Heftbeschreibung L'Homme 2/2006

Anne Montenach lotet entlang biographischer Schnitte die Handlungsräume von Frauen im Lyoner Lebensmittelkleinhandel im 17. Jahrhundert aus. Gerichtsakten öffnen der Autorin Schattenbereiche der städtischen Wirtschaft. Frauen sind von Berufsvereinigungen ausgeschlossen und vielen Beschränkungen unterworfen, sie werden deshalb in Nischen tätig und ziehen Parallelmärkte auf.

Ökonomisches Denken ist Bestandteil sozialer Beziehungen: Marktförmige Praktiken strukturieren das Beziehungsgefüge selbst zwischen nahen Angehörigen und durchdringen damit ’privateŒ Gefilde. Vor allem zivilrechtliche Dokumente verdeutlichen, welch komplexe Geflechte dabei entstehen. Von “ungehobenen Schätzen” spricht Aglaia Kasdagli deshalb in Zusammenhang mit Notariatsakten von griechischen Inseln in der Rubrik “Aus den Archiven”.

Der Beitrag von Amira Sonbol über das “Aushandeln und Streiten” im frühneuzeitlichen Ägypten und Palästina kreist diesen Komplex weiter ein. Zunächst klärt die Autorin Rechte der Frauen unter islamischer Gesetzgebung und zeigt dann ihre beachtlichen Handlungsräume: Frauen agierten auf dem Immobilien- wie auf dem Kreditmarkt, sie verkauften Olivenöl oder kauften Sklaven, sie führten Werkstätten und gehörten Zünften an, standen manchen sogar vor.

In die Welt von Baumwollfabrikanten und Bankiers führt Daniela Luigia Caglioti – sie schreibt über protestantische schweizerisch-deutsche Wirtschaftseliten in Neapel im 19. Jahrhundert und über deren Heiratspraktiken, die in mehrerlei Hinsicht endogam waren: in Bezug auf Religion, soziale Schicht und Ethnizität. Ehen mit NeapolitanerInnen kamen kaum vor.

Migrationskontexte der Gegenwart greift Raffaella Sarti in “Aktuelles und Kommentare” auf: Südeuropäische Länder, vornehmlich Italien und Spanien, sind seit einigen Jahren bevorzugte Destinationen von MigrantInnen. Die Autorin analysiert in diesem Kontext das Phänomen der neuen DienstbotInnen, das Ausdruck einer Globalisierung der Arbeitsmärkte ist und zugleich mit dem Modell des mediterranen welfare zusammen bringt.

In einer Reihe weiterer Beiträge jenseits des Mittelmeeres sind Märkte Thema: Anette Baldauf hat in “L’Homme extra” die Geschichte der Shopping Mall und eines ihrer Begründer, Viktor Gruen, recherchiert und in den politisch-gesellschaftlichen Kontext der USA in den 1940er und 50er Jahren gestellt. Bauen für die Frauen in der Öde der Vorstädte, war eines der treibenden Motive, das Ergebnis in seinen frauenpolitischen Konsequenzen letztlich nicht im Sinne des Erfinders.

Querverbindungen dazu finden sich bei Nikola Langreiter, die sich mit der Vermarktung von Tupperware und den Handlungsfeldern der verschiedenen AkteurInnen auseinandersetzt. Verkaufspartys als moderne Version des Hausierens setzen auf die Freundinnen- und Nachbarschaftsnetze von Frauen. Der Markt kommt ins Haus und profitiert auf mehreren Ebenen von “weiblichen Ressourcen” und Geschlechterrollen – umgekehrt wissen Frauen, ihn für eigene Interessen zu nutzen.

Sabina Auckenthaler hat die Wiener Kinderstadt “Minopolis” unter die Lupe genommen und zieht eine sehr kritische Bilanz: Sie entspricht weder dem Stand des pädagogischen Wissens noch den von den Betreibern selbst verkündeten Zielen. Primär geht es um rasches Konsumieren, nicht um das Erproben von Stadtleben, auch jede Gendersensibilität bleibt auf der Strecke.

“Im Gespräch” gibt Mercedes Barquet Montané Einblick in die Geschichte der feministischen Bewegungen in Mexiko seit den 1970er Jahren. Am Schluss kommt sie auf die Gewalt- und Mordserie in Ciudad Juárez zu sprechen, die mit den dortigen Fertigungsbetrieben, den Maquilas, zu tun haben dürfte.

Schließlich wird noch auf den Wissenschaftsmarkt verwiesen: Salon 21 ist ein neues Internet-Forum, um Veranstaltungen, Workshops und Seminare zur europäischen Frauen- und Geschlechterforschung anzukündigen, sowie Berichte, Calls for Papers und Kommentare zu veröffentlichen.

Published 6 February 2007
Original in English

Contributed by L'Homme © L'Homme Eurozine

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