Hg.), Securing the Homeland. Critical Infrastructure, Risk and (In)Security, London / New York 2008.

Brian Massumi, "The Future Birth of Affective Fact: The Political Ontology of Threat", in: Melissa Gregg / Gregory S. Seigworth (Hg.), The Affect Theory Reader, Durham 2010, S. 52-70, hier S. 60. Durchaus im Anschluss an die soziologischen Klassiker lässt sich die Großstadt damit als ein Ereignisraum beschreiben, der durch einen Potenzialitätsexzess gekennzeichnet ist. Affekt und Stadt gehören, kurz gesagt, zusammen: "Bodies slide in urban corridors of affect." Andreas Philipopoulos-Mihalopoulos, "Atmospheres of Law: Senses, Affects, Lawscapes", in: Emotion, Space and Society 7 (2013), 1, S. 35-44, hier S. 41.

IPCC, Stockwell One, S. 42.

Oliver Kessler / Wouter Werner, "Extrajudicial Killing as Risk Management", in: Security Dialogue 39 (2008), 2-3, S. 289-308.

Brian Massumi, "Potential Politics and the Primacy of Preemption", in: Theory and Event 10 (2007), 2, Rn. 1-34, hier Rn. 16.

Ben Anderson, "Security and the Future: Anticipating the Event of Terror", in: Geoforum 41 (2010), 2, S. 227-235.

"Targeted killing [...] also provides needed speed" -- so die Einschätzung eines Reports der Harvard Kennedy School of Governance, auf den Alan Dershowitz positiv Bezug nimmt, vgl. Preemption. A Knife that Cuts Both Ways, New York / London 2006, S. 138.

Massumi, "Potential Politics", Rn. 22.

Zu diesem Bedeutungshof von kratos vgl. Jacques Derrida, Schurken. Zwei Essays über die Souveränität, Frankfurt am Main 2003, S. 30 und 42.

Zitiert nach Vaughan-Williams, "The Shooting of Charles de Menezes", S. 187.

Vgl. Alastair Finlan, "The Perils of Special Approaches to Counterterrorism: The Shooting of Jean Charles de Menezes in 2005", in: Defense & Security Analysis 29 (2013), 3, S. 188-202, hier S. 193.

Vgl. Marie-Louise Angerer, "Die 'biomediale Schwelle' -- Medientechnologien und Affekt", in: Astrid Deuber-Mankowsky / Christoph F. E. Holzhey (Hg.), Situiertes Wissen und regionale Epistemologie. Zur Aktualität Georges Canguilhems und Donna J. Haraways, Wien 2013, S. 203-222.

Brian Massumi, Parables for the Virtual. Movement, Affect, Sensation, Durham 2002, S. 30.

Vgl. Krasmann, "Targeted Killing and Its Law", S. 675 ff.

Vgl. Kevin Jon Heller, "'One Hell of a Killing Machine' -- Signature Strikes and International Law", in: Journal of International Criminal Justice 11 (2013), 1, S. 88-119.

Zur Eigenzeit des Rechts im Anschluss an Niklas Luhmann vgl. bereits ausführlich Sven Opitz, An der Grenze des Rechts. Inklusion / Exklusion im Zeichen der Sicherheit, Weilerswist 2012, S. 57 ff.

Niklas Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts. Beiträge zur Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Frankfurt am Main 1999, S. 77.

Luhmann warnt davor, dass "Erwartungsunsicherheit [...] dazu führen [kann], dass man sich zu stark an der Gegenwart orientiert" (ebd., S. 96). Genau eine solche Orientierung aber wird im Antiterrorkampf angemahnt.

Brian Massumi, "Fear (The Spectrum Said)", in: Positions 13 (2005), 1, S.31-48, hier S. 36.

So eine wesentliche Pointe von Bruno Latour, The Making of Law. An Ethnographie of the Conseil D'Etat, Cambridge 2009, S. 220 f.

Samuel Weber, Gelegenheitsziele. Zur Militarisierung des Denkens, Zürich / Berlin 2006, S. 18.

Ebd.

Zum Konzept des Nicht-Kriegs vgl. Niels Werber, "Krieg und Nicht-Krieg. Anmerkungen zur militärischen Weltraumordnung", in: Rudolf Maresch / Niels Werber (Hg.), Raum Wissen Macht, Frankfurt am Main 2002, S. 287-306.

Published 19 May 2015
Original in German
First published by Mittelweg 36 1-2 (2015)

Contributed by Mittelweg 36 © Sven Opitz / Mittelweg 36 / Eurozine

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