Nach-Gedächtnis und der Auschwitz-Code
Ausgehend von verschiedenen Thesen zu Möglichkeiten des kollektiven und des individuellen Erinnerns, versucht sich Ronit Lentin der Vergangenheitsbewältigung der Shoah zu nähern. Die Shoah als das zentrale, herausragende Ereignis unseres Jahrhunderts ist dabei zu einem “Code” geworden-die zu Bildern und Texten reproduziert und ästhetisiert wird, uns uns so unmittelbar zugänglich sind. Dadurch werden aber die Erinnerungen an den Holocaust eher fixiert als tatsächlich bewältigt. Im zweiten Teil befasst sich Ronit Lentin vor allem mit Israel und der Frage, wie der Holocaust dort im Zusammenhang mit der Palästinenser Frage verwendet wird: Inwieweit hat die Shoah unsere Sichtweisen so geprägt, dass wir jede neue Katastrophe nur noch in Relation zum Holocaust begreifen und einordnen können?
Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewandt. wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese hier, der sich in seinem Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.”
Walter Benjamin, Über den Begriff der Geschichte, in gesammelte Schriften, Bd.I,2, Frankfurt am Main 1978, S.697 f.
“Es ist 1914 oder 1939. Die Welt wird niemals wieder dieselbe sein.”
David Rose, in:The Observer,
16. September 2001
Eine der zentralen Fragen in der Debatte um die Erinnerung der Shoah wurde aufgeworfen durch das (oft mißverstandene) Diktum Theodor W. Adornos aus dem Jahr 1949, es sei “barbarisch”, “nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben”und durch das Insistieren von Überlebenden wie
über die Shoah sprechen (1984). In der Auseinandersetzung um die Möglichkeit,
beziehungsweise Unmöglichkeit, über die Shoah zu reden, vertreten Autoren wie (1969) die Ansicht, die einzige Antwort auf die Shoah sei Schweigen.Das Erforschen der Shoah führt in der Tat in die Versuchung, in eineFoucault’sche “Archäologie des Schweigens” zu verfallen (1969), aber auch die Archäologie des Schweigens stellt eine Ordnung dar, repräsentiert eine organisierte Sprache, ein Projekt, eine Syntax, ein Werk, wie (1972) argumentiert. Ich schließe mich denjenigen Autoren an, die argumentieren, sich angesichts von Auschwitz der Stille zu ergeben, stelle eine Kapitulation vor dem Zynismus dar und damit vor den Kräften, die Auschwitz verursacht haben ( , 1968; , 1975) – eine Position, die später auch teilte. Obgleich die zur Verfügung stehende Sprache ganz offensichtlich dem historischen Ereignis nicht gerecht zu werden vermag, ist es unzureichend, wenn nicht unmöglich, auf die Shoah mit einer “Archäologie des Schweigens” zu reagieren. Daß viele Überlebende viele Jahre lang geschwiegen haben, bleibt dennoch verständlich.
Wenn nach der Angemessenheit von Poesie nach Auschwitz gefragt werden
kann, steht, so (1992), auch zur Disposition, ob es angemessen ist, die Shoah in theoretischen Diskussionen zu thematisieren (S.1) und mit
(1988) danach zu fragen, wie es sich mit der “Barbarei der Fußnoten
“nach Auschwitz verhält (S. 25). Obwohl wir es, so Friedländer, mit
einem “Grenzereignis” zu tun haben, das konventionelle Begriffe in Frage
stellt, muß die Shoah einer Darstellung und Interpretation zugänglich sein.
Zygmunt Bauman (1992) erinnert uns daran, daß der Holocaust “inmitten der
modernen, rationalen Gesellschaft konzipiert und durchgeführt (wurde), in einer
hochentwickelten Zivilisation und im Umfeld außergewöhnlicher, kultureller Leistungen;
er muß daher als Problem dieser Gesellschaft, Zivilisation und
Kultur betrachtet werden” (S.10, kursiv im Text). Er “war das Resultat eines einzigartigen
Zusammentreffens im Grunde normaler und gewöhnlicher Faktoren
” (S.13). Rationalität, Technologie, Bürokratie und staatliche Gewalt wurden
in der Shoah auf “normale”, das heißt in der europäischen Kultur vertraute
Weise wirksam.
Nach Bauman hat die Soziologie die Bedeutung der Shoah in mehrfacher
Hinsicht marginalisiert. Zum einen betone sie, die Shoah sei ausschließlich den
Juden widerfahren, dies mache sie zum einzigartigen, uncharakteristischen und
für die Soziologie irrelevanten Ereignis. Hier werde die Shoah als Konsequenz
des europäischen (oder wie Daniel Goldhagen argumentiert, deutschen) Antisemitismus
gesehen und trage als singuläre, herausragende Episode nicht zu
unserem Verständnis von der Normalsituation der modernen Gesellschaft bei.
Die andere Sichtweise präsentiere die Shoah als vorhistorische und kulturell
irrelevante, natürliche Prädisposition der menschlichen Art, vorsozial und immun
gegenüber kulturellen Einflüssen und als solche von keinem Interesse für
die Soziologie (vgl. S.15 ff.).
Was die “Endlösung” jedoch zu einem “Grenzereignis” macht, ist genau
jene “radikalste Form des Genozids in der Geschichte: der beabsichtigte, systematische,
industriell organisierte und weitgehend erfolgreiche Versuch, eine
ganze Gruppe von Menschen in einer westlichen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts
vollständig zu vernichten” (Friedländer, 1992, S. 3).
Eine weitere Schwierigkeit bei dem Versuch, die Shoah “wahrheitsgetreu”
darzustellen, ergibt sich zum einen aus der Spannung zwischen historischen
“Fakten” und deren Interpretation beziehungsweise dem Dilemma zwischen historischem
Relativismus und ästhetischem Experiment, zum anderen aus den
Problemen, die sich angesichts der Undurchdringlichkeit der Ereignisse und der
Sprache ergeben. Es ist daher erforderlich, über die Konsequenzen nachzudenken,
die sich aus der Konstruktion verschiedener Narrative des Holocaust ergeben,
über die Existenz (oder Nichtexistenz) von Grenzen der literarischen und
künstlerischen Repräsentation und über die Widersprüche, die einige Annäherungen,
zum Beispiel die mittels Humor (S. 4),1
Historische Darstellungen haben ihre eigenen Grenzen:
erklärt die “Historiographie selbst zu einer Form der Fiktion” trotz des
“Erfolgs” seiner eigenen historischen Repräsentation (S. 273). Saul Friedländer
versucht, das Dilemma zu lösen, indem er Erfahrungswelten und historisches
Narrativ miteinander verbindet. Er besteht darauf, daß “die einzige konkrete
Geschichte, die sich bewahren läßt, diejenige (bleibt), die auf persönlichen
Erzählungen beruht” (1998, S. 16). In der Einleitung des ersten Bandes
zu Das Dritte Reich und die Juden führt er aus, seine persönliche Geschichte
der Shoah überlagere die Vergangenheit. Die Unumgänglichkeit einer solchen
Überlagerung drücke dem Schreiben von Geschichte ihren Stempel auf.
“Doch das Maß an Objektivität, daß der Historiker braucht, wird dadurch
nicht ausgeschlossen, sofern ein hinreichendes Bewußtsein für die eigene
Situation vorhanden ist.” (Ebenda)
Bauman verweist auf das “sprichwörtliche Rätseln der Historiker … , die
darüber klagen, sie bekämen das spektakulärste Kapitel der Geschichte dieses
Jahrhunderts trotz aller Bemühungen … nicht in den Griff ” (S. 238). Ähnlich
verhält es sich mit der populären Rede von der Unaussprechlichkeit der Ereignisse,
während tatsächlich über kaum eine andere Episode in der europäischen
Geschichte so viel gesprochen worden ist. Trotz dieser Verwirrung, die Bauman
zufolge aus der Verweigerung der Einsicht entsteht, daß der zugrunde gelegte Geschichtsbegriff
selbst unhaltbar ist, und trotz der Befürchtung, das Ereignis im
Beschreiben zu banalisieren, hat die Forschung über die Shoah Hunderttausende
von wissenschaftlichen Abhandlungen, Zeugnissen von Überlebenden,
Gedenkprojekten, fiktionalen Texten und Kunstwerken produziert.
Ein aktuelles Beispiel für das unheimliche Nachwirken der Vergangenheit
auf die Gegenwart ist Costa Gavras Film Amen, der auf dem Berliner Filmfestival
im Februar 2002 seine Premiere hatte. Der Film, der vorgibt, eine “neue
Geschichte” der Verschwörung des Schweigens zwischen den Nazis und dem
Vatikan zu zeigen, basiert auf Rolf Hochhuths Theaterstück Der Stellvertreter aus
dem Jahr 1963. Mit ihm wurden die Grenzen der Darstellbarkeit erneut getestet:
“Die Kontroverse lag in der Luft, sobald die ersten Plakate für Amen erschienen.
Poster am Potsdamer Platz, ganz in der Nähe von Hitlers Berliner Hauptquartier,
zeigten ein rotes Hakenkreuz mit einem verlängerten unteren Hakenbein.
Man braucht nur kurz, um zu verstehen, daß es sich dabei um eine Verschmelzung
von Hakenkreuz und Kruzifix handelt … Das schockierende Logo hat den
erwünschten Effekt, und Amen, dessen Thema die Rolle der katholischen Kirche
während des Holocaust ist, ist das Tagesgespräch auf der Berliner Biennale.”
(Derek Scally, 2002)
Gegenstand einer weiteren zentralen Auseinandersetzung ist die Dichotomie
von Kontinuität und Kontingenz. (1984) konzeptionalisiert
die Shoah als einzigartiges, epochales Ereignis, das unwiederbringlich unser
Vertrauen in die menschliche Natur verändert habe, während Bauman (1992)
darauf insistiert, daß der Holocaust kein Novum in der Geschichte war, sondern
das Ergebnis technischer Rationalität in einer modernen Gesellschaft und der
aus ihr folgenden normativen Sozialisation moderner Subjekte. Während
Fackenheim davon ausgeht, daß nach Auschwitz nur die Erinnerung an den
historischen Widerstand der Opfer einen letzten Rest an menschlicher Hoffnung bereithalte, glaubt Bauman, wenngleich er Fackenheims Annahme, der
ethische Rationalismus sei durch seine Komplizenschaft in der Katastrophe dauerhaft
diskreditiert, begrüßt, eine solche Analyse der Shoah könne den Boden
bereiten für eine neue postmoderne an Levinas’ Phänomenologie des “von
Angesicht zu Angesicht” angelehnte Ethik.2
Ich stimme mit Bauman darin überein,
die Shoah “als einzigartigen, aber signifikanten und zuverlässigen Test des
latenten Potentials der modernen Gesellschaft zu betrachten” (S. 25). Die wiederkehrende
Verwendung der Shoah als Metapher – zum Beispiel während des
Golfkriegs 1991 ( , 1993), während der Kosovo-Krise oder anläßlich
des Kriegs gegen Afghanistan nach dem 11. September und des israelisch-palästinensischen
Konflikts – zeigt in meinen Augen sehr deutlich, daß die Plethora
der Narrative, die bei der Interpretation und Reinterpretation gegenwärtiger Ereignisse
um unsere Aufmerksamkeit buhlen, dazu geführt hat, daß die Shoah als
die “einzige epochale Metapher” internalisiert wurde. Der Rekurs auf diese Metapher
stellt unser Vertrauen in die menschliche Natur unwiederbringlich und
dauerhaft auf die Probe, aber er lotet, wie Friedländer sagt, auch die “Grenzen
der Repräsentation” aus. Weil, wie Habermas (1987) und andere betonen, in Auschwitz
“etwas geschah, was bis dahin niemand für möglich halten konnte … ”
und “Auschwitz … die Bedingungen für die Kontinuierung geschichtlicher Lebenszusammenhänge
verändert” (S.163) hat, ist Auschwitz, neben seiner historischen
Bedeutung für die Annalen der Vernichtung, zu einer Metapher, einem
Code geworden.
Nachgedächtnis und vermittelte Geschichte
“Es gibt für den Manhattan- und Pentagon-Holocaust keine mildernden Umstände, genauso
wenig wie für das, was den europäischen Juden und Anderen vor sechzig Jahren widerfahren
ist.”
Kevin Myers, An Irishman’s diary, in: The Irish Times, 19. September 2001
“Die Dämonen
der Nazis und extremistischer Muslime überschneiden sich. Das ðWeltjudentumÐ hat
den letzten Weltkrieg als ein ‘Großer Satan’ überlebt. Sein Hauptquartier wurde lediglich
von Moskau nach New York verlegt …”
Ian Buruma, “The demons that drive terror”, 19. September
2001, www.guardian.co.uk
In seiner Studie zur Erinnerung der Shoah in der zweiten Generation beschreibt
(2002) deren Schwierigkeit, die Shoah “anders als in der Bedeutung
und aus dem Kontext heraus zu erinnern, die sie nun, fünfzig, sechzig Jahre nach
dem Geschehen, hat… Sie erinnern sich nicht an das, was geschehen ist, sondern
an das, was sie in den zahllosen Geschichten, Romanen und Gedichten gelesen
haben; an das, was auf den Fotos, in den Filmen und Zeitzeugenvideos zu sehen
war und ist.” Diese “vermittelte Vergangenheit” oder “Vergangenheit aus zweiter
Hand” ist als “Nach-Leben der Erinnerung” in “Nach-Bildern der Geschichte”
präsent “wie in den visuellen Eindrücken, die das innere Auge von einer Wahrnehmung zurückbehält, nachdem das Wahrgenommene längst verschwunden
ist” (S.10).
Mit den Nach-Bildern der Shoah bei den Kindern der Überlebenden des
Holocaust ringend, führt (1997) den Begriff des “Nach-Gedächtnisses” (Postmemory) ein, das sich vom Gedächtnis durch den generationsbedingten
Abstand und von der Geschichte durch persönliches Schicksal unterscheidet.
Nach-Gedächtnis /Postmemory ist “eine intensive und besondere
Form des Gedächtnisses, weil seine Verbindung zum Objekt des Gedächtnisses
nicht durch Erinnern, sondern durch imaginierte Beteiligung und Phantasie vermittelt
ist … Nach-Gedächtnis bezeichnet die Erfahrung derjenigen, die mit Erzählungen
aufwachsen, die vor ihrer Geburt entstanden sind, derjenigen, deren
eigene verspätete Geschichten ausgehöhlt werden durch die Geschichten der vorangegangenen
Generation, durch traumatische Erfahrungen, die weder verstanden
noch nachgestellt werden können … ” (S. 22) “Nach-Gedächtnis”, so betont
Hirsch, ist nicht “fehlendes Gedächtnis” oder “ein klaffendes schwarzes Loch unerwähnbarer
Jahre”,3 sondern unnachgiebig, obsessiv und “ebenso voll oder leer,
jedenfalls so konstruiert, wie das Gedächtnis selbst” (Ebenda).
Lawrence Langer (1991) schreibt über die Unfähigkeit, von der Vergangenheit
der Shoah zur Gegenwart der Post-Shoah überzugehen und stellt dabei das
“gewöhnliche Gedächtnis” dem “Tiefengedächtnis” gegenüber. Das gewöhnliche
Gedächtnis “zwingt uns, Auschwitz als Teil einer Chronologie zu sehen, die uns
vom Schmerz befreit, das Undenkbare zu denken”. Das Tiefengedächtnis dagegen
“ermahnt uns, daß die Vergangenheit ‘Auschwitz’ nicht wirklich vergangen
ist und nie vergehen wird” (S.11). Der Versuch, beide Formen des Gedächtnisses
zu vereinen und ein kohärentes Selbst zu konstruieren, scheitert, so
Friedländer, an der “widerständigen Rückkehr des unterdrückten Tiefengedächtnisses
” (1992, S. 41).
Es ist offensichtlich unmöglich für eine Gesellschaft, die Shoah außerhalb
der etablierten Diskurse und Narrative zu “erinnern”. Die Shoah ist “erinnert”,
“vergessen”, “neu interpretiert” und in verschiedenen historischen Epochen und
unterschiedlichen sozialen und politischen Umgebungen “historisiert” worden.
Gemessen an der umfangreichen Überlieferung von Repräsentationen, hat sie
mit Sicherheit Spuren von Tiefengedächtnis hinterlassen, die über die individuell
“empfangene Geschichte” hinausgehen. In seinem Versuch, das Erfahrene
und das Historische zu verbinden, schlägt Friedländer eine Geschichtsschreibung
vor, die gewöhnliches und Tiefengedächtnis miteinander kombiniert und
die “die Leser daran erinnert, daß diese Geschichte von jemandem zu einer bestimmten
Zeit und an einem bestimmten Ort erzählt wird”. Er verweist damit
sowohl auf die “Existenz des Tiefengedächtnis als auch auf die Möglichkeit, dieses
Gedächtnis abzurufen” (S. 41).
Es gibt einen fühlbaren Widerspruch zwischen der Unmöglichkeit des verbalen,
geschriebenen oder fotografierten Diskurses, der uns nie vergessen läßt,
und der niemals endenden wie
Verachtung” (1985). Trivialliteratur, die Hitler heraufbeschwört, so mutmaßt
Rosenfeld, bedient sich nicht nur aus dem Symbolvorrat der Nazis und wiederbelebt
den Antisemitismus, sie beutet auch die brutalen Schrecken des Holocaust
aus, indem sie unter anderem die abscheuliche Pornographie der Gewalt, Keim
einer Erotisierung von Auschwitz, bemüht. Die Nachbilder des Holocaust sind
in dem Maße empfangene Geschichte und Obsession, wie Auschwitz Teil der charakteristischen
Landschaft der Geschichte des 20. Jahrhunderts wurde (S. 48-55).
In seinem Essay über Kitsch und Tod ermittelt Friedländer (1999) anhand
psychoanalytischer Kategorien, warum der NS und damit der Holocaust uns weiter
in immer intensiveren Ausdrucksformen in Geschichte, Literatur, Kunst,
Film und Fernsehen verfolgen, obwohl sie doch vergangen und vorüber sind.
Während die Nazis unmittelbar nach dem Krieg zum Symbol des Bösen wurden,
änderte sich das Bild im Westen in den sechziger Jahren. Hitler wurde zum Bestandteil
der Unterhaltungsindustrie und, so Rosenfeld, “beherrschte und konterkarierte
gleichzeitig die zeitgenössische Vorstellungskraft, die im Hinblick auf
die gesamte NS-Vergangenheit zwischen gewollter Vergeßlichkeit und mythologisiertem
Erinnern oszillierte” (S. 20). Einen “neuen Diskurs” über den NS einfordernd,
der eher auf einer emotionalen denn theoretischen Ebene stattfindet,
verweist Friedländer auf eine Art ästhetischen Reiz, der aus der Verbindung des
NS mit dem Tod herrührt: Nicht der banale Alltagstod, sondern der ritualisierte,
stilisierte, ästhetische Tod und seine widerspruchsvolle Anziehungskraft erlauben
es uns, die schreckliche Vergangenheit zu verarbeiten. Ganz so wie Hitler die
deutschen Massen hypnotisierte, fasziniert und erschreckt uns der NS – eine
dunkle Mischung von Tod und Kitsch – auch heute noch. Die Vergangenheit auszutreiben
bedeutet ja nicht, ihr auch ins Angesicht blicken zu können.
Die Geschichte des Holocaust, so Friedländer, entfernt uns durch den rationalen
Gebrauch der Sprache weiter von den historischen Fakten, wo sie uns
doch helfen sollte, diese zu erinnern. Diese Rationalität schafft Distanz und
schützt uns so vor der unerträglichen Vergangenheit. Diskurse des Holocaust bezeichnen
die Rückkehr des Unterdrückten – eine unterdrückte Geschichte, eine
Vergangenheit, die tief in uns versteckt ist, und die aus der Quelle der Moderne
mit ihrer gleichzeitigen Sehnsucht nach Ordnung und der erotischen Attraktion
von Gewalt und Tod gespeist wird.
So wie uns rationale Geschichtsschreibung von den Tatsachen der Vergangenheit
entfernt, stellen sich auch Bilder gegen das Erinnern, argumentiert
Hirsch, sich auf Holocaust-Fotografien als einem Medium “empfangener Geschichte” oder “Postmemory” beziehend. Fotografien des Holocaust, so (1999), dienen oft als chiffrenhafte Repräsentationen des ganzen
Verbrechens: “Wir sehen eine ausgemergelte Gestalt hinter einem Stacheldrahtzaun,
und wir ‘sehen’ den Holocaust.” Die Allgegenwart außerordentlich
wirkungsvoller visueller Holocaust-Bilder, so Hirsch in Anlehnung an Julia Kristeva,
4 “hat uns verbal verstummen lassen und damit das symbolische Instrument
beschädigt, das es uns erlaubt hätte, die apokalyptischen Ereignisse unseres Jahrhunderts zu verarbeiten” (S. 24). Sich auf Roland Barthes5 berufend, führt sie aus,
daß Holocaust-Fotografien als “Überreste” und “fragmentarische Quellen” die
Vergangenheit nicht zurückrufen oder das Trauern erleichtern, sondern das Gedächtnis
blockieren und schnell zum Gegengedächtnis werden. Fotografien sind
oft die Bestätigung des Todes und fördern das Vergessen, trotz des Wissens des
Betrachters um den fürchterlichen Tod, den die dargestellten Personen tatsächlich
erlitten haben.
Der Holocaust, so Bauman (2000), lebt als Wiedergänger weiter, “da seine
Prophezeiungen sich nicht von selbst einlösen, aber sie machen eine Welt plausibel,
in der der Holocaust mit all seinen schädlichen und desaströsen psychischen,
kulturellen und politischen Konsequenzen, die eine solche Prophetie auslösen,
immer weiter angekündigt wird” (S. 15).
Die Wiederkehr des Auschwitz-Code
“Ich denke, auf bestimmte Weise folgt Saddam Hussein Hitlers Spuren. Aber ich möchte die
beiden nicht vergleichen. Nicht wegen der moralischen Aspekte, sondern wegen der Ausmaße
von Hitlers Verbrechen.”
Amos Oz, zitiert in Zuckermann, (1993), S. 76.
“Anders als die Vietcong,
haben die Taliban wenig Unterstützung im Volk. Tatsächlich haben sie sich in das Äquivalent
von Hitlers SS verwandelt.” David Quinn, “Can we stop listening to the left wing after
Kabul?”
in: The Sunday Times, 18. November 2001
“Willkommen in unserem Konzentrationslager.
Was die Deutschen uns angetan haben, das werden wir euch antun.”
Sergei, IDF-Offizier,
zitiert von Gideon Levy, “The Groom was late to the wedding”, in: Ha’aretzMagazine, 31. Mai 2002
Zygmunt Bauman bezweifelt die Möglichkeit, den Dämon des Holocaust auszutreiben,
denn “besessen zu sein bedeutet die Welt eindimensional zu sehen”
(S. 15). Diese Besessenheit wird, wie die Sicht der Welt in einer Dimension, illustriert
durch Begriff des “kulturellen Gedächtnisses” als
Code, der es uns erlaube, das Unverständliche zu verstehen, gerade weil das
Gedächtnis selbst unzugänglich bleibt. So wie die Überlebende es sich nicht leisten
kann, die Schrecken ihrer Holocaustvergangenheit in ihrer Alltagsexistenz
zu erinnern, so tendiert auch das Kollektiv dazu, die wirkliche Erinnerung der
Katastrophe durch ein “kollektives Gedächtnis” mit Zeremonien, Bildern,
Ritualen und Mahnmalen zu ersetzen.6
Während aber der individuelle Überlebende
keine andere Wahl hat, als den Horror der Shoah zu unterdrücken, um
nicht wahnsinnig zu werden und nach der Nazihölle weiterleben zu können,
hat das Kollektiv ein direktes Interesse an der Unterdrückung, damit das
Gedächtnis die neu aufgeschlagene Seite, auf der seine Geschichte eingeschrieben
wird, nicht beschmutzt. Zuckermann spricht über den Versuch, die Shoah
aus unserem Bewußtsein zu verbannen, indem sie auf ein Set von ideologischen
Codes reduziert wird (S. 21). Der ideologische Gebrauch des Gedächtnisses dient
in unterschiedlichen Kollektiven unterschiedlichen Zwecken, aber überall wird die Shoah in eine politische Ideologie verformt, in einen Code: Der Shoah-
Mythos ersetzt die Shoah selbst.
Zuckermann analysiert die unangemessene Gleichsetzung von Saddam
Hussein mit Hitler in der israelischen Presse während des Golfkriegs von 1991.
Sein Argument lautet, daß, weil es unmöglich sei, die Shoah als konkrete Realität
und Auschwitz als konkrete, routinierte Todesfabrik zu erinnern, in allem,
was zu erinnern übrigbleibt, die Shoah zum Paradigma der
werde, zur Matrix, die die permanente Bedrohung der Menschlichkeit symbolisiere.
Wenn “die Shoah die ultimative Verdinglichung der Beziehung zwischen
Mördern und Ermordeten, zwischen Tätern und ihren Opfern darstellt, indem
sie den Höhepunkt der Unterdrückung symbolisiert”, dann verneinen partikularistische
Lektionen (wie der israelisch-jüdische Imperativ, daß “es” “uns” “niemals
wieder passieren” wird), das universalistische Edikt von der Heiligkeit
menschlichen Lebens: “Menschen, die, zur Entschuldigung oder um Akte der
Unterdrückung zu rechtfertigen, anführen, ‘meine Logik wurde in Auschwitz verbrannt’,
… vergehen sich am Gedächtnis der Opfer.” (S. 28 -30) In anderen Worten:
Repräsentationen der Vergangenheit führen nicht deren Erinnerung herbei,
sondern die Auslöschung der Erinnerung.
Überträgt man Youngs Idee der “vermittelten Erinnerung” vom Individuum
auf die Politik, läßt sich meiner Auffassung nach feststellen, daß die Erzählung
und Wiedererzählung der Shoah nicht nur benutzt wurde, um eine bestimmte
Form des Gedächtnisses zu konstruieren, sondern auch zur Rechtfertigung
bestimmter Handlungen, vielleicht weil in der westlichen Imagination kein
anderes Lexikon zur Verfügung steht, um Katastrophen zu erzählen. Im Fall des
Staates Israel wird das Gedächtnis der Shoah routinemäßig eingesetzt, um die
Dichotomie Israel – Diaspora zu rechtfertigen und damit – unbeabsichtigt, aber
unausweichlich – die Fortsetzung und die Ausschreitungen der Besatzungspolitik.7
Nach Zuckermann (S. 28) hat Israel niemals die Shoah erinnert, obwohl es
die “Lehren von Auschwitz” bemüht, um seine Politik zu gestalten. Ein schmerzvolles
Beispiel der jüngsten extremen Verwendung des “Auschwitz-Code” war der
Vorschlag eines hohen Offiziers der israelischen Armee (IDF), den er während
des zweiten Jahrs der Al-Aqsa-Intifada machte: Es sei sinnvoll, sich anzusehen,
wie die deutsche Armee den Aufstand des Warschauer Ghettos niedergeschlagen
habe, wenn man ein palästinensisches Flüchtlingslager oder die Altstadt von Nablus
ohne eigene Verluste erobern wolle. In seinem Kommentar zu diesen Vorschlägen
bemerkte der Journalist der Zeitung Ha’aretz, Amir Oren, daß dieser
IDF-Offizier nicht allein dastände. Andere Offiziere hätten ähnliche Äußerungen
getan, und ihre Überlegungen deuteten auf größere Dilemmata, wie die Verwendung
deutscher Wiedergutmachungsfonds: “Militärhilfe – und wenn ja, welche
(U-Boote aus der Flotte von Reichsadmiral Dönitz – nein; Hilfe von Verteidigungsminister Franz Joseph Strauß zum Bau des AKW in Dimona –
ja) ?”8 (2002)
Israel hat keine koloniale Vergangenheit, aber wie der israelische Schriftsteller
(2002) erklärt, “haben wir unser Gedächtnis des Bösen.
Kann das erklären, warum israelische Soldaten Kenn-Nummern auf die Arme
von Palästinensern stempelten? Warum wurde während des letzten Gedenktages
des Holocaust ein lächerlicher Vergleich zwischen den im Warschauer
Ghetto Eingeschlossenen und den Belagerern des Flüchtlingslagers von Jenin
gezogen?”
Israelis empfinden ein extremes Unbehagen bei jedem Vergleich mit der
Shoah, dennoch kommt der Auschwitz-Code in der alltäglichen Konfrontation
zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern zum Vorschein. Glaubt man
dem palästinensischen Menschenrechtsaktivisten Abed al Ahmad, der zum vierten
Mal ohne Anklage verhaftet und eingesperrt wurde, als er im Begriff war,
seine jüdisch-amerikanische Verlobte zu heiraten, so teilte im Mai 2002 ein Offizier
der IDF namens Sergei palästinensischen Gefangenen in Ofer, nachdem
diese 16 Stunden gefesselt und mit verbundenen Augen auf dem Boden gesessen
hatten, mit: “Willkommen in unserem Konzentrationslager. Was die Deutschen
uns angetan haben, das werden wir euch antun. Was wir durchmachten, werdet
ihr durchmachen. Dann könnt ihr nach einer anderen Nation suchen, um sie
zu quälen, wie wir euch quälen werden.” Ein Sprecher der Armee bestritt, daß
diese Äußerungen gefallen seien und verurteilte derartige Haltungen, die einem
in der Tat das Blut gefrieren lassen (Gideon Levy, 2002).
Obwohl die Shoah kommerzialisiert, glorifiziert, aus der Wirklichkeit herausmetaphorisiert
und von den historischen Fakten abgetrennt wurde, war sie
nach Irena Klepfisz (1990a) “kein Ereignis, das 1945 endete – jedenfalls nicht für
die Überlebenden. Nicht für mich.” Außer sich über die “Verwässerung” und das
der Shoah, möchte Klepfisz hinausschreien: “Ihr treibt Schindluder
mit meinen Schmerzen, mit meinen wirklichen Schmerzen, meinem wirklichen
Leben. Vergeßt die Metapher. Denkt nach über die Realität.” (S. 64-66)
Jenseits der Vorstellung vom “Holocaust als Gespenst” muß man fragen, ob
der Dualismus des verführerischen Traums von absoluter Macht und der Angst
vor ihr, der nach Friedländer die anhaltende Faszination des NS und der Shoah
ausmacht, auch, wann immer unsere Weltordnung bedroht scheint, das Bedürfnis
weckt, die Welt als einen “Kampf der Kulturen” darzustellen, was uns allerdings
auf das metaphorische Universum des Nazismus zurückwirft. Es gibt eine
Verbindung zwischen der Rassifizierung im Verlauf des “Krieges gegen den Terrorismus
” nach dem 11. September und einer unbeabsichtigten Rückkehr zur
Metaphorik des NS und zum “Auschwitz-Code” als zentraler Metapher.
Rassifizierung und der “Kampf der Kulturen”
“Wenn Du an die Taliban denkst, denke an die Nazis. Wenn Du an Bin Laden denkst,
denke an Hitler. Und wenn Du an das ‘Volk von Afghanistan’ denkst, denke an ‘die Juden
im KZ’.”
Tamir Ansary, “To Gary and whoever else is on this email thread”, hist.fac@listserver.itd.umich.edu,
16. September 2001
“Die Werte, die die Terroristen letzte Woche angriffen … waren dieselben,
die die britische Linke dazu brachten, den spanischen Faschismus in den Dreißigern zu
bekämpfen und sich der Beschwichtigungspolitik der Nazis entgegenzustellen.”
Peter Hain, “We
must not be effete: It’s time to fight”, www.guardian.co.uk, 24. September 2001
Historiker sind eifrig darum bemüht, die Weltgeschichte in Epochen und Phasen
einzuteilen.9 In seinem 1993 erschienenen Essay postuliert Samuel Huntington
eine neue Phase der Weltgeschichte, in der die Hauptkonfliktfelder nicht
ideologisch oder ökonomisch bestimmt sein werden, sondern sich entlang “der
kulturellen Aufteilung zwischen westlichem Christentum, Orthodoxie und dem
Islam anderseits” konturieren (2001). Huntingtons These wurde von westlichen
Politikern und Medien im Krieg gegen islamistische Terroristen enthusiastisch
aufgegriffen. Ein solcher Kampf sei, wenn man westlichen Kommentaren glaubt,
von Bin Laden und seinem Netzwerk aufgenommen worden (Steinberger, 2001),
aber den Konflikt als “Kampf der Kulturen” zu stilisieren, homogenisiert sowohl
den “Westen” als auch den “Rest” und läßt die binäre Konstruktion der Nazis
und der Alliierten wieder anklingen.
Der Holocaust ging in die Diskurse um die Ereignisse vom 11. September
ein. Tamin Ansary stellte in einem im Internet erschienenen Artikel einen Vergleich
an, indem er Bin Laden und die Taliban vom Rest Afghanistans trennte,
ein Argument, das häufig von den Nachkriegsdeutschen vertreten wird, für die
die Nazis in erster Linie Deutschland selbst zum Opfer gemacht haben. Ansarys
Aussage: “Wenn Du an die Taliban denkst, denke an die Nazis. Wenn Du an Bin
Laden denkst, denke an Hitler. Und wenn Du an das ‘das Volk von Afghanistan’
denkst, denke an ‘die Juden im KZ'”, illustriert die Unfähigkeit westlicher und
nichtwestlicher Kommentare, den diskursiven Rahmen des Holocaust in unserer
kollektiven Imagination zu verlassen.
Vergleiche zwischen Bin Laden und Hitler oder zwischen den Israelis, den
Palästinensern und den Nazis werfen ernstzunehmende Fragen auf, nicht nur
über die Grenzen der Vergleichbarkeit, sondern auch über gegenwärtige Konflikte
als , die nach (1996) durch das “Zusammenspiel von
Gedächtnis und Geschichte” geschaffen werden. Mit einer symbolischen Aura
versehen, “können als Blockade der Vergessensarbeit” fungieren
(Nora, 1989). Darüber hinausgehend argumentiere ich in Übereinstimmung
mit Friedländer, Hirsch, Zuckermann und Klepfisz, daß der wiederholte Gebrauch
einer metaphorischen Sprache die Erinnerung an die Shoah selbst auslöscht.
Antisemitismus, Antizionismus, Antisemitisierung
“Herr Sharon sagte: ‘Wiederholen Sie nicht den schrecklichen Fehler von 1938, als die aufgeklärten
Demokratien Europas entschieden, die Tschechoslowakei für eine vorübergehende
Lösung zu opfern. Versuchen Sie nicht, die Araber auf unsere Kosten zu beschwichtigen …
Israel wird nicht die Tschechoslowakei sein.”
Suzanne Goldenberg, “Furious Bush hits back at Sharon
“, www.guardian.co.uk, 6. Oktober 2001
In einer Meinungsumfrage vom Oktober 2001, die vom World Jewish Congress
in Auftrag gegeben wurde, gaben 57 Prozent der befragten Israelis an, der Antisemitismus
sei heute prononcierter als vor zehn Jahren. Der Ha’aretz-Journalist
Eliahu Salpeter zitiert einen Artikel der New York Times von Jonathan
Rosen zum islamischen Antisemitismus, in dem die mehr als zweifelhafte
Behauptung zitiert ist, es seien Juden gewesen, die die Angriffe auf die Zwillingstürme
geplant und durchgeführt hätten: “Ich wuchs mit der Vorstellung
auf, in einer Welt nach der Shoah zu leben, und nun finde ich heraus, daß
diese Welt mehr und mehr wie die am Vorabend der Shoah aussieht.” Nach Salpeter
erleben französische Juden die schlimmste Zeit seit der Besetzung Frankreichs
durch die Nazis: 150 Akte rassistischer Gewalt gegen jüdische Bürger und
Institutionen, davon 43 Brandanschläge auf Synagogen. Schweizer Juden
fühlen sich durch den Antisemitismus muslimischer Fundamentalisten ebenfalls
bedroht. “Zigi Feigel, Ehrenvorsitzender der Zürcher Gemeinde, sagte vorigen
Monat anläßlich eines Treffens jüdischer Gemeinden, daß für uns Juden
Hitler … noch nicht tot (ist)”. (2001)
In verschiedenen Artikeln israelischer und europäischer Zeitungen werden
Antizionismus und Antisemitismus miteinander gleichgesetzt. In Ha’aretz findet
sich ein Beitrag aus Le Monde über die Befürchtungen französischer Juden
vor einem neuen Antisemitismus. Esther Ben Bassa, eine französisch-jüdische
Wissenschaftlerin, wird zitiert mit der Aussage: “Alles, was sie seit kurzem interessiert,
ist Antisemitismus und die Shoah. Sogar die Jungen sind fasziniert von
der Vernichtung der Juden in Auschwitz, und das Judentum verbindet sich in
ihren Augen mit der Shoah, als ob es nichts anderes gäbe. Ich beschuldige jüdische
Politiker, die über Jahre hinweg die Flammen der Shoah und des Antisemitismus
genährt haben … Zunächst haben die Juden die Religion wiederentdeckt,
dann machten sie die Shoah zum Mittelpunkt der Verehrung, nun haben
sie Alpträume von Konzentrationslagern unter dem Triumphbogen und auf
dem Champs-Élysées.”10 (Daniel Ben-Simon, 2002)
Ha’aretz verwies auch auf einen neuen britischen Antisemitismus und darauf,
daß britische Medien, namentlich The Guardian , The Independent und die
BBC, wissentlich oder nicht, das Inferno des Antisemitismus anfacht. Der Parlamentsabgeordnete
und ehemalige Vorsitzende des Board of Deputies of British
Jews, Greville Janner, beschuldigte The Guardian, “notorisch und bösartig antiisraelisch
” zu sein. Ha’aretz führt sowohl die “linksliberalen Medien” wie auch
die zwei Millionen britischer Muslime an, die von besorgten britischen Juden
als ein Problem wahrgenommen würden. In einem Editorial schlug The Guardian
vor, die legitime Kritik an Ariel Sharons Politik und die Pflicht, britische
Juden gegen Antisemitismus zu schützen, zu entflechten.
Der Rabbiner David
Goldberg, der in der gleichen Ausgabe des Guardian schrieb, konstatierte den
Ernst der Lage “weniger als sechzig Jahre nach dem Holocaust”, stimmte dem
Leitartikel zu und forderte zu mehr “Augenmaß” auf: “Wir leisten uns selbst einen
Bärendienst, wenn wir liberale Kommentatoren, die die übertrieben harten
Vergeltungsmaßnahmen der israelischen Armee nach terroristischen Verbrechen
kritisieren, mit der gleichen Vehemenz ‘Antisemit’ hinterher rufen wie den Mitgliedern
der National Front, die behaupten, bei den ‘Protokollen der Weisen von
Zion’ handele es sich um echte Dokumente oder wenn wir mit der gleichen Verve
einen Leugner des Holocaust und erwiesenen Lügner wie David Irving zum
Schweigen bringen wollen wie den Linken Tom Paulin, der im vergangenen Jahr
ein wütendes und nicht sehr gutes Gedicht schrieb, in dem er israelische Soldaten
mit Nazis verglich.” (David Goldberg, 2002)
Das Auftreten des Antisemitismus nach dem 11. September 2001 ist als
“neuer Antisemitismus” bezeichnet worden. Dieser “neue Antisemitismus” zielt
nach Einschätzung des auf Betreiben des israelischen stellvertretenden Außenministers
Michael Malchior einberufenen International Council Against Antisemitism
nicht auf individuelle Juden, sondern auf jüdische Kollektive,
einschließlich des Staates Israel. Während er sich – darin dem “alten Antisemitismus
” ähnlich – in Brandanschlägen und Schmierereien an Synagogen und auf
jüdischen Friedhöfen Ausdruck verleiht, zielt er jedoch nicht mehr auf Juden als
“ausländische” Minderheit ab, da die meisten Täter aus dem Kreis von Muslimen
stammen, die selbst eine verhaßte Minderheit in Europa sind. Der Kontext
des “neuen Antisemitismus” ist die gegenwärtige Serie von Gewaltakten im Nahen
Osten. Nach Malchior geht es um die Delegitimierung des Staates Israel. Um
zu erklären, was er meint, beruft er sich ebenfalls auf den Auschwitz-Code:
“Auschwitz begann nicht mit Auschwitz. Nicht, daß wir über die gleiche Sache
reden, aber Auschwitz begann ebenfalls mit der Entrechtung der Juden, schritt
dann zur Entmenschlichung und endete mit ihrer Dämonisierung.” Malchior,
der betont, er sehe kein Problem in einer harten Kritik an Israel und der sich gegen
jüdische Siedlungen in den besetzten Gebieten wendet, sieht den Grund für
zunehmenden Haß in der Art, wie die Medien über die gegenwärtige Phase des
Konflikts berichten. “Wenn Menschen nichts anderes sehen als Bilder von israelischen
Panzern und Flugzeugen, die palästinensische Städte angreifen und von
der Zerstörung Jenins, hinterläßt das Spuren … Und die Tatsache, daß das jüdische
Volk Gott sei Dank, nicht so hilflos ist wie in der Vergangenheit und daß
der Staat Israel sich zu wehren weiß, erhöht die Feindseligkeit.” Zitiert in: Yair
Sheleg, 2002)
Professor Dina Porat, Direktor des Instituts für Antisemitismusforschung
an der Universität von Tel Aviv, zieht eine Verbindung von “neuen Antisemitismus” zum demographischen Wachstum des Islam in Europa: “Es hat die Auseinandersetzung
um europäischen Rassismus verschärft, und antirassistische
Gruppen finden sich unvermittelt im Zentrum des Kampfes gegen Israel, den
die Araber unter der Rubrik ‘Rassismus’ präsentieren … Dann gibt es da noch
die Verbindung zu den Globalisierungsgegnern und den Kampf um Rückgabe
jüdischen Eigentums, das während der Shoah entwendet wurde.” (Ebenda)
Ich halte die Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus für
höchst problematisch. Wie die israelische Friedensaktivistin , Mutter
eines Gefallenen und Tochter von Überlebenden des Holocaust, in einem persönlichen
Gespräch warnte, dürfen wir die Shoah nicht benutzen, um israelische
Politik zu kritisieren, da “weder Arafat noch Sharon wie Hitler und weder die Israelis
noch die Palästinenser das gleiche wie die Nazis sind”. , die
israelische Friedensaktivisten unterstützt, meint im übrigen, der Vergleich von
Israelis mit Nazis lösche den Holocaust aus. “Wenn Israelis oder Juden wirklich
Nazis sind, dann ist der Mord an sechs Millionen ihrer Eltern und Großeltern
letztendlich nicht so tragisch.” (1990b)11
Itzhak Laor (2002) hingegen bemerkt
über die Welt nach Jenin, die Israelis versuchten, “jeden zu bestrafen, der unser
Bild von uns selbst als Opfer zu unterminieren droht. Keinem soll es gestattet
sein, uns dieses Bild zu entreißen … Als ein Kabinettsmitglied eines ehemaligen
sozialistischen Staates Arafat mit Hitler verglich, erhielt er Applaus. Warum? Weil
uns die Welt so sehen sollte, auferstanden aus der Asche … Es scheint, als ob das,
was wir aus dem Gedächtnis des Holocaust mitgenommen haben, uns jedes Übel
akzeptieren läßt, das geringer ist als der Holocaust.”
Zuckermann verweist auf die deutsche Tendenz, als Teil der “Vergangenheitsbewältigung
” den Staat Israel zu unterstützen. Er konstatiert, daß Antisemitismus
in Gestalt des Antizionismus auftreten könne, warnt aber vor einer
“Antisemitisierung”, die in der ideologischen Zurichtung des Gedächtnisses als
unbedingte Solidarität für Israel und den Zionismus liegen könne (S.327).
Die jüngsten Rückbezüge auf das Gedächtnis der Shoah werfen verschiedene
Fragen auf.
Führt der Umstand, daß die Shoah nach dem 11. September verständlicherweise
wiederum ins Zentrum jüdischer Ängste rückt, dazu, den Holocaust
angemessen zu erinnern oder eher dazu, ihn zu marginalisieren? Wie ist zu verhindern,
daß die Shoah immer dann, wenn der Welt eine andere fehlt, als Katastrophenmetapher
eingesetzt wird?
Der jeweilige Anlaß des Gedenkens an die Shoah sei, so James Young, klar
und präzise auszubuchstabieren, und er machte dieses Ausbuchstabieren zur
Bedingung seines Beitritts in die Findungskommission zur Auswahl des Berliner
“Mahnmals für die ermordeten Juden Europas”: “Was sind die nationalen
Gründe für dieses Gedenken? Sind die Motive erlöserisch zu verstehen oder als
Teil eines Trauerprozesses, sind sie pädagogisch oder selbstverherrlichend oder
gegen die neue Ausländerfeindlichkeit gerichtet? Für welche nationalen und sozialen
Zwecke wird dieses Mahnmal gebaut? Wie kompensatorisch wird diese Geste
wirken? Wie antierlöserisch wird sie sein können? Wird es ein Ort für Juden
werden, die verlorene Juden betrauern, ein Ort für Deutsche, die verlorene Juden
betrauern, oder ein Ort für Juden, um sich an die einstigen Vergehen der
Deutschen an ihnen zu erinnern?” (S. 232)
Nachgedächtnis und akademische Selbstreflexion
In diesem Beitrag bin ich nicht auf die Rolle der Shoah bei der Herausbildung
moderner Identitäten, seien es deutsche, ostdeutsche, jüdische oder israelische,
eingegangen. Ich habe mich auch nicht mit der Fähigkeit oder Unfähigkeit des
Diskurses beschäftigt, die Schrecken, das Vermächtnis und die persönlichen Konsequenzen
der Shoah für die zweite Generation der Überlebenden darzustellen.12
Ebenso unberücksichtigt, obgleich von erheblichem Einfluß, bleibt die Leugnung
des Holocaust.13
Das Vorlegen eines weiteren Aufsatzes über die Shoah folgt dem Imperativ,
gegenüber historischen und gegenwärtigen Vorgängen eine selbstreflektierende
Haltung einzunehmen, denn Wissenschaftler sind, wie James Young feststellt,
“merkwürdig blind gegenüber ihren eigenen Instrumentalisierungen der Erinnerung
… auch gegenüber dem ganzen wissenschaftlichen Betrieb, der sich um
den Holocaust herum etabliert hat” (S.19), ein Argument, das auch Norman Finkelstein
(2001) vertritt.
Wie James Young bin auch ich damit aufgewachsen, mit dem Holocaust zu
“spielen”. “Nicht leichten Herzens natürlich, sondern mit der obsessiven Ernsthaftigkeit
von Kindern, die das Trauma einer Familie zu bewältigen versuchen.”
(S. 54) Wie beim Jungen Momik in David Grossmans Roman Stichwort. Liebe
(1991), der die “Nazi-Bestie” im Keller hielt, um sie zu zähmen, hat eine ganze
Welt von Bildern, in meinem Fall von Transnistrien und den Ghettos und
Lagern, in die die Juden aus der Bukowina und Bessarabiens, darunter mehrere
Mitglieder meiner Familie, von den Rumänen während des Krieges verschleppt
wurden, meine kindliche Vorstellungswelt bevölkert. Trotz ihrer ständigen Präsenz
wurde über die Shoah nicht gesprochen. Unwillkürlich, durch das Hören
ohne Zuhören, hat sich Transnistrien in meine Erinnerung eingeprägt, indem
die Verwandten meiner Mutter nach ihrer Ankunft in Israel von “dort” während
der fünfziger Jahre berichteten. Wie Nava Semel sagt: “Während meiner Kindheit
hörte ich jahrelang den Namen Transnistrien, Transnistrien. Ich war mir
nicht sicher, daß es ein wirklicher Ort war. Aber Transnistrien existiert wirklich.”
(Semel, in Simionovics, 1996) Während ich den Berichten der überlebenden
Frauen zuhörte, die ich in den Jahren 2001 und 2002 im Zusammenhang mit
einem Forschungsprojekt zu Zeugnissen transnistrischer Mädchen interviewt
habe (Lentin, 2001), weil ich annahm, persönliche Erzählungen seien ein Weg
“in” das Gedächtnis der Shoah, durchlebte ich erneut viele persönliche Stationen.
Eine besondere Geschichte hat mich sehr mitgenommen. Viele der Erzählerinnen
wußten von Helfern zu berichten, die ihnen unterwegs Unterstützung
gewährten, wobei sie die Mädchen, deren Eltern gestorben waren, oft vor dem
Tod retteten. (1999) berichtete von einem Ehepaar, Herr
und Frau Sattinger, das sich um sie kümmerte, nachdem ihre Mutter tot war.
Glassberg-Gold beschrieb Frau Sattinger als “nicht besonders freundlich, vielleicht
weil sie gehbehindert war”. Selbst nach dem Tod ihrer eigenen Tochter erfüllten
die Sattingers das Versprechen, das sie Ruths Mutter gegeben hatten, und
brachten Ruth in einem Waisenhaus unter, was ihr das Leben rettete. Zu meiner
großen Überraschung entpuppte sich Frau Sattinger als meine gehbehinderte
Tante Rebecca, die in den fünfziger Jahren aus Transnistrien nach Israel gekommen
war. Ihre Tochter und ihren Mann, der mit einem Arbeitsauftrag losgeschickt
worden war, von dem er nie zurückkehrte, hatte sie verloren.
Die Figur
der Hetti im Schlußkapitel meines Romans (Lentin, 1989)
basiert auf der Vorlage meiner Tante Rebecca. Ich konnte den Ort “Transnistrien
“nicht beschreiben, vielleicht wegen des “delegierten Gedächtnisses”, das
nicht nur auf “entliehener Geschichte”, sondern auch auf einer Reihe von Zurückweisungen
Transnistriens beruhte, auf Berichten, die erst lange nachdem das
Schweigen über die Shoah innerhalb der israelischen Geschichte gebrochen war,
abgegeben werden konnten. Statt dessen schrieb ich über Hettis “Leben als ein
Gespenst”, über ihr “Nachbild” Transnistriens, während sie laut über ihren toten
Mann nachdachte und über die Unauslöschlichkeit des Tiefengedächtnisses:
“Manchmal am frühen Morgen, wenn sie nicht schlafen kann, stellt sie sich vor,
Menashe sei nicht tot. Daß er irgendwo in Rußland oder Rumänien mit einer
anderen Familie lebt. Daß man ihm erzählt hat, sie sei gestorben. Aber es ist
gleichgültig, wer von beiden gestorben ist. Und so lebt sie mit seinen verblassenden
Zügen weiter … und mit der Narbe über ihrem Bauch und einer Beinschiene.
Und das ist alles, wie man sagt.” (S. 216)
Ich besitze nur ein Foto von Tante Rebecca, auf dem sie stumm, aber außerordentlich
enttäuscht oder verärgert in die Kamera blickt. Hilft mir das Foto,
mich an sie zu erinnern? Oder macht der Bericht Glassberg-Golds das Transnistrien
Rebeccas wirklicher? Ich muß darüber noch mehr nachdenken, um zu verstehen.
Klar ist gegenwärtig nur, daß, bei aller Schärfe und allem Schmerz, der
Versuch etwas zu erinnern, das es nur im Nachgedächtnis gibt, mich auch nur
zu einem Nachbild führt, der einzig möglichen Repräsentation der Shoah im
21. Jahrhundert.
Im Dezember 2001 besuchte ich Berlin, um an einer Konferenz teilzunehmen.
Ironischerweise – eine Ironie, die den meisten Teilnehmenden entging –
fand die Konferenz in der Villa Wannsee statt, dem Ort, an dem die “Endlösung”
beschlossen worden war. Berlin ist faszinierend durch die Art, wie sich hier verschiedene
Geschichten überlagern und dem Besucher einen Blick auf die postmoderne
Konstruktion des Unbehagens an der Moderne erlauben – mittels verschiedener
Alltagspraktiken der Erinnerung und des Verdrängens.
Während der Konferenz organisierten Neonazis eine Demonstration gegen
die Wehrmachtsausstellung, nicht vor dem Ausstellungsgebäude, sondern vor der
Synagoge in der Oranienburger Straße. Gleichzeitig fand eine Gegendemonstration
der Globalisierungsgegner statt, die allerdings nicht in erster Linie auf
die Neonazis zielte, sondern auf Symbole des Kapitalismus, wie Banken, Restaurants
und Geschäfte.
Über CNN erfuhren wir am gleichen Tag von zwei Selbstmordattentaten in
Jerusalem und Haifa und von israelischen Vergeltungsschlägen auf die Palästinensische
Autonomiebehörde in Gaza und Ramallah, Angriffe und Gegenangriffe,
die sich in den folgenden Monaten vielfach wiederholen sollten.
Am Eingang in die U-Bahn-Station Wittenbergplatz gemahnt ein ziemlich
gewöhnliches Schild die Passanten, nie zu vergessen: eine Liste der wichtigsten
Konzentrationslager, angeführt von Auschwitz, eine Chiffre, die den Blick einfängt,
unabhängig von der metallenen Banalität des Schilds.
Für mich stellt sich in der Stadt Berlin – einer Stadt, in der postmoderne
Architektur historische Plätze zitiert und “re-zitiert” (wie den Glasdom des neuen
Reichstagsgebäudes, der die Kuppel des alten Reichstags zitiert, die im Kaufhaus
Lafayette invertiert neu zitiert wird) – mit James Young die Frage, “wie kann in
einer Stadt, in der die Menschen nicht länger ‘zu Hause sind’, das Gedächtnis
dieser Menschen ðhausenÐ? Wie kann eine Stadt wie Berlin ein Volk wie die Juden
wieder in ihre offizielle Vergangenheit zurückholen, nachdem sie sie so mörderisch
vertrieben hat?” (S. 152)
“Denn wie der Flâneur durch den Gestus des zwecklosen Schlenderns der
Menge auch dann den Rücken weist, wenn er von ihr getrieben und mit ihr fortgerissen
wird, so wird sein ðEngel der GeschichteÐ, der nichts betrachtet als das
Trümmerfeld der Vergangenheit, vom Sturm des Fortschritts rücklings in die Zukunft
geweht.” (Hannah Arendt, Walter Benjamin, 1971)
Die Herausforderung besteht darin, die Vergangenheit der Shoah im Blick
zu behalten, während wir sehr aufmerksam verfolgen, wie wir diese Vergangenheit
einsetzen, um diskursiv die Zukunft zu gestalten. Die beständige Benutzung
des Auschwitz-Code und seine Verwendung in politischen Gegenwartskonflikten
wie der Rassifizierung von Flüchtlingen und der westlichen Ausgrenzung der
“Anderen”, sind Omen der Ausgestaltung von Gedächtnis, Gegengedächtnis und
Nachgedächtnis im 21. Jahrhundert.
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Die Debatte darüber, "wer Hitler auslachen kann", wurde anläßlich der Aufführung des Broadwaymusicals
Hogan's Heroes in den Vereinigten Staaten vollkommen anders geführt als in Deutschland:
"Vielleicht erlaubt Humor Amerikanern eine leichtere, befreiendere Perspektive, als sie Deutschen möglich
ist, für die die Hitlerzeit anhaltend Quelle komplexer, schwieriger Gefühle bleibt." Andererseits
bot das Musical einigen Deutschen, die es nicht gewohnt waren, über die Vergangenheit oder sich selbst
zu lachen, einen Weg, sich ihrer Vergangenheit zu stellen, und befreite sie von den homogenisierten
Bildern ihrer Väter, die ja nicht alle schlecht waren; einige waren in der Tat Komiker und Clowns (vgl.
Alan Cowell, "Who can laugh at Hitler?", in: Ha'aretz, 5. Oktober 2001).
Vgl.: Anthony Gorman, "Wither the broken middle: Rose and Fackenheim on mountning, modernity
and the Holocaust", in: Robert Fine und Charles Turner (Hrsg.), Social Theory after the
Holocaust, Liverpool 2000, S. 49.
Wie etwa International
Review of Psychoanalysis, 11/1984, S. 417-427. Vgl. Auch Nava Semels Bericht, in dem sie das
schwarze Loch in der Biographie ihrer Mutter erwähnt. In: Ronit Lentin, Israel and the Daughters
of the Shoah: Reoccupying the Territories of Silence, Oxford und New York 2000.
, die mit Kindern Überlebender arbeitet, das Schweigen beschreibt, das die
Vergangenheit Überlebender verschlänge. Nadine Fresco, "Remembering the unkown", in:
Julia Kristeva, "The pain of sorrow in the modern world: The works of Publications
of the Modern Language Association, 102/1987, S. 138-152.
>
",
Roland Barthes, Camera Lucida: Reflections on Photography, New York 1981.
Vergleiche das Argument Nava Semels über den Ersatz des "intimen Gedächtnisses" durch das
"zeremonielle Gedächtnis" in der israelischen Gesellschaft. In: Ronit Lentin, a.a.O., S. 50 f.
Der israelische Schriftsteller A. B. Yehoshua gewinnt der Shoah noch einen anderen Aspekt ab:
"Nach der Shoah haben wir alle geschworen, nie wieder eine Shoah. Aber wir denken nicht darüber
nach, ... daß eben weil es einen so extremen Holocaust im Herzen Europas gegeben hat, es einem
Teil der arabischen Welt plausibel erschien, einen weiteren Holocaust zu initiieren. Die historische
Tatsache, daß die Shoah erfolgreich war, hätte dazu führen können, ihre Wiederholung zu legitimieren.
" Ders., "The border imperative", Ha'aretz Magazine, 8. Februar 2002, S. 19)
Tal Inbar kommentierte diesen Artikel in einem Brief an den Herausgeber der Ha'aretz und schrieb,
er sei nicht nur schockiert, daß der NS eine Quelle der Inspiration für Offiziere der israelischen
Armee darstelle, sondern auch darüber, wie ignorant diese Offiziere seien: "Man fragt sich schon,
was die IDF sowohl aus den Handlungen der Wehrmacht und der SS wie aus den jährlichen Studienreisen
der Offiziersanwärter zu den Todeslagern in Polen gelernt hat. Man wundert sich auch über
das Geschichtswissen eines höheren Offiziers der Streitkräfte." Ders., "A shocking inspiration", letters
to the editor, in: Ha'aretz, 1. Februar 2002, S. B16.
Michel Wieviorka verweist auf das eifrige Bemühen von Sozialwissenschaftlern, sich durch Kategorisieren
und Unterteilen der Realität zu nähern, was bisweilen dazu führt, daß die Kategorien,
wie etwa die der "Rasse", Realitäten schaffen. Die Kategorie "Rasse" hat wesentlich zur Erfindung
des Rassismus und ausformuliert als Theorie zur Durchdringung der Sozialwissenschaften beigetragen.
Michel Wieviorka, The Arena of Racism, London 1995, S.
MRAP, das französische Mouvement contre le racisme et pour l'amitié entre les peuples, hat andererseits
Angriffe von Juden auf sein Gebäude verurteilt, die die "faschistische" Ideologie der Jewish Defense
League übernommen haben. Diese Angriffe seien unternommen worden, weil MRAP sich für
den Friedensprozeß in Palästina ausgesprochen habe. "Bei dieser Gelegenheit beklagt MRAP eine
Strategie, die jeder Organisation, die sich für den Friedensprozesß in Palästina einsetzt, Antisemitismus
vorwirft. Eine solche Instrumentalisierung des Antisemitismus und der Shoah für politische
und religiöse Zwecke führt unweigerlich zur Banalisierung des Konzepts Antisemitismus." (URL:
http://www.mrap.asso.fr, besucht am 9.7. 2002). Ich danke Alana Lentin für diesen Hinweis.
Diese einseitige Beschäftigung mit dem Antisemitismus verstellt den Blick auf die Tatsache, daß
es Muslime und Araber (und nicht Juden) waren, die nach dem 11. September rassistisch ausgegrenzt
und angegriffen wurden. Zur zunehmenden Gewalt gegen Muslime in Großbritannien vgl.
Angelique Chrisafis, "Under siege", www.guardian.co.uk, 8. Dezember 2001, und gegen Araber in
Nordamerika nach dem 11. September Nahla Abdo, Eurocentrism, essentialism and the other feminism:
The history of gender ethnograghy in the Middle East, paper presented at the Anthropology
in the Middle East: Gendered Perspectives, Berlin, 30. November bis 2. Dezember, 2001.
Vgl. dazu Ronit Lentin, Israel and the Daughters of the Shoah: Reoccupying the Territories of
Silence, Oxford und New York, 2000.
Leider nehmen zu viele Menschen noch an, dies sei "die Sicht der anderen Seite in einer legitimen
Debatte", wie Deborah E. Lipstadt entdecken mußte, als sie an ihrem Buch Betrifft: Leugnen des
Holocaust (Zürich 1994) arbeitete.
Published 6 September 2002
Original in English
Translated by
Norbert Finzsch
Contributed by Mittelweg 36 © Mittelweg 36 eurozine
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