Schlachtfeld Europa

Transnationale Erinnerung und europäische Identität

Dass Europa sich in einer Krise befindet, ist längst ein Gemeinplatz. Erst war es eine Krise der Erweiterung, dann eine Vertiefungs- und schließlich auch eine Verfassungskrise. Daran konnte die vergangene französische Ratspräsidentschaft unter einem hyperaktiven Präsidenten Nicolas Sarkozy wenig ändern; und auch der gegenwärtige Vorsitz Tschechiens mit dem ausgewiesenen EU-Skeptiker Václav Klaus gibt kaum zu größerer Hoffnung Anlass. Insofern wäre es bereits eine positive Überraschung, wenn die Wahlen zum Europäischen Parlament, die in den inzwischen 27 EU-Staaten vom 4. bis 7. Juni dieses Jahres stattfinden, wenigstens die ihnen gebührende Beachtung fänden. Leider ist jedoch auch hier das Gegenteil zu erwarten.

Die politische Zukunft der Europäischen Gemeinschaft erscheint somit nach wie vor ungewiss. Anders verhält es sich dagegen mit der europäischen Vergangenheit. Seit im Herbst 2007 im Brüsseler Thurn-und-Taxis-Palais ein unprätentiöser und gelungener Überblick über “unsere Geschichte” zu besichtigen ist, die jetzt nicht mehr Nationalgeschichte, sondern die Geschichte Europas seit 1945 sein soll, fehlt es nicht an sarkastischen Kommentaren, wonach Europa, wenn schon keine Verfassung, so doch immerhin ein Museum hat. Ist Europa, angesichts seiner politischen Probleme, also inzwischen museumsreif?

Tatsächlich ernster zu nehmen ist wohl die Frage, ob die Europäerinnen und Europäer – viele Millionen EU-Bürger, aber auch Schweizerinnen und Ukrainer, Türkinnen und Norweger –, ob also dieses größte Noch-Nicht-Volk der Erde Erinnerungen teilt und eventuell ein gemeinsames Geschichtsbewusstsein hat1. Oder haben sollte, nicht zuletzt, um seine politischen Probleme besser zu bewältigen. Die einzelnen europäischen Nationen haben sich einen Vorrat an Großerzählungen und Mythen zugelegt, um innerhalb gesetzter Grenzen solidarisch handeln zu können. Was ist dann mit dem vereinten Europa – in welchem (Doppel-)Sinne2 hat es eine “geteilte Erinnerung”?

Skeptiker misstrauen jeder supranationalen Aufspreizung des Europagedankens, weil er die Staats- und Parlamentssouveränität der Mitgliedstaaten und Nationen beeinträchtigt3. Wer solche Gefahren wittert (in London ebenso wie in Paris oder Athen und erst recht in Warschau), wird auch gemeineuropäische Kommemoration für eine Überanstrengung halten, da sie doch nur alte Konflikte anheizt.

Das belegen die erbitterten Auseinandersetzungen über Vertreibungen und ethnische Säuberungen seit 19444. Nichts könnte die Instrumentalisierbarkeit historischer Konflikte drastischer dokumentieren als die Tatsache, dass der polnischen Staatsspitze zur europäischen Verfassungsdebatte unlängst einfiel, man müsse die Nazi-Opfer einrechnen, um Polens Stimmenanteil im heutigen Europa korrekt zu bestimmen. Für Nationalbewusste ist Europa wesentlich eine Freihandelszone, die nur bei Angriffen von außen kollektiv handelt; und memorabel sind höchstens Abwehrschlachten gegen äußere Feinde und interne Barbaren wie die Nazis.

Deren Niederringung im Mai 1945 wird in der Tat fast auf dem ganzen Kontinent gedacht5. Aber in der estnischen Hauptstadt Tallinn konnte man 2007 besichtigen, welchen Streit auch das auslöst. Die Verlegung eines sowjetischen Ehrenmals, das man im Baltikum nachvollziehbarerweise als Monument jahrzehntelanger Okkupation und Unterdrückung ansieht, aus der Innenstadt der estnischen Hauptstadt führte zu einer echten Staatskrise zwischen Estland und der Russischen Föderation. Bemerkenswert ist dabei, dass es nicht zu einer Krise zwischen der EU und Russland kam, was darauf hindeutet, wie wenig sich die Europäische Union von diesem Vorgang betroffen fühlte. Genau unter Einschluss dieser durch die sowjetische Besetzung des östlichen Europa markierten Erfahrung hatte Jorge Semprun, 1943 bis 1945 Häftling in Buchenwald, zum 60. Jahrestag der Befreiung der nationalsozialistischen Konzentrationslager gefordert, die EU-Erweiterung könne kulturell und existenziell nur gelingen, “wenn wir unsere Erinnerungen miteinander geteilt und vereinigt haben werden.”6

Wer einer europäischen Gesellschaft kollektive Identität verleihen möchte, so meine These, wird also die Erörterung und Anerkennung der strittigen Erinnerungen genauso hoch bewerten wie Vertragswerke, Währungsunion und offene Grenzen7.

Erster Kreis: Der Holocaust als negativer Gründungsmythos?

Ein generelles Problem stellt sich dabei: Anders als seine Nationen früher, kann das heutige Europa nicht Heldentaten ausstellen, sondern in historischer Tiefendimension nur an die großen Katastrophen des langen 20. Jahrhunderts erinnern8. Erklärte Außenseiter und Feinde von einst müssten dabei ausdrücklich einbezogen werden. Wenn man diesem Versuch gegen die Re-Nationalisierung der Erinnerung eine Chance geben will, kann man Ankerund Fluchtpunkte einer supra- und transnationalen Erinnerung in konzentrischen Kreisen ausbreiten und an Daten und Orten exemplifizieren, die mit dem 27. Januar 1945 in Auschwitz beginnen.

Der Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz wird mittlerweile in ganz Europa als Holocaust Memorial Day begangen9. Der gemeinsame Rekurs auf das singuläre Menschheitsverbrechen des Mordes an den europäischen Juden ist das Angebot eines negativen Gründungsmythos für Europa10. Die Europäisierung der deutschen Geschichtspolitik – Timothy Garton Ash sprach ironisch von einer “deutschen DIN-Norm”11 – wirkt fürs Erste plausibel, insofern Antisemitismus und Faschismus in der Tat gesamteuropäische Erscheinungen waren und der Mord an den Juden ohne breite Kollaboration europäischer Regierungen und Menschen unmöglich gewesen wäre. Ein Mémorial de la Shoah ist heute auch in Paris eine Selbstverständlichkeit, selbst Polen steht, nach der Debatte um das keineswegs isolierte Pogrom in Jedwabne, vor einem ähnlichen Erkenntnisprozess, der angesichts eines grassierenden Antisemitismus wohl noch Jahre dauern wird12.

Kann der Holocaust aber eine politische Handlungsanleitung für das heutige Europa sein? Im Januar 2000 sollte das im Stockholm International Forum on the Holocaust verankert werden, mit einer allzuständigen Gegenwartsbewältigung, die (einmal und bisher nie wieder) an Österreich erprobt wurde, als Wolfgang Schüssel eine Koalition mit der FPÖ, der Partei des notorischen NS-Verharmlosers Jörg Haider, bildete13. Daraus wurde 2007 operative Politik, indem die Leugnung des Holocaust in der gesamten Europäischen Union unter Strafe gestellt werden soll. Ob eine derartige Aktualisierung des Holocaust politisch-ethisch geboten ist und seine Instrumentalisierung für gegenwärtige Zwecke praktisch-politisch greift, darf man bezweifeln14. Aber auch erinnerungskulturell begibt man sich damit auf einen problematischen Weg. Sicher hat das “Megaereignis” des Zweiten Weltkriegs alle Europäer und Europäerinnen unter Einschluss der peripheren und neutralen Nationen ergriffen und beschäftigt sie bis heute. Aber der Holocaust sagt vielen schon in Großbritannien oder Portugal auf die eigene Nation bezogen wenig, und vollends problematisch wird diese Zentralperspektive, wenn sie als Matrix der Bewältigung kommunistischer Staats- und Menschheitsverbrechen in ganz Ostmitteleuropa oktroyiert würde.

Zweiter Kreis: Sowjetkommunismus – gleichermaßen verbrecherisch?

Mit der Nachfrage, ob – wenn schon die Strafbarkeit der Leugnung des Holocaust EU-weit verbindlich ist – nicht auch die Leugnung der sowjetkommunistischen Verbrechen unter Strafe gestellt gehöre15, haben sich die litauischen MdEP und der frühere Parlamentspräsident Vytautas Landsbergis nicht durchsetzen können und keine Fürsprecher unter westlichen Politikern gefunden. Wir sind damit im zweiten Kreis oder besser: in der anderen Hälfte des Halbkreises, sofern man eine Gesamtschau der totalitären Erfahrungen im 20. Jahrhundert anstrebt. Für die von der Roten Armee besetzten Staaten bleibt der 8./9. Mai 1945 Auftakt eines anderen Okkupationsregimes16, das intellektuelle Sprecherinnen Ostmitteleuropas als “gleichermaßen verbrecherisch”, so Sandra Kalniete auf der Leipziger Buchmesse am 24. März 2004, einstufen und keinesfalls als kollektives Befreiungsdatum akzeptieren können, wie dies die russische Erinnerungskultur und Geschichtspolitik zunehmend aggressiv bekräftigt17. Man gerät hier, wie in allen grobschlächtigen und politisierten Varianten der Totalitarismusthese, rasch auf eine schiefe Ebene der ein- oder wechselseitigen Relativierung und Aufrechnung, die auch die deutsche Erinnerung nach 1990 beherrschte. Die Schwierigkeit der europäischen Erinnerungskultur besteht darin, das Singuläre am Zivilisationsbruch der industriellbürokratischen Vernichtung der europäischen Juden herauszustellen, ohne sie damit dogmatisch dem historischen Vergleich zu entziehen und die systematische Ausrottung der “Klassen- und Volksfeinde” im sowjetischen Machtbereich herunterzuspielen18.

Dass ein vordergründiger antifaschistischer Konsens den Gulag verschwieg (oder mit der Shoah aufrechnete), war den polemischen Konstellationen des Kalten Krieges geschuldet, der – siehe Tallinn 2007 – keineswegs überwunden ist. Konkurrenz und Hierarchie zwischen, man verzeihe die krude, fast geschäftsmäßige Begrifflichkeit, Holocaust-Gedächtnis und Gulag-Gedächtnis dürfte die wichtigste Hypothek einer geteilten Erinnerung sein, die nicht separieren, sondern synthetisieren möchte. Aber nicht alle Gewaltakte des 20. Jahrhunderts können mit der Ikone des Negativen, dem Holocaust, in Verbindung gebracht werden, so dass Semprun, einst Mitglied der Kommunistischen Partei, in Buchenwald, wo 1945 ein sowjetisches Speziallager errichtet wurde, die Hoffnung formulierte, dass “bei der nächsten Gedenkfeier in zehn Jahren, 2015, die Erfahrung des Gulag in unser kollektives europäisches Gedächtnis eingegliedert sein wird. Hoffen wir, dass neben die Bücher von Primo Levi, Imre Kertész oder David Rousset auch die ‘Erzählungen aus Kolyma’ von Warlam Schalamow gerückt wurden. Das würde zum einen bedeuten, dass wir nicht länger halbseitig gelähmt wären, zum anderen aber, dass Russland einen entscheidenden Schritt auf dem Weg in die Demokratisierung getan hätte.”19

“Ostmitteleuropa” ist nur eine westliche Fiktion und auch im Blick auf die Erinnerung vielfach differenziert. Stefan Troebst hat vier Zonen unterschieden: Während in den baltischen Staaten, in Kroatien und in der Slowakei ein klarer antikommunistischer und antisowjetischer Grundkonsens vorherrsche, liege in Polen, Ungarn, Tschechien, der Ukraine eine (sogar zunehmend) kontroverse Aufarbeitung der Vergangenheit vor; Ambivalenz oder Apathie gegenüber der kommunistischen Vergangenheit könne man in Bulgarien, Rumänien, Serbien, Mazedonien und Albanien konstatieren, während Russland, Weißrussland, Moldawien und andere GUS-Staaten eine hohe Eliten und Gedenkkontinuität an den Tag legten20. Dort wird Stalin als Feldherr des “Großen Vaterländischen Krieges” oftmals apologetisch betrachtet21, bisweilen sogar im Blick auf seine repressive und mörderische Qualität im Inneren Russlands.

In dieser Latenz autoritärer Momente in den postsowjetischen Herrschaftsstrukturen erweist sich die ganze Brisanz einer nicht aufgearbeiteten Verbrechensgeschichte: Sie unterminiert den Weg in die Demokratie. Die mögliche Selbstexklusion Russlands aus Europa findet in einer affirmativen und apologetischen Geschichtspolitik nicht nur ihren Ausdruck, sie hat dort womöglich auch ihre tieferen Ursachen.

Eine erste Zusammenfassung ergibt drei Gründe für die gegebene Asymmetrie europäischer Erinnerungen: Erstens verursacht (gerade aus deutscher Perspektive) die Annahme der Singularität des Holocaust – zusammen mit der Würdigung der russischen Leidensgeschichte – ungewollt eine Wahrnehmungsblockade gegenüber dem “roten Totalitarismus”; das schließt auch die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit in Deutschland ein22, die zum Teil am faulen Antifa-Konsens der DDR festhält und dazu neigt, SED-Verbrechen genauso zu relativieren, wie es nach 1945 bei NS-Verbrechen in Westdeutschland der Fall war. Konflikte um die aktuelle Gedenkstättenpolitik in Ostdeutschland und die museale Aufbereitung des DDR-Erbes standen unter diesem ungünstigen Stern. Man kann nur hoffen, dass die zuletzt gefundenen Regelungen eine bessere Grundlage dafür schaffen, dass wer vom Faschismus redet, den Stalinismus nicht verschweigen darf und umgekehrt.

Die Asymmetrie der Wahrnehmung von Gulag und Holocaust wird zweitens darauf zurückgeführt, dass der Mord an den europäischen Juden eine viel höhere Sichtbarkeit erreicht hat; eine vergleichbare Ikonisierung und Medialisierung haben die Verbrechen kommunistischer Regime, denen von 1917 bis in die chinesische und nordkoreanische Gegenwart an die hundert Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind, offenbar nicht erreicht. Man kann es auch anders formulieren: Die nationalsozialistischen Deutschen haben vornehmlich andere Völker umgebracht, die Kommunisten in Russland und China überwiegend ihr eigenes. Aber auch diese Rechnung ist falsch, wenn man richtigerweise die Verfolgung von Völkern in Ostmitteleuropa, in Zentralasien und Tibet durch die “Kolonialmächte” Russland und China einbeziehen würde.

Als dritter Grund wird genannt, diese mörderische Erfahrung sei eine im Kern osteuropäische geblieben. Doch kann man in Westeuropa nicht ernsthaft behaupten, vom Stalinismus überhaupt nicht affiziert gewesen zu sein; dagegen spricht schon die schiere Größe kommunistischer Parteien westlich des Eisernen Vorhangs, ex negativo auch die über viele Jahre westeuropäische Identität stiftende Funktion des Anti-Anti-Kommunismus und die auf dieser Grundlage verfolgte friedliche Koexistenz mit den sogenannten Volksrepubliken, die friedensstiftend gewesen sein und die Spaltung Europas überwunden haben mag, aber zwischenzeitlich klar auf Kosten der Menschen- und Bürgerrechtsgruppen ging.

Dritter Kreis: Vertreibungen als gesamteuropäisches Trauma?

Die vorherrschende Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ruft großflächige, Millionen Menschen treffende “Bevölkerungstransfers” in Erinnerung, die mit dem Zerfall der großen Imperien im 19. Jahrhundert begannen und den Holocaust als krassen “Sonderfall” ethnischer Säuberung erscheinen lassen23. Das große Skandalon des deutschen Historikerstreits war die Aufrechnung von “zweierlei Erinnerung”, die der Historiker Andreas Hillgruber einerseits für “Auschwitz” und die europäischen Juden, andererseits für “Nemmersdorf”24, also die deutschen Opfer von Vertreibung und Vergewaltigung reklamieren wollte25. Dass Deutsche im und nach dem Zweiten Weltkrieg auch Opfer einer Geschichte wurden, deren Beginn einem Diktum Richard von Weizsäckers zufolge im Jahr 1933 lag, ist mittlerweile im öffentlichen Diskurs angekommen, und zwar überwiegend ohne den apologetischen Zungenschlag und die Aufrechnung, die der Debatte über “Vertreibungsverbrechen” lange anhaftete26.

Ihre europäische Dimension wird gerade erst klar, und hier – in der Erinnerung an die “Bevölkerungstransfers” des 20. Jahrhunderts vom Armenier- Genozid bis nach Ex-Jugoslawien – eröffnet sich der brisante dritte Kreis. Er umgreift die Deportationen, die totalitäre Diktaturen auch in den von ihnen besetzten Gebieten durchführen ließen, aber auch die ethnischen Säuberungen, die sich seit dem 19. Jahrhundert überall dort fast zwangsläufig ergaben, wo (nicht zuletzt demokratische) Nationalstaatsbildungen dem Wahn verfielen, die innere und äußere Souveränität und Legitimität politischer Herrschaft sei nur erreichbar auf der Grundlage ethnisch homogener Kollektive. Das besondere Problem etwa der heutigen Tschechen im Blick auf die politischmoralische Anerkennung der Vertreibung der Sudentendeutschen liegt wohl darin, dass eine bürgerlich-demokratische Regierung unter Eduard Benes die Dekrete ausfertigte27; und das größte Hindernis für die Bearbeitung der jugoslawischen Katastrophe ab 1991 könnte sein, dass weniger das autoritäre Tito- Regime die uneinigen Serben und Kroaten, Bosniaken und Kosovo-Albaner gegeneinander aufgebracht hatte, als die illiberalen Demokratien, deren nationalistische Mehrheiten sich um den Schutz von ethnischen und religiösen Minderheiten bis heute einen Dreck scheren.

Die Geschichte der ethnischen Säuberungen kann prima facie kaum zur Herausbildung einer geteilten Erinnerung beitragen, weil sie nicht ausgestanden, also “vergessen und vorbei” ist und Erinnerungen teilt wie das Messer den verletzlichen Körper. Dagegen richten sich Initiativen wie das “Europäische Netzwerk Erinnerung und Solidarität” gegen eine rein nationale und rückwärtsgewandte Kommemoration, die dem deutschen “Zentrum gegen Vertreibungen” (anfangs zu Recht) unterstellt worden ist. Im Lauf der Debatte28 mussten aber auch die Initiatoren dieses Zentrums, allen voran der Bund der Vertriebenen, eine europäische und globale Dimension einbauen, die in Veranstaltungen und Ausstellungen erkennbar wird. Am Ende könnte das Zentrum also einen Knotenpunkt in einem europäischen Netzwerk bilden, aber es wird wohl noch lange dauern, bis sich Polen und Deutsche zum Schreiben gemeinsamer Geschichtsbücher bequemen können, wie dies im deutschfranzösischen Fall (aber auch erst nach mehr als 40 Jahren Aussöhnung) möglich geworden ist29.

Am Beispiel der Vertreibung wird die innen- und außenpolitische Brisanz geteilter Erinnerung sichtbar. Im Westen aktualisiert sich an derartigen Konflikten das Rechts-Links-Schema, im Osten bringen sie national(istisch) orientierte Kräfte (auch der Linken) gegen proeuropäisch-liberale Kreise auf. Geopolitische und geostrategische Spaltungen Alteuropas brechen auf, die durch die Blockkonfrontation der Supermächte im Kalten Krieg eingefroren waren. Aber es sind gar nicht die alten Konflikte, die eine Einigung des neuen Europa verhindern, es sind eher die neuen Konflikte – um Sicherheit, Energie, Freizügigkeit usw. –, die das Europa der Nationen auf- und fortleben lassen. Und diese Divergenzen werden wieder angeheizt durch innenpolitischen Streit: Die polnische Unversöhnlichkeit in Sachen Vertreibung hat natürlich mit der erst lange beschwiegenen, dann fast hysterisch bearbeiteten kommunistischen Vergangenheit zu tun. In allen postkommunistischen Gesellschaften ringen die Erben der Nomenklatura genau wie die Nachfahren der autoritären, oft in Kollaboration verstrickten Rechten um historische Legitimation, deren Mangel sie in einem ethno-nationalistischen Affekt kompensieren.

Vierter Kreis: die Armenische Frage

Ein vierter Kreis eröffnet sich mit der Frage, wo Europas Grenzen verlaufen, womit supranationale EU-Binnenidentitäten transnational auf die europäische und nicht-europäische Ebene ausgreifen. Vor allem die Türkei, haben viele Euro-Skeptiker anklingen lassen, könne schon aufgrund ihrer “anderen” Kultur- und Religionsgeschichte niemals Teil einer europäischen Schicksalsgemeinschaft sein30; auch die größten Befürworter eines EU-Beitritts, die Briten, haben dies indirekt bestätigt, da sie die Union als Freihandelszone ohne kulturelles Gedächtnis konzipieren31. An keinem Komplex lassen sich die trennenden Dimensionen geteilter Erinnerung derzeit so deutlich belegen wie anhand der vermeintlichen Kulturgrenze zwischen “dem” Islam und dem “säkularen” Europa, denn viele sehen darin, ungeachtet des tatsächlichen Grades der Entchristlichung, eine historische Erinnerungs- und Schicksalsgemeinschaft gegen den Islam und die Türkei. Dabei war der Kemalismus eine Verwestlichungsgeschichte par excellence, und die laizistische Republik war der beste Beweis für ihre Möglichkeit. Würde Europa seine säkularen Grundlagen ernst nehmen, dürfte Religionszugehörigkeit weder im Inneren der Einwanderungsgesellschaften noch im Außenverhältnis ein unübersteigbares Integrationshindernis darstellen. Einiges andere aber sehr wohl, namentlich Demokratie- und Entwicklungsdefizite – und die “armenische Frage”. Eine Mehrheit auch der liberalen und gerade der säkularen Türken weigert sich standhaft, die Schwere der historischen Verantwortung für den (zumindest “genozidalen”) Mord an Hunderttausenden von Armeniern 1915 anzuerkennen, und so mauserte sich diese Frage zum informellen Beitrittskriterium, das in nationalen und supranationalen Parlamenten deutlich artikuliert wird.

Franzosen und Schweizer haben den Kasus sehr hoch gehängt und die Leugnung des Armenier-Genozids nach dem Vorbild der “Auschwitz-Lüge” unter Strafe gestellt; behutsamer und stärker auf Konsens orientiert waren Erklärungen des Deutschen Bundestages32. Das größere Europa, so scheint es, wird an der armenischen Frage schon erinnerungskulturell gespalten, bevor es überhaupt zusammenfinden kann. Doch erst umgekehrt wird ein Schuh draus: Europäisch müsste die Art sein, wie sich die türkische Gesellschaft im Inneren und die Türkei mit alten Freunden und Feinden über diese Frage verständigt. Zwar wird neuerdings vereinzelt innerhalb der Türkei von Genozid gesprochen, doch in der Regel beharrt man auf dem Wesensunterschied zwischen Massakern (katliam oder kiyim), deren Vorkommen im Ersten Weltkrieg anerkannt und auch bedauert wird, und Genozid (soykirim), der durchweg verneint wird.

Das Streitthema hat nicht zuletzt deswegen eine transnationale Dimension angenommen, weil es die türkische Diaspora beschäftigt und aufregt, die wiederum in den USA und Frankreich mit der armenischen Diaspora rivalisiert. Gewahr wurde man dessen im März 2006, als Ultranationalisten unter der Schirmherrschaft des ehemaligen türkischen Staatspräsidenten Süleyman Demirel und des (mittlerweile abgewählten) türkischen Volksgruppenführers in Nordzypern, Rauf Denktasch, zur “Talat-Pascha-Demonstration” in Berlin aufriefen und dabei sehr martialische Töne anschlugen33. Die Mobilisierung blieb gering, aber die transnationale Migration macht ungelöste europäische Geschichtskonflikte leicht zu innenpolitischen Themen. Die als Einmischung in innere türkische Angelegenheiten empfundene Armenier-Frage verbindet sich hier mit einem ebenfalls ethno-nationalistischen Reflex gegen Kritik an der Einwanderungspolitik der türkischen bzw. islamischen Dachverbände, deren Repräsentativität umstritten ist.

Fünfter Kreis: Europäische Peripherie

Am Stein-Platz in Berlin, in dessen Nähe der Rachemord an Talat Pascha begangen worden war und wohin türkische Nationalisten “Hunderttausende” bewegen wollten, steht kein Gedenkstein für die Opfer des Genozids an den Armeniern. Man findet aber an verschiedenen Enden des leicht heruntergekommenen Parks zwei frühe, zu Beginn der 50er Jahre aufgestellte Gedenksteine für die Opfer des Stalinismus und des Nationalsozialismus. Der Steinplatz könnte also fast die hier skizzierte europäische Erinnerungsgeschichte symbolisieren. Aber es würde ein weiterer Gedenkort fehlen, der auch noch den fünften Kreis, die europäischen Kolonialverbrechen, einbezieht. Anlass könnte, wenn man die Idee überhaupt fortspinnen möchte, die Kongo-Konferenz 1884 sein, mit der unter deutscher Ägide der Kongo als belgische Kronkolonie unter den europäischen Interessenten aufgeteilt wurde. Während man in Deutschland im Lichte der Aufarbeitung der Vergangenheit relativ spät auch die Kolonialverbrechen vor allem an den Herero und Nama in Erinnerung gerufen hat (und diesbezüglich wenig koloniale Apologetik und Nostalgie zu verspüren sind)34, bestehen diese in anderen europäischen Ländern weit mehr bis hin zu Versuchen, die Behandlung der “positiven Seiten” der Kolonialzeit im Schulunterricht und öffentlichen Diskurs per Dekret zu verordnen35.

Das weite Feld umspannt einen historischen Zeitraum von der Sklaverei bis zu neokolonialer Wirtschaftspolitik der Gegenwart. Um den Komplex hier nur an einem Beispiel anzudeuten: Die Europäische Union sicherte 2006 auf Anfrage der Vereinten Nationen den ordnungsgemäßen Verlauf der Wahlen im Kongo mit Soldaten – und das wäre eine Debatte wert gewesen. Generell darüber, ob man Demokratisierung im Zweifel von außen militärisch unterstützen soll, im Besonderen aber, ob sich das ex-koloniale Europa diese Intervention leisten kann mit einer Vergangenheit, die kaum irgendwo brutaler ausgefallen ist als eben in Zentralafrika. Eine Debatte darüber mit wirklich europäischem Zuschnitt fand aber nicht statt; die Nationen befanden darüber in je eigener Manier und Tradition. Argumentiert wurde überwiegend, der Kongo habe reichlich Rohstoffe, und Instabilität dort erhöhe den Migrationsdruck auf Europa und schaffe Rückzugsräume für Terroristen. Ist die Einrichtung und Festigung demokratischer Verhältnisse in einem von Diktatur und Staatszerfall, von Bürgerkrieg und Warlords malträtierten Land an sich also kein Ziel? Die EU bekundet das, aber ihr ging es vor allem um die Demonstration von Handlungsfähigkeit ihrer Eingreiftruppe, um die Profilierung als Global Player.

Bemerkenswert ist, dass auch in Deutschland bei der Abstimmung im Bundestag über den Kongo-Einsatz kaum noch der moralische Ton angeschlagen wurde, der bei Gegnern wie Befürwortern von Out-of-area-Einsätzen bisher stets mitschwang36. Den Einsatz im Kosovo hatten die rot-grünen Minister Joschka Fischer und Rudolf Scharping 1998 mit einem Argument (“Auschwitz”) gerechtfertigt, mit dem sie zuvor stets ihre Ablehnung legitimiert hatten: Nun war man angeblich gerade “wegen Auschwitz” aufgerufen, Verletzungen der Menschenrechte mit Militärgewalt zu unterbinden. Auch nach Afghanistan führte die moralische Pflicht, Amerika im “Krieg gegen den Terror” nicht allein zu lassen. Es war dann im Jahr 2003 erstmals “nationales Interesse”, das einen weiteren Einsatz an der Seite der USA im Irak nicht geboten lassen schien. Dagegen wird auf die europäische Kolonialvergangenheit nicht einmal rhetorisch Bezug genommen. Wenn die Linksoppositionen in den nationalen und EU-Parlamenten von militärisch gestütztem Neokolonialismus sprechen, musste man darauf nicht eingehen? Der Filz existiert doch zwischen europäischer Außenpolitik und Unternehmen, die Ruhe im Kongo vor allem wünschen, um dort ungestört Geschäfte machen zu können. Das ist sicher weit entfernt von den Dimensionen der kolonialen Ausbeutung im 19. und 20. Jahrhundert, aber diese finstere Geschichte muss in Rechnung stellen, wer Zentralafrika nachhaltige Entwicklung und die Demokratie bescheren will. Um es auf eine plakative Formel zu bringen: Wer in Europa vom Holocaust redet, darf vom Kolonialismus nicht schweigen.

Nur ansatzweise geschieht dies in dem 1910 gegründeten Königlichen Museum für Zentralafrika in Tervuren bei Brüssel, das die Geschichte der belgischen Kongo-Politik bis vor kurzem noch als Abenteuerspektakel inszeniert hat. Sehr halbherzig werden Schuld und Verantwortung Belgiens für ein ungeheuerliches System von Ausbeutung und Unterdrückung im 19. und 20. Jahrhundert anerkannt, gegen Widerstände in der belgischen Gesellschaft, die sich – nach zwei Weltkriegen – als Opfer deutscher Überfälle zu betrachten gewöhnt hat. Doch ohne Zweifel besaß die auf Zwangsarbeit beruhende Gewinnung von Rohstoffen, vor allem von Kautschuk und Elfenbein, streckenweise Züge eines Völkermords. Belastender für das heutige Engagement ist fast noch, dass die Kolonialmission des belgischen Königs Leopold II. mit zivilisatorischen Tönen unterlegt war. Die fatale Dreieinigkeit von militärischer Gewalt, menschenverachtender Profitgier und der Bildungs- bzw. Bekehrungsmission setzt jedes postkoloniale Engagement diesem Verdacht aus. Das spräche für ein generelles “Finger weg vom Kongo!” und für ein “Afrika den Afrikanern!”, aber dieselbe öffentliche Meinung, die unter diesem Motto auf Isolationismus setzt, verlangt angesichts schrecklicher TV-Bilder und Presse-Fotos aus Darfur im Sudan und rückblickend aus Ruanda dann doch nach etwas mehr Internationalismus.

Der kongolesische Fall macht das Ansinnen einer nicht auf Europa beschränkten Geschichtspolitik plausibel, er zeigt aber auch die Grenzen und Fallstricke einer Globalisierung des Gedenkens und Erinnerns unter dem Siegel eines raum-zeitlich entrückten Holocaust. Wieder darf die These von der Singularität des Judenmordes den Blick nicht verengen und eine letztlich rassistische Stereotypen übernehmende Hierarchie der Opfer unterstützen. Es gibt den intrikaten Zusammenhang zwischen deutscher Kolonialgeschichte; der nicht-affirmative Vergleich zwischen der Shoah als einem abgegrenzten historischen Phänomen und kolonialen Genoziden ist kein Tabu; im Kongo sind unter der Regentschaft Leopold II. bis zu zehn Millionen Menschen bestialisch ermordet worden, auch dort ist “das Unvorstellbare” Wirklichkeit geworden. Der Rassenanthropologe Eugen Fischer begann sein unheilvolles Wirken in Deutsch-Südwestafrika und beendete es an der Rampe von Auschwitz – diese personale Kontinuität stellt nur eine Facette dieses Zusammenhangs dar. Entschädigungsansprüche der durch Sklavendeportation und koloniale Verfolgung betroffenen Schwarzen sind bisher nicht erfüllt worden und generell wohl schwer erfüllbar, aber anachronistisch ist ein eurozentrisches Deutungsmuster von Ursachen und Wirkungen von Völkermorden, das sich auf die Singularitätsthese bezieht und dabei auch den kulturellen Pluralismus moderner Gesellschaften verkennt.

Sechster Kreis: Europa als Einwanderungskontinent

Nur ganz (und unverdient) kurz angesprochen werden soll hier der sechste Kreis europäischer Erinnerungen, der mit dem Tatbestand massiver transnationaler Wanderungen nach Europa im 19. und 20. Jahrhundert und vor allem seit den 1950er Jahren zu tun hat. Da dies auch eine Geschichte von Asyl und Armutsmigration ist, besteht ein enger Zusammenhang zur kolonialen und postkolonialen Geschichte Europas. Doch bringen die in den Anfängen befindlichen Migrationsmuseen in ganz Westeuropa noch andere Facetten kultureller Globalisierung zum Sprechen37. Eine besondere Frage ist, inwiefern dies nur den Erfolg oder Misserfolg der Auswanderung aus der Perspektive der Migranten bzw. die Schwierigkeiten ihrer sozialen Integration, politischen Einbürgerung und kulturellen Assimilation aus Sicht der “Mehrheitsgesellschaft” thematisiert, sondern darüber hinaus auch einen reflexiven Bezug zur europäischen Verbrechens- und Katastrophengeschichte von Shoah und Gulag, der definitiv nicht Einwanderer und ihre Vorfahren betraf, sich ihren Nachfahren der zweiten und dritten Generation aber doch als Frage stellt, aus der heraus sie auch die “eigene”, ihnen fremd gewordene Geschichte betrachten und bewerten können38. Und die europäischen Erinnerungsorte, beginnend mit dem römischen Erbe und mittelalterlichen Relikten, können nicht mehr vermittelt werden, wenn keine Verstehens-Brücke zu den Einwanderern der dritten Generation geschlagen und berücksichtigt wird, wie stark sie derzeit mit nicht-europäischen Identitätsangeboten, etwa aus der islamischen Umma, konfrontiert werden. Transnational wird ein europäisches Gedächtnis also, wenn die eingewanderten Europäer (sofern sie als Bürger anerkannt sind!) Verantwortung für Verbrechen und Ereignisse übernehmen, die außerhalb ihres ethnischen Herkunftsglaubens liegen, und wenn sich europäische Menschenrechts- und Asylpolitik zugleich in internationalen Krisen einschalten kann, ohne dass unter diesem normativen Schutzschild eurozentrische Interessen verfochten werden.

Siebter Kreis: Europas Erfolgsgeschichte nach 1945

Man sieht zusammenfassend: Europas kollektives Gedächtnis nach 1989 ist ebenso vielfältig wie seine Nationen und Kulturen und genauso – im doppelten Sinne – geteilt wie seine Staaten- und Gesellschaftswelt. Erinnerung lässt sich nicht mnemotechnisch regulieren und durch offizielle Staatsakte und routinierte Gedenkrituale wie zum 8./9. Mai oder 27. Januar verordnen. Europäisch kann jedoch der Weg sein, an Untaten der Vorfahren gemeinsam zu erinnern und daraus behutsam Lehren für die Gegenwart der europäischen Demokratien zu ziehen. Der starke, immer wiederkehrende Impuls, Vergessen in und für Europa sei besser als Erinnern, ist verständlich und hat prominente Anwälte gefunden – im postkolonialen Frankreich wie im postfranquistischen Spanien und im postsozialistischen Polen.

“Amnestie ja – Amnesie nein!”, lautet dagegen das Plädoyer eines ebenso prominenten Widerstandskämpfers39. Denn die Erfahrung zeigt, dass Demokratisierungsprozesse in Übergangsgesellschaften – und das waren nach 1945 fast alle europäischen Nationen – ohne kritischen Durchgang durch die eigene Vergangenheit prekär und unvollkommen blieben. Und so wie europäische Demokratien seither gegeneinander keine Kriege mehr führen, bietet der demokratische Prozess selbst genügend Legitimation durch eine nunmehr gesamteuropäische Geschichtspolitik, an der lokale Graswurzelinitiativen ebenso beteiligt sind wie Schulbuchkommissionen sowie staatliche und überstaatliche Veranstaltungen.

Man darf an dieser Stelle geschichtspolitisch und ausstellungspädagogisch durchaus einen Schnitt machen und auf die unbestreitbare Erfolgsgeschichte (West-)Europas nach 1950 kommen, die in der eingangs erwähnten Ausstellung in Brüssel einen ebenso wichtigen Platz einnimmt. Denn seither hat sich in Europa ja eine Entwicklung ergeben, die aus dem totalitären Zirkel und der ideologischen Ost-West-Spaltung herausführt. Für Osteuropa ist der Blick darauf wiederum von Leid und Neid geprägt, denn im Kalten Krieg waren der Erfolg und das Glück des Westens relativiert durch das Unglück und die Misserfolge jenseits des Eisernen Vorhangs. Man kann kaum behaupten, dass die Osterweiterung von 2004 diesen Riss bereits geheilt hat. Aber man muss sich auch nicht scheuen, ein Europa-Museum zu bauen, das diese Erfolgsgeschichte thematisiert.

Vgl. dazu Dan Diner, Gegenläufige Gedächtnisse. Über Geltung und Wirkung des Holocaust, Göttingen 2007; Natan Sznaider, Gedächtnisraum Europa. Kosmopolitismus: jüdische Erfahrung und europäische Vision, Bielefeld 2008; Tony Judt, Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart, München 2006; Wolfgang Schmale, Geschichte Europas, Wien und Böhlau 2001.

Etymologie und Semantik des Teilens beinhalten das Trennende (Abteilen, Erbteilung) ebenso wie das Verbindende (Beteiligung, Mitteilen), als Gegenteil (oder Nachteil) und Anteilnahme (oder Vorteil).

Am differenziertesten ist diese Position bei Ralf Dahrendorf, Die Krisen der Demokratie, Ein Gespräch mit Antonio Polito, München 2002, am plattesten in der rechtsgerichteten EU-Parlamentsgruppe Union für ein Europa der Nationen.

Mahmood Mamdani, The Politics of Naming. Genocide, Civil War, Insurgency, in: "London Review of Books", 8.3.2007.

Michael Schwartz, Michael-Hartmut Mehringer und Hermann Wentker (Hg.), Erobert oder befreit? Deutschland im internationalen Kräftefeld und die Sowjetische Besatzungszone 1945/46, München 1999.

Jorge Semprun, Niemand wird mehr sagen können: "Ja, so war es", in: "Die Zeit", 16/2005.

Zu den konfliktsoziologischen Voraussetzungen dieser Prämisse in Bezug auf Georg Simmel, Soziologie, Berlin 1908 und andere Klassiker vgl. Gerd Nollmann, Konflikte in Interaktion, Gruppe und Organisation: zur Konfliktsoziologie der modernen Gesellschaft, Opladen 1997, sowie Albert O. Hirschmann, Social Conflicts as Pillars of Democratic Market Society, in: "Political Theory", 2/1994, S. 203-218. Für eine Darlegung der Geschichtskonflikte vgl. Claus Große Kracht u.a. (Hg.), Zeitgeschichte als Streitgeschichte. Große Kontroversen seit 1945, München 2003, sowie Claus Leggewie und Erik Meyer. 'Ein Ort, an dem man gerne geht¹. Das Holocaust-Mahnmal und die deutsche Geschichtspolitik nach 1989, München 2005.

Bernhard Giesen, Triumph and Trauma, Boulder/CO 2004.

Der Yom HaShoah am 27. Januar, dem Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, wird in Israel als Nationaler Trauertag und mittlerweile, unterstützt vom Europäischen Parlament (2000) und von den Vereinten Nationen (Deklaration von 2005), in vielen west- und osteuropäischen Nationen begangen.

Birgit Schwelling, Das Gedächtnis Europas. Eine Diagnose, in: Timm Beichelt u.a. (Hg.), Europa Studien. Eine Einführung, Wiesbaden 2006, S. 81-94.

Timothy Garton Ash, Mesomnesie -- Plädoyer für mittleres Erinnern, in: "Transit", 22 (2002), S. 32-48.

Exemplarisch die Debatte um das Buch von Jan Gross, Fear: Anti-Semitism in Poland After Auschwitz, New York 2006.

Jens Kroh, Transnationale Erinnerung. Der Holocaust im Fokus geschichtspolitischer Initiativen, [Diss.] Frankfurt a. M. und Gießen 2007.

Horst Meier, Holocaustgedenken und Staatsräson, in: "Merkur", 12/2005, S. 1167-1172.

Vgl. "Baltic Times", 3. bis 9.3.2005, S. 1.

Eva Clarita Onken, The Baltic States and Moscow¹s 9 May Commemoration: Analysing Memory Politics in Europe, in: "Europe Asia Studies", 1/2007, S. 23-46.

Anreas Langenohl, Staatsbesuche. Internationalisierte Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg in Rußland und Deutschland, in: "Osteuropa", 4-6/2005, S. 74-87.

Claus Leggewie, Historikerstreit transnational, in: Steffen Kailitz (Hg.), Die Gegenwart der Vergangenheit. Der 'Historikerstreit¹ und die deutsche Geschichtspolitik, Wiesbaden 2008.

Semprun, a.a.O.

Stefan Troebst, Jalta versus Stalingrad. GULag versus Holocaust. Konfligierende Erinnerungskulturen im größeren Europa, in: "Berliner Journal für Soziologie", 3/2005, S. 381-400.

Lev Gudkov, Die Fesseln des Sieges. Rußlands Identität aus der Erinnerung an den Krieg, in: "Osteuropa", 4-6/2005, S. 56-73.

Martin Sabrow, Geschichte als Herrschaftsdiskurs. Der Umgang mit der Vergangenheit in der DDR, Köln u.a. 2000.

Norman M. Naimark, Flammender Hass. Ethnische Säuberungen im 20. Jahrhundert, München 2004; Wolfgang Benz, Ausgrenzung, Vertreibung, Völkermord. Genozid im 20. Jahrhundert, München 2006; Boris Barth, Genozid. Völkermord im 20. Jahrhundert. Geschichte -- Theorien -- Kontroversen, München 2006.

Das heutige Majakowskoje wurde bekannt durch ein Massaker der Roten Armee an deutschen Zivilisten am 21.10.1944, dessen Umstände hoch umstritten sind, vgl. Bernhard Fisch, Nemmersdorf, Oktober 1944, Berlin 1997.

Andreas Hillgruber, Zweierlei Untergang. Die Zerschlagung des Deutschen Reiches und das Ende des europäischen Judentums, Berlin 1986.

Vgl. Philipp Ther, Die Last der Geschichte und die Falle der Erinnerung, in: "Transit", 30 (2005/06), S. 70-87; Harald Engler, Deutscher Opferdiskurs? Neue Arbeiten zu Vertreibung und Zwangsmigration, in: "Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands", 51 (2005/06), S. 119-146; Samuel Salzborn, Opfer, Tabu, Kollektivschuld. Über Motive deutscher Obsession, in: Michael Klundt u.a. (Hg.), Erinnern, verdrängen, vergessen. Geschichtspolitische Wege ins 21. Jahrhundert, Gießen 2003; Helmut Schmitz (Hg.), A Nation of Victims? Representations of German Wartime Suffering from 1945 to the Present, Amsterdam und New York 2007.

Barbara Coudenhove-Kalergi und Oliver Rathkolb (Hg.), Die Benes-Dekrete, Wien 2002.

Deutsche Ausgabe: Histoire/Geschichte -- Europa und die Welt seit 1945, Leipzig 2006 (Gymnasiale Oberstufe (11.-13. Klasse); französische Ausgabe: Histoire/Geschichte -- L'Europe et le monde depuis 1945, Paris 2006 (Classe de terminale/BAC).

Hans-Ulrich Wehler, in: "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ), 19.12.2003; Heinrich August Winkler, in: FAZ, 11.12.2002.

Helmut König und Manfred Sicking (Hg.), Gehört die Türkei zu Europa? Wegweisungen für ein Europa am Scheideweg, Bielefeld 2005; Claus Leggewie (Hg.), Die Türkei und Europa. Die Positionen, Frankfurt a. M. 2004.

Vgl. Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (Bundestags-Drs. 15/5689) vom 15.6.2005; Protokoll der Bundestagsdebatte, Tagesordnungspunkt 6, 21.4.2005, Bundestags-Drs. 15/4933; sowie Aschot Manutscharjan, Eine äußerst sperrige Last der Erinnerung, in: "Das Parlament", 18.4.2005.

Claus Leggewie, Die armenische Frage in der transnationalen Liga, in: "Universitas", 5/2006, S. 476-489.

Jochen Zeller und Jürgen Zimmerer (Hg.), Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904-1908) in Namibia und seine Folgen, Berlin 2003; Stephan Malinowski und Robert Gerwarth, Der Holocaust als 'kolonialer Genozid'? Europäische Kolonialgewalt und nationalsozialistischer Vernichtungskrieg, in: "Geschichte und Gesellschaft", Bd. 33, 2007, S. 439-466.

Vgl. das in die französische Nationalversammlung eingebrachte Gesetz vom 23.5.2005; dazu Andreas Eckert, Der Kolonialismus im europäischen Gedächtnis, in: "Aus Politik und Zeitgeschichte", 1-2/2008, S. 31-38.

Claus Leggewie, Paradoxe Intervention: Pazifisten im Krieg, in: Angelika Ebrecht-Laermann und Emilio Modena (Hg.), Zeitgemäßes über Krieg und Tod, in: "Psychosozial", 24 (2001), S. 83-96.

Exemplarisch Paris; dagegen die nur stockend umgesetzten Initiativen der deutschen Initiative DOMiD, vgl. Jan Motte und Rainer Ohliger (Hg.), Geschichte und Gedächtnis in der Einwanderungsgesellschaft. Migration zwischen historischer Rekonstruktion und Erinnerungspolitik, Essen 2004.

Viola Georgi, Entliehene Erinnerung. Geschichtsbilder junger Migranten in Deutschland, Hamburg 2003.

Adam Michnik, Die auferstandene Unabhängigkeit und die Dämonen der samtenen Revolution, in: "Transdora", 20 (1999/2000), Sonderausgabe: 10 Jahre Transformation in Polen, S. 5-15.

Published 4 February 2009
Original in German
First published by Blätter für deutsche und internationale Politik 2/2009

Contributed by Blätter für deutsche und internationale Politik © Claus Leggewie / Blätter für deutsche und internationale Politik / Eurozine

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