Körper auf dem Markt

Söldner, Organhandel und die Geschichte der Körpergeschichte

Historische Recherche handelt nicht nur von Phänomenen aus der
Vergangenheit, die sorgfältig rekonstruiert und analysiert werden. Sie
dreht sich immer auch um sich selbst, um ihre eigenen Institutionen,
Zauberwörter, Sprachregelungen und selbstverständlich um deren Geschichte. Das geschieht meistens unfreiwillig (und implizit), ist aber unentrinnbar, und so richtig deutlich wird es erst aus einiger Entfernung.
Schlägt man die Dissertationen und Methodendebatten 15 oder 25 Jahre
später wieder auf, tönen einem, wie aus dem eingefrorenen Jagdhorn
im Märchen, wieder aufgetaute alte Melodien entgegen. Von denen uns
manche eigenartig berühren: Geschichte ist offensichtlich das, was wir
uns nicht aussuchen können. Wenn die historische Forschung zu Körperlichkeit der letzten 20 Jahre Auskunft gibt über die wechselnden Selbstdefinitionen der beteiligten Forscherinnen und Forscher, wie sieht sie
dann im Verhältnis zur Gegenwart aus, im Zeitalter von »failing states«
und internationalem Organhandel?

1.

Körpergeschichte ist seit dem Ende der 1980er Jahre ein verlockendes und machtvolles neues Konzept gewesen, zuerst im englischen, dann
auch im deutschen Sprachraum. Angeregt war es von feministischer
Theorie und den Arbeiten Michel Foucaults, aber ebenso vom unübersehbar gewordenen Aufstieg von Biologie und Genforschung zu neuen
naturwissenschaftlichen Leitdisziplinen und vom Reden über die neue
bedrohliche Krankheit AIDS. Körpergeschichte wurde sehr rasch zum
zentralen Ort für Debatten um Sprache, Subjektivität und Selbstkonstituierung von Menschen in der Vergangenheit. Sie wurde das nicht zuletzt als Versprechen auf einen historischen Superzugriff, der so unterschiedliche Themen wie Sexualität und Fabrikarbeit, Medizin, Politik und
Medienspektakel theoretisch durchdringen und synthetisieren könnte.1

Die Ausgabe “Körper-Kontroversen” der “Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit” vom Winter 2004 bietet einen ganz guten Überblick, welche Themen gegenwärtig unter diesem Titel figurieren. Ein Artikel handelt von körperlicher Gewalt als vermeintlich anthropologischer Konstante; ein anderer zeichnet die Geschichte des Körpers als
Ausdrucksmedium und Beschreibstoff in der religiösen Kultur zwischen
demMittelalter und derNeuzeit nach; eindritter untersucht anthropologische Panoptika in Vergnügungsparks des 19. Jahrhunderts als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und populärer Seh-Kultur; und Barbara
Duden beklagt in einem Debattenbeitrag anhand der neuen biomedizinischen und gentechnischen Diskurse schließlich die “progressive Entkörperung des Westens”.2

Deutlich wird dabei, daß die Geschichte des Körpers in den letzten
20 Jahren auf zwei Arten geschrieben worden ist. Einmal als Geschichte
jener Darstellungskonventionen und Diskurse, mit denen der Körper erst
zum Thema gemacht, erzeugt und modelliert wird, mit Michel Foucault
als theoretischem Schutzpatron. Der Körper figuriert in dieser Herangehensweise als Ergebnis bestimmter Rederegeln und Darstellungsweisen; die Wissenschaften schaffen sich sozusagen ihre eigenen Leiber.3 Gleichzeitig – und weiterhin sehr präsent – gibt es vor allem im Deutschen einen zweiten und davon recht deutlich geschiedenen Zugang. Er ist um das Motiv der Verlustgeschichte organisiert: Der Körper erscheint als Unmittelbares, Echtes und Eigenes, das disziplinierenden und regelnden Zugriffen unterworfen wird. In den Beiträgen des Wiener Zeitschriftenhefts beginnt dieses Zurückdrängen des Körpers schon im Hochmittelalter, wird fortgesetzt in der Frühen Neuzeit, steigert sich im 18. Jahrhundert (“Die Tötung des Körpers in der Aufklärung”, so ein Titel) und mündet in die “Sprachlosigkeit der modernen Körper”.4

Mit jeder dieser beiden Herangehensweisen – Körperkonstrukte
und Körperverlust – ist eine Reihe von Grundannahmen verbunden,
erkenntnistheoretische, wissenschaftspolitische und weltanschauliche.
Aber diese Zweiteilung der Körpergeschichte führt selbst eine ältere
Unterscheidung fort: nämlich zwischen der Klassik, also der beständigen Wiederkehr eines Kanons von Formen und Modellen, mit denen
etwas ausgedrückt wird, und der Romantik, die auf der Unhintergehbarkeit und Einzigartigkeit des subjektiven Gefühls beharrt.5 In der Körpergeschichte steckt möglicherweise ein bißchen mehr deutsche Literaturgeschichte und Ästhetik des 19. Jahrhunderts, als man auf den ersten Blick denkt.

Die Zweiteilung, in der die Körper auf der einen Seite zum Resultat
von Sprachspielen werden, die erst jene physischen Zustände erzeugen,
die sie zu beschreiben vorgeben, und auf der anderen zu Orten unhintergehbarer Echtheit stilisiert sind, die immer nur als bereits verloren gefaßt werden können, hat allerdings in den letzten Jahren ein gewisses Unbehagen erzeugt. Ein Blick in Bibliothekskataloge zeigt, daß die Monographien und Sammelbände, die Körpergeschichte im Titel führten, nach der Hochkonjunktur der 1990er in den letzten Jahren wieder weniger
geworden sind. Dagegen greift man immer stärker auf den Begriff der
“Biopolitik” zurück – auch er von Foucault geprägt. Er soll die Schnitt- und Interventionspunkte zwischen Macht-Wissen und biologischer Körperlichkeit bezeichnen. Welche Zeichen werden auf jeweilswessen Körpern gedeutet als Ausweis von Zugehörigkeit zu (oder Inkompatibilität
mit) Kollektivkörpern? Mit welchenKörperzugriffen wird die Definition
und Abgrenzung eines “Selbst” jeweils geleistet? Wie weit darf das Kollektiv auf einzelne Körper zugreifen, und was begrenzt diesen Zugriff?6

Biopolitik hat viel von jenem Versprechen auf große theoretische
Durchschlagskraft absorbiert, das die Körpergeschichte in den 1990ern
so anziehend gemacht hatte. Die Körper können dabei weiterhin sowohl
für physische Gegebenheiten wie für Metaphern und Sprachbilder stehen und sich bei Bedarf jeweils von einem ins andere verwandeln. Wirkliche handelnde Institutionen mit begrenzten Durchsetzungsmitteln
können so zu abstrakten geschichtsphilosophischen Wirkungsprinzipien mutieren (Agambens im italienischen Original groß geschriebene
Legge, Cittàund Stato) und wieder zurück – und diese Dehnbarkeit
macht einen Teil der Faszination des Konzepts aus. Hier wird ein kühner Hochsitz angeboten, auf den sich der Betrachter schwingen kann,
um ein Panorama zu überblicken, das von Aristoteles über den mittelalterlichen Begriff des “Banns” bis zu den Konzentrationslagern des 20. und der Flüchtlingspolitik des 21. Jahrhunderts reicht.7 Wie die Körpergeschichte erscheint auch die Biopolitik als Zauberwort dort am attraktivsten, wo sie den Kontakt mit dem widerspenstigen Detail und seinen handfesteren politischen Kontexten vermeiden kann. Und wie die Körpergeschichte entgeht auch die Biopolitik nicht jenem grundsätzlichen Paradoxon des Redens über Körper, das Jean-Luc Nancy in “Corpus” formuliert hat. Einen Körper, schreibt der Philosoph, kann man nicht dechiffrieren. “Das Sehen von Körpern durchdringt nichts Unsichtbares. Der Körper ist immer Komplize des Sichtbaren, der Zurschaustellung: Es gibt keine andere Evidenz als die des Körpers.”8

Die Körper sind also nicht nur Text und Kategorie; und sie sind
nicht nur Empfindsamkeit, Subjektivität und Ausgangsmaterial institutioneller Reglementierung. Sie sind gleichzeitig noch etwas anderes, nämlich Ware ­ sie werden gekauft und verkauft. Sie befinden sich im Wortsinn auf dem Markt. Ulrich Bröckling hat vor einiger Zeit vorgeschlagen, die Modelle von Menschenökonomie und Humankapital im 20. Jahrhundert alsbiopolitischeDiskurse zu untersuchen.Ich möchte das Problem von einer anderen Seite her und aus größerer zeitlicher Distanz aufgreifen: Mich interessiert, wie sich die Kategorien von Menschen als Ware im 15. und 16. Jahrhundert formieren. Eine Rückblende also: Was haben die Auseinandersetzungen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit mit modernen Konzeptionen von fremden und eigenen, verkäuflichen und unverkäuflichen Körpern und Körperteilen zu tun?

2.

Im Jahr 1496 verwahrte sich die Obrigkeit der Stadt Bern in einem
öffentlichen Schreiben gegen die Annahme französischer Pensionsgelder mit dem Argument, sie wolle nicht als eine Stadt gelten, die ihre
Untertanen also umb gold und geldverkaufe und, als etlich sagen, auf die
fleischbank dargeb
– Fleischbank meinte die Verkaufstische der Metzger
auf dem Markt. Eine derart lautstarke Entrüstung war eigentlich merkwürdig. Rat und Bürgermeister der Stadt Bern hatten in den vorangegangenen zwei Jahrzehnten laufend Gelder von der französischen Krone
als Gegenleistung für Erlaubnisse zur Anwerbung von Söldnern und für
militärische Unterstützung angenommen. Auch hinderte die Verlautbarung von 1496 den Berner Rat nicht daran, drei Jahre später genau solche Gelder wieder zu akzeptieren und dafür Söldner zu liefern. Die Berner Untertanen wußten das ebenfalls; als die Gemeinden in einer Berner
Ämterbefragung einige Jahre später gegen den fleisch und bluot verkouff der Obrigkeit protestierten, benutzten sie genau dieselbe Formel.9

An der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert war die Schweizerische
Eidgenossenschaft zum begehrtesten Lieferanten von Söldnern auf den
Kriegsschauplätzen in Europa aufgestiegen. Im losen Bündnisgeflecht
der schweizerischen Städte und Länderorte etablierten sich die “Soldherren” in ihrer Doppelrolle als private Kriegsunternehmer und öffentliche Funktionsträger. Diplomaten wie Ratsherren, Schultheißen wie Bürgermeister und ihre Verwandten sicherten ihren Aufstieg und ihre
politische Macht durch die bezahlte Vermittlung von Soldaten ins Ausland: Die Kriege zwischen Habsburg, Frankreich und den italienischen
Mächten am Beginn der Neuzeit wurden nicht zuletzt mit diesen
Schweizer Söldnern geführt. Während die reformierten eidgenössischen
Kantone sich seit dem Ende der 1520er Jahre aus dem Geschäft offiziell
zurückzogen, prägten die “fremden Dienste” für zweieinhalb Jahrhunderte die katholische Zentralschweiz als ebenso erfolgreiche wie brutale
Systeme von Patronage und Klientelwesen.10

Die Aushebung und Führung von Söldnerregimentern war von der
Mitte des 16. Jahrhunderts an ein Monopol der streng abgeschlossenen
Innerschweizer Oberschicht. Die Kosten des Solddiensts, etwa die Versorgung der Witwen und Hinterbliebenen, wurden auf öffentliche Kassen
abgewälzt, die Gewinne hingegen privatisiert. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts sanken die Söldnerlöhne kontinuierlich, und vom Ende des
Jahrhunderts an mußten die Söldner Arbeiten der zuvor verachteten
Hilfsarbeiter mit übernehmen – Steine brechen, Karren schieben, Erdbefestigungen bauen. In denselben Jahrzehnten vollzog sich auch die
Durchsetzung der Prügelstrafe in den Heeren. Um die mit den französischen,spanischen und venezianischen Auftraggebern vereinbarten Kontingente von Schweizer Söldnern zu füllen und um ihren Neffen und
Söhnen lukrative Offiziersstellen zu sichern, mußten die Familien des
Soldpatriziats zu allen möglichen Maßnahmen greifen, vom striktest
möglichen Auslegen rechtlicher Bestimmungen für eingegangene Dienstversprechungen im Wirtshaus bis zur Praxis, bestimmte Vergehen mit
Kriegsdienst zu bestrafen. Bettler und Vaganten wurden ebenso zum
Dienst gepreßt wie Hintersassen, die ihre Schulden nicht bezahlen
konnten – die “Abenteuerlust”, von der die ältere Forschung so farbig
zu fabeln wußte, erweist sich beim näheren Blick auf die Quellen als
brutaler ökonomischer und rechtlicher Zwang. Als ein für den Kriegszug von Venedig gegen die Osmanen 1688 angeworbenes Innerschweizer Schweizerregiment Einsiedeln verließ, notierte der Tagebuchschreiber Dietrich Helbling, die Soldaten hätten in der Gnadenkapelle eine
Messe singen lassen, die Sakramente empfangen und nachmittags unter Jauchzen und Schreien ihre Reise angetreten. Und setzte hinzu: Man
wünscht aber nit, dass sie wieder kommen
.11

Verkauf von Menschenfleisch war als Formel für dieses Geschäft bereits in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts so sehr Allgemeingut geworden, daß Erasmus von Rotterdam sie in seine “Adagia”, die
erfolgreiche Sammlung populärer Sprichwörter, einfügte. Die Schweizer, schrieb er, seien veluti carnifex quispiam ad lanienam precio emptus,
wie Metzger, die gegen Geld jeden Möglichen zum Schlachten anböten:
Es ist kein Zufall, daß in der geschliffenen lateinischen Formulierung
die Unterscheidung zwischen denen, die anbieten, und denen, die ge-
metzget werden, verschwimmt.12 Der Zürcher Reformator Zwingli verwendete in seinen berühmten Predigten gegen den Solddienst 1525 das
Bild von den roten Hüten und Mänteln der römischen Kardinäle.
Wenn man sie schüttle, fielen Dukaten und Kronen, wenn man sie auswinde, rinne das Blut der Söhne, Brüder, Väter und Verwandten heraus.
Während die Pensionenherren und Hauptleute selbst in Seide, Silber,
Gold und Damast aufträten, donnerte Zwingli, verkauften sie ihre
Landsleutewie Vieh nach Italien. Der Berner Chronist Anshelm nahm
einige Jahre später die Formulierung in seine Chronik auf: Eidgenössisches Fleisch sei auf den italienischen Kriegsschauplätzen wohlfeiler als
kälbernes.13 Das schmutzige Geld verwandle Menschen in bloßes Wirtschaftsgut – in einem Viehexportland wie der frühneuzeitlichen Innerschweiz ein ebenso anschauliches wie drastisches Argument.

3.

Das Schlagwort von den illegitim verkauften Körpern speist sich
aus zwei Quellen: Die eine verweist auf den Körper als eine religiös
aufgeladene Materie; die zweite bezieht sich auf die Grenzen zwischen
eigenen und fremden Kollektivkörpern. Daß der Solddienst als Fleisch-und-Blut-Verkauf angesprochen wurde, hat mit den gelehrten Debatten
der christlichen Kirchenlehrer über die Illegitimität des Kaufs oder Verkaufs von Menschen nichts zu tun. Die theoretische Verdammung, aber praktische Duldung der Sklaverei Andersgläubiger spielt hier keine Rolle. Vielmehr verweist die Formel vom Fleisch und Blut auf jenen Superkörper, der zwischen dem Hochmittelalter und der Aufklärung als Leib Christi, als die geweihte Hostie der Eucharistie die Diskurse um Materialität und Leiblichkeit prägte. Denn im Gegensatz zu den kleinen Stückchen toter Heiliger, den Reliquien, die seit Jahrhunderten in Europa gehandelt, ge- und verkauft wurden, mußte diese materielle Präsenz Christi definitiv allenMarktbeziehungen entzogen werden. Die spätmittelalterliche Hostienverehrung war geprägt von intensiver Sorge um
die Kontrolle geweihter Hostien als der sakralen Materie schlechthin.
Antijüdische Predigtexempla undPolemiken variierten seit dem 14. Jahrhundert in immer wieder neuen Erzählungen das Motiv der korrupten
und geldgierigen Christen, die Juden eine geweihte Hostie gegen Geld
zugänglich gemacht hätten. Die erfolgreichen Legenden von angeblich geschändeten und wunderbar blutenden Hostien, die im 15. und
16. Jahrhundert zu spektakulären Wallfahrten und blutigen Judenverfolgungen führten, hatten den Verkauf dieses spezifischen Körpers zum Ausgangspunkt. Demselben Modell folgten Anschuldigungen gegen getaufte Juden wie etwa Hans Veyol 1476 in Regensburg, er habe ein siebenjähriges Kind an die Juden verkauft – im Gefolge des angeblichen
Ritualmords von Trient damals ein im ganzen süddeutschen Sprachraum verbreitetes schauriges Exempel. “Fleisch-und-Blut”-Verkauf wurde
im Anklang an diese Narrative zum gezielt einsetzbaren Schlagwort für
jene Art von Korruption, die den religiösen Körper der Christenheit
schlechthin gefährdete.14

Hier geht es also nicht um jenes Feld, das uns gewöhnlich als erstes
einfällt, sobald von “Käuflichkeit” die Rede ist, also um das Geschäft
mit sexuellen Dienstleistungen. Der spätmittelalterliche Kategorienapparat war anders zusammengesetzt. Gerichtsquellen berichten immer
wieder vom Verkauf weiblicher Prostituierter als strafwürdigem Tatbestand. Mit dem Verkauf von menschlichem Fleisch und Blut wurden
derartige Transaktionen aber nicht verknüpft. Vielmehr waren bei der
Auseinandersetzung mit der sexuellen Verwertung von Körpern moralische Geschlechterrollen virulent.15 Die Formel vom Fleischverkauf hingegen bezeichnet etwas durchaus Drastischeres, nämlich die Gleichsetzung eines Menschen mit einer veräußerbaren Sache. So stellt sich die Periode zwischen dem Ende des 14. und dem ausgehenden 16. Jahrhundert nicht nur als das seit Jacob Burckhardt gefeierte Zeitalter der Erfindung abendländischer Subjektivität und der Entdeckung des Ich dar. Sie war auch die entscheidende Umbruchszeit für neue Formen der Vermarktung menschlicher Körper.

Die demographische Katastrophe der Schwarzen Pest im 14. und
15. Jahrhundert hatte den Preis für Menschen und Lohnarbeit in Europa stark ansteigen lassen. Der von Venedig und Genua dominierte Handel mit nichtchristlichen Sklavinnen und Sklaven aus dem Schwarzmeerraum warf große Profite ab; am Ende des 15. Jahrhunderts hatten Spanier und Portugiesen das Geschäft mit der erfolgreichen Versklavung der Einwohner der Kanarischen Inseln und jährlichen Sklavenjagden in Afrika nach Westen und Süden ausgeweitet. In denselben Jahren, in denen Pico della Mirandola “Von der Würde des Menschen” schrieb, sah der Genuese Cristoforo Colombo die neuentdeckten Länder im Atlantik mit den Augen einer Kultur, die ziemlich konkrete Vorstellungen davon hatte, wie die Bevölkerung unlängst unterworfener Länder zu vermarkten sei. 1498 berichtet er an das spanische Königshaus, die entdeckte Insel Hispaniola sei derart volkreich, daß sie problemlos 4000 Sklaven pro Jahr nach Europa liefern könne.16

Die Durchsetzung neuer Formen ökonomischer Schriftlichkeit am
Ende des Mittelalters schuf schließlich nicht nur die Rechnungsbücher,
Geschäftsbriefe und Verkaufsverträge, aus denen wir diese Transaktionen
heute rekonstruieren können. Auskunft über diesen Wandel geben nicht
zuletzt eine besondere Art Verträge, die im Lauf des 15. Jahrhunderts in
den gelehrten Abhandlungen der Theologen erschienen: nämlich solche
mit dem Teufel. Die Anklagen und Traktate der Zaubereiprozesse begannen detailliert zu beschreiben, wie sich die Geschäftspartner und
Geschäftspartnerinnen des Satans ihm selbst verkaufen mußten – als
Ganzes oder mit einzelnen ihrer Körperteile.17

4.

In welchen Formen wurden also menschliche Körper als Waren veranschlagt und gegenGeld verrechnet? Nicht bei allen derartigen Transfers traten so gewalttätige Protagonisten auf wie die genuesischen und spanischen Sklavenhändler, vom Teufel ganz zu schweigen. Wohlhabende, die bei allgemeinen Aufgeboten durch ihre Mitgliedschaft in der Zunft und ihren Bürgereid eigentlich verpflichtet waren, Militärdienst zu leisten, konnten im späten Mittelalter anstelle ihrer Person einen Ersatzmann stellen, den sie bezahlten. Das war ein übliches Verfahren: Auch jemand, der zu einer Bußwallfahrt verurteilt worden war, konnte einen Ersatzmann engagieren, der an seiner Stelle die Pilgerfahrt absolvierte. Wer also in der Eidgenossenschaft im 15. und 16. Jahrhundert nicht selbst in den Krieg ziehen mochte und es sich leisten konnte, bezahlte einen Kriegsknecht, der das an seiner Stelle tat. Von den 157 Soldaten auf einem Luzerner Rödel von 1476 zum Beispiel stammten nur 33 aus Luzern selbst; die anderen waren aus Süddeutschland und angrenzenden Gebieten angeworben. SolcheErsatzmänner finden sich auch in anderen Listen dieser Zeit: Die heroischen Siege der spätmittelalterlichen Eidgenossenschaft wurden unter anderem mit Hilfe von Gastarbeitern errungen.18

Eine schon sehr viel weniger freiwillige Spielart der “commodification”, also der Verwandlung menschlicher Körper in Ware, stellten Lösegelder dar; sie prägten die Kriegspraxis des gesamten späteren Mittelalters. Schweizerische Söldner schlossen in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts miteinander schriftliche Verträge über die Zusammenarbeit bei lukrativen Geiselnahmen. Die Vertragspartner verpflichteten sich darin, gemeinsam die Kosten für Haft und Verpflegung des wohlhabenden Opfers zu übernehmen, mit ihrem Vermögen dafür zu haften und bei Erfolg das Lösegeld gerecht zu teilen. In der ökonomischen Praxis der Innerschweiz, in der Großviehexport nach Italien eine wichtige Rolle spielte, waren solche Verträge zur Risikoabsicherung nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlicher ist der Inhalt eines Dokumentes, das Arnold Esch in den Berner Archiven gefunden hat. Dort wurde eine Reihe Mailänder Adeliger mit ihrem Wohnsitz, ihrer politischen Einstellung und ihrem ungefähren Privatvermögen aufgelistet, samt Bemerkungen zu ihrer Familie: habet quattro filios, wurde da notiert, oder non habet filios – offenbar eine Liste von möglichen lukrativen Lösegeldopfern, deren Namen zur besseren Planung schon vor Beginn des Feldzugs zusammengestellt wurden.19

Unmittelbare Veranschlagung von menschlichen Körperteilen in
Geld überliefern auch jene Einträge in schweizerischen Stadtrechnungen, in denen schwerverwundete Schlachtenteilnehmer von der Obrigkeit Geld erhielten – als Kompensation für verlorene Körperteile. Item 720 Pfennige geschenkt Claus Rudin von Waldenburg, als er zu Novara an der Slacht ein finger verloren hat, notierte der Basler Stadtschreiber 1513. Beinahe dreimal so teuer kam eine eiserne Hand, die einem Basler Untertan geschenkt wurde, als im sin hand zu Novara abhowen worden.20 Ein offizieller Beschwerdebrief der Stadt Luzern an den Herzog von Mailand vom Ende des 15. Jahrhunderts beschrieb detailliert, wie Mailänder Söldner nach einer Schlacht die abgeschnittenen Finger toter Schweizer stolz an ihren Hüten getragen und das aus den Leichen herausgeschnittene Fett in Mailand in denApotheken verkauft hätten. Hier war Fleischverkauf keine Metapher: Denn mehrere Zeugen gaben an, daß Italiener 20 oder sogar 25 Golddukaten beim Verkauf solchen Menschenfetts verdient hätten – sehr viel Geld im 15. Jahrhundert. Einer der Zeugen wird als rosstäuscherknecht, also Pferdehändler, vorgestellt. Er gab vor Gericht zu Protokoll, selber gesehen zu haben, daß Mailänder Soldaten das Fett um diesen Preis angeboten hätten. Wieviel sie aber wirklich dafür bekommen hätten, fügte er hinzu (hier sprach deutlich ein Mann der ökonomischen Praxis), wisse er nicht. Erhaltene Apothekeninventare bestätigen, daß Apotheken des 15. und 16. Jahrhunderts menschliches Fett im Sortiment führten, neben mumia, aus Ägypten importierte Teile von Mumien, die wie das Fett als Bestandteil von Medikamenten verwendet wurden.21

Ebenso vertraut war den Zeitgenossen der Renaissance schließlich
eine weitere Form der ökonomischen Verwertung nicht eines Körperteils, sondern des ganzen Menschen. Im späten Mittelalter begannen die seefahrenden Staaten des Mittelmeers, neben Sklaven und Kriegsgefangenen auch verurteilte Verbrecher als Ruderer auf ihren Schiffen zu verwenden. Galeeren spielten bis weit ins 17. und 18. Jahrhundert hinein in den Kriegsflotten des Mittelmeers eine wichtige Rolle. Nach der katastrophalen eidgenössischen Niederlage von Marignano 1515 berichtete der St. Galler Chronist Fridolin Sicher, auch er Teilnehmer an der Schlacht, gefangene Schweizer seien übers meer auf die Galeeren verkauft worden. Der Basler Arzt Thomas Platter der Jüngere lieferte in seinem Reisebericht 80 Jahre später eine ausführliche Beschreibung der Galeerensträflinge, die er im Hafen von Marseille sah. Mit schweren eisernen Ketten an Füßen und um den Hals angeschmiedete, praktisch nackte, kahlgeschorene und muskulöse Männer – sindt gemeinlich gar woll bey leib, notiert Platter.22

Aber woher kamen diese Männer? Platter gibt keinen Hinweis darauf.
Wir wissen aber, daß im Zeitalter der Religionskriege diese Verwertung
von Menschen unangesehen ihrer konfessionellen Unterschiede erfolgte.
Türkische Kriegsgefangene fanden sich neben Europäern, und wegen der
hohen Sterblichkeit auf den Schiffen brauchten die Galeeren ununterbrochen Nachschub. Von der Mitte des 16. Jahrhunderts an wandten sich
französische, genuesische und venezianische Gesandtschaften an süddeutsche und eidgenössische Obrigkeiten mit dem Angebot, ihnen zum
Tode Verurteilte abzukaufen. Sie garantierten eine bestimmte Summe
pro Mann und die Übernahme der Transportkosten. Verordnungen
über die Verschickung, das heißt, über den Verkauf von Bettlern, Landstreichern und unnütz leut auf die Galeeren wurden im 17. Jahrhundert zur Normalität. Zur selben Zeit mußten die Werber in der Innerschweiz zunehmend drastischere Zwangsmaßnahmen für den immer weniger attraktiven Solddienst ergreifen. Dabei liefen die Söldner ihrerseits Gefahr, auf den Galeeren zu landen. Das genuesische und das französische
Militärstrafrecht des 17. Jahrhunderts sahen für Schweizer Söldner bei
Befehlsverweigerung und Verlassen der Wache die Verurteilung auf die
Galeere vor – und selbstverständlich bei Desertion.23

Die Gesellschaften des ancien régime begannen an der Wende vom
Mittelalter zur Neuzeit, ihre sozial und wirtschaftlich schwächsten
Untertanen buchstäblich zu Geld zu machen. In diesem Kontext standen die Solddienste, und den Zeitgenossen war die Entwicklung offenbar auch sehr klar. Am Ende des 16. Jahrhunderts mußte sich der Luzerner Heini Lehmann vor Gericht dafür verantworten, im Wirtshaus laut
gesagt zu haben, er wolle, daß derTeufel den Herrn Schultheißen Pfyffer
samt seinem neu gebauten prachtvollen Landsitz hole. Denn wenn
Pfyffer nicht manchem guttem frommen knecht in Frankrych aberschellmet, dann könne er nicht solche prachtvollen Schlösser bauen.2424 Aberschellmenist ein Wort, das wir heute nicht ohne weiteres verstehen. Gemeint war der Schelm, d.h. der Tierkadaver, der auf den Schindanger verkauft und dort vom Abdecker ausgeweidet und weiterverwertet wurde. Der Menschals Ware, so drastisch wie nur denkbar auf den Begriff gebracht.

5.

Körpergeschichte als eine Realgeschichte des in Geld veranschlagten und auf dem Markt verkauften Körpers, wie ich sie hier skizziert habe, könnte dazu taugen, den tatsächlichen Umgang mit und die Darstellung des menschlichen Körpers in der Vergangenheit als eine Geschichte zu rekonstruieren, die über eine historische Analyse der entsprechenden Redeweisen und Diskursmodelle hinausgeht. Sie könnte auch dabei helfen, der historischen Arbeit ein Stück Gegenwärtigkeit und Geistesgegenwart zu sichern, was der Geschichte der Vormoderne vermutlich ganz gut tut. Denn die Vermarktung des menschlichen Körpers ist zu Beginn des 21.Jahrhunderts auf neue und vielleicht doch nicht so ganz andersartige Weise zum Thema geworden. Was hätte ein Luzerner des 16. Jahrhunderts zu Berichten wie dem aus dem Liverpooler Kinderkrankenhaus Alder Hey vom Herbst 1999 gesagt, wo Tausenden von verstorbenen Kindern Organe entnommen wurden, um weiterverkauft zu werden? Oder zu der Nachricht vom März 2004, daß die
Universitätsklinik von Los Angeles jahrelang die Hände, Kniegelenke
und andere Körperteile Verstorbener ohne Wissen der Angehörigen entfernt und an andere medizinische Einrichtungen veräußert hatte?25

Dabei betrifft die zeitgenössische Vermarktung von Körpern nicht
nur tote Leiber, sondern durchaus auch die Lebenden. Seit der erfolgreichen Weiterentwicklung effizienter Medikamente zur Immunsuppression am Beginn der 1990er Jahre wuchs der Organhandel stark. Es ist ein globaler Markt für fremde Herzen, Lungen, Lebern, ein Markt für Haut, Bauchspeicheldrüsen und Hornhäute, vor allem aber für Nieren entstanden. Von denen hat nämlich jeder gesunde Mensch zwei, nicht aber die rund 40 000 Dialyse-Patienten im wohlhabenden Westeuropa, die dringend auf eine neue Niere warten. Die durchschnittliche Wartezeit beträgt gegenwärtig drei Jahre, im Jahr 2010 werden es wegen des rasch alternden Europa und wegen knapper freiwilliger Spender zehn Jahre sein. Also erscheinen die Lebendspender immer häufiger auf dem Markt, und die Organe setzen sich in Bewegung: vom armen Süden in dem reichen Norden, von den Jungen zu den Alten, von der armen europäischen Peripherie in die wohlhabenden Zentren.26

Die Begriffe “Organspende”,”donation”,”donor” rücken dieseTransfers in eine abstrakte Sphäre, sorgfältig getrennt von ökonomischen Aspekten. Das favorisierte Vokabular blendet die Frage nach materiellen Kompensationen offenbar kalkuliert aus. Dagegen hat der Wirtschaftsnobelpreisträger Gary Becker im Juli 2002 auf einer Tagung an der Universität Essen provokant gefordert, den Handel mit Spenderorganen vollständig zu legalisieren, um durch “maßvolle Bezahlung […] die Schere zwischen Angebot und Nachfrage zu schließen”. Preisvorschläge lieferte er gleich mit. Andere Vortragende verbanden ihre grundsätzliche Zustimmung mit noch weitergehenden Überlegungen. Ein Jurist schlug “ehrenvolle Veröffentlichungen der Spender in den Zeitungen” und “hervorgehobene Begräbnisstätten” vor; wieder andere regten an, die “Spender” aus Ländern der Dritten Welt als Asylsuchende anzuerkennen.27

Unter den Zauberworten “Körpergeschichte” und “Biopolitik” werden die Körper allzuleicht als soziale Konstruktionen und metaphorologische Gegenstände verhandelt, während die materiellen Transfers verschwinden, denen diese Körper unterworfen werden. Körper und Körperteile, einmal auf den Markt gebracht, etablieren kein Spendensystem, sondern komplexe Tauschbeziehungen zwischen Ungleichen. Sie scheinen in der Lage zu sein, die Grenzen zwischen individuellen und kollektiven Körpern, zwischen einzelnen und politischen Körperschaften aufzulösen, wenigstens – und zwar im buchstäblichen Sinn – “ein Stück weit”: Die Ausgeschlossenen werden über ihre Körperteile inkludiert und inkorporiert.28

Der Verkauf von Körpern, so wollte ich zeigen, ist kein spezifisches
Phänomen des 21. Jahrhunderts. In Wahrheit hat er eine lange Geschichte. Und zu dieser Geschichte gehört der mittelalterliche Handel mit Reliquien als wirkungsmächtigen Stücken heiliger Körper ebenso wie Lösegelder, Sklavenhandel, der Verkauf von Menschen auf Galeeren und der Handel mit Leichen für anatomische Sektionen in der Frühen Neuzeit. Im 19. Jahrhundert wurden sogar Haare und Zähne verkauft, und der Eugeniker Alexis Carrell entwickelt dann in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts die ersten Techniken, menschliches Gewebe auch außerhalb des Körpers am Leben zu erhalten. Wenn heute ein globaler Markt für Lebern, Knochenmark und Haut existiert, von Nieren oder Herzen ganz zu schweigen, dann ist das wie die meisten Phänomene der Globalisierung nichts wirklich Neues. Aber die historische Analyse kann deutlich machen, warum das Reden über verkaufte Körper und Körperteile stets auch ein Reden über heilige und fremde Körper ist, über Fragen der Ein-Gliederung (das Deutsche ist da ganz präzis) und über körperlich definierte, also “rassische” Differenz. Diese Vorgeschichte erlaubt uns außerdem, die Bedingungen genauer zu beschreiben, unter denen verkauften Menschen und ihren Teilen entweder ein Name zugestanden, also Zugehörigkeit und ein juristisch geschützter Status eingeräumt oder aber verweigert wird, wie bei den anonym bleibenden Organspendern.

Wir fassen die Vormoderne gerne als eine Epoche auf, die durch eine Vielzahl von Diskontinuitäten von unserer eigenen Lebenswirklichkeit scharf geschieden ist: als eine manchmal pittoreske, manchmal erschreckende, jedenfalls ferne Anti-Moderne.Tatsächlich aber sind nicht nur die verkauften Körperteile und die Sklaverei in ihren modernen Gestalten Teil unserer Gegenwart. Auch die Söldner und das Geschäft mit ihnen gehören dazu, wenn auch nicht mehr in ihrer alteidgenössischen Organisationsform. Als der Militärpublizist Eugene B. Smith im Winter 2002 in einer Veröffentlichung des US Army War College den verstärkten Einsatz von “private military contractors” forderte, setzte er an den Beginn seines Artikels ein Zitat von Niccolò Machiavelli, das die Söldner als unzuverlässig und gefährlich für ihre Auftraggeber verdammte. Es sei an der Zeit, so Smith, sich von diesem Klischee zu verabschieden. Sein Beitrag trug einen programmatischen Titel: “The new condottieri.”29 Offenkundig handelte es sich nicht bloß um Planspiele. Die US-Armee hat zentrale Bereiche wie Nachschub, Verpflegung und Munitionslogistik privatisiert und vollständig an Firmen wie MPRI oder Brown & Root übertragen. Mehr als die Hälfte der heute im Irak eingesetzten amerikanischen und britischen Ordnungshüter sind keine regulären Militärangehörigen, sondern Angestellte privater Sicherheitsfirmen.30

Der Politikwissenschaftler Peter Singer hat in seiner 2004 erschienenen Studie “Corporate Warriors” behauptet, die Privatisierung des
Krieges im 21. Jahrhundert mache die Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts wieder sichtbar; die Geschichte der großen kolonialen Handelskompagnien, ihrer Privatarmeen und nicht zuletzt die Geschichte
der Söldnerunternehmer. Die nichtstaatlichen Akteure sind zurückgekehrt, und aus dieser Perspektive könnte man die europäischen Staatenkriege des 18. bis 20. Jahrhunderts, die heute unsere Parameter für die Beschreibung solcher Konflikte prägen, gewissermaßen als historische Ausnahmen fassen. Demnach wäre der Irak-Krieg leibhaftige Vergangenheit – und die bestimmt letztlich, über und mit welchen Konzepten von Körpern die Geschichtswissenschaft heute arbeitet.

Dieser Text erscheint als Beitrag von Eurozine und Mittelweg 36 zu documenta 12 magazines, einer weltweiten Kooperation von über 70 Zeitschriften, Online-Magazinen und anderen Medien (www.documenta12.de).

Lesenswert, gerade weil seither vielfach kopiert, sind die von Michael Feher, Ramona Nadaff und Nadia Tazi herausgegebenen Fragments for a History of the Human Body, 3 Bde., New York 1989. Einen bibliographischen Überblick für den deutschsprachigen Bereich liefert Maren Lorenz, Leibhaftige Vergangenheit. Eine Einführung in die Körpergeschichte, Tübingen 2000.

Martina Kaller-Dietrich, Silvia Ruschak und Gabriele Sorgo (Hrsg.), Körper-Kontroversen. Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit, Wien 2004.

Philipp Sarasin,"'Mapping the Body'. Körpergeschichte zwischen Politik, Geschichte und 'Erfahrung'", in: Historische Anthropologie 7 (1999), S. 437-451; und ders., Reizbare Maschinen. Eine Geschichte des Körpers 1765-1914, Frankfurt am Main 2001.

Martina Kaller-Dietrich, Silvia Ruschak und Gabriele Sorgo, "Editorial", S. 3-8; ähnlich S. 109; "progressive Entkörperung" bei Barbara Duden, "Grundrechte in Gefahr? Welche Folgen hat die biomedizinische Forschung?", ebd., S. 66; vgl. allerdings die kritischen Kommentare von Franz X. Eder und anderen, ebd., S. 72ff.

Vgl. Salvatore Settis, Die Zukunft des Klassischen, Berlin 2004, S. 22, 35, 65f.

Michel Foucault, Der Wille zum Wissen, Frankfurt am Main 1977, S.163, 166, 170f.; Giorgio Agamben, Homo Sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt am Main 2002 (im italienischen Original 1995), S. 148; Ulrich Bröckling, "Menschenökonomie, Humankapital. Eine Kritik der biopolitischen Ökonomie", in: Mittelweg 36, Februar/März (2003), S. 1-22.

Vgl. Thomas Assheuer, "Rechtlos im Niemandsland", in: Die Zeit, 2. Februar 2002; Uwe Justus Wenzel, "Die biopolitische Reduktion", in: Neue Zürcher Zeitung, 27. April 2002, und die kritischen Einwürfe von Philipp Sarasin in Deutsche Zeitschrift für Philosophie 2003, Heft 2, S. 248-253. Daß bei Agamben auch noch Definitionen von "Souveränität" und "Moderne" mitserviert werden, macht das Schlagwort noch attraktiver für Distinktionsspiele auf dem Planeten Akademia und breit angelegte Sammelbände. Siehe etwa Martin Stingelin (Hrsg.), Biopolitik und Rassismus, Frankfurt am Main 2003; Michi Knecht u.a. (Hrsg.), Körperpolitik - Biopolitik, Münster 2003; Sigrid Graumann u.a. (Hrsg.), Verkörperte Technik - entkörperte Frau. Biopolitik und Geschlecht, Frankfurt am Main 2004, und Anja Lauper (Hrsg.), Transfusionen: Blutbilder und Biopolitik in der Neuzeit, Zürich 2005.

Jean-Luc Nancy, Corpus, Berlin 2002, S. 43.

Ernst Gagliardi, "Mailänder und Franzosen in der Schweiz, 1495-1499", S. 144, in: Jahrbuch für Schweizerische Geschichte 39 (1914), 1-238; Catherine Schorer, "Berner Ämterbefragungen", S. 234 und 237, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 51 (1989), S. 217-253. Zur Fleischbank als Metapher siehe auch die Aufzeichnungen des 1522 in der Schlacht bei Biccocca gefallenen Söldnerns Ludwig Schwinkhart, Chronik 1506-1521, hrsg. von Hans von Greyerz, Bern 1941, S. 106 und 245.

Siehe die Literaturüberblicke bei Norbert Furrer Norbert u.a. (Hrsg.), Gente ferocissima, Zürich 1997, und Stefan Jäggi, "Ein Tag im Leben eines Luzerner Söldners", in: Der Geschichtsfreund 152 (1999), S. 149-159.

Kurt Messmer und Peter Hoppe, Luzerner Patriziat, Luzern, München 1976; Peter Burschel, "Desertion als Strukturproblem frühneuzeitlicher Söldnerarmeen", in: Ulrich Bröckling, Michael Sikora (Hrsg.), Armeen und ihre Deserteure, Göttingen 1998; zum Morea-Zug 1688 Viktor Ruckstuhl, Aufbruch wider die Türken, Zürich 1991, S. 186f.

Erasmus von Rotterdam, Adagiorum Chiliades II, 6, 23, hrsg. von Theresia Payr, lat./dt., Darmstadt 1990, S. 531.

Der Text von Zwinglis Predigt ist nicht erhalten; wir kennen ihn aus der von seinem Nachfolger Heinrich Bullinger zusammengestellten Reformationsgeschichte, hrsg. von Johannes Hottinger und Josef Vögeli, Frauenfeld 1838, Bd.1, S.51. Zwingli übernimmt wörtlich eine Formulierung des Kardinals Matthäus Schiner, der 1503 gegen päpstliche Gelder, aber für Solddienste im Dienst des Kaisers gepredigt hatte. Zum Kontext Valentin Groebner, Gefährliche Geschenke. Ritual, Politik und die Sprache der Korruption in der Eidgenossenschaft im späten Mittelalter, Konstanz 2000, S.155­194 und S. 243­250.

Miri Rubin, Corpus Christi. The Eucharist in Late Medieval Culture, Cambridge 1991, und dies., Gentile Tales. The Narrative Assault on Late Medieval Jews, London, New Haven 1999, S. 34f., 42f. und S. 129; Wolfgang Treue, Der Trienter Judenprozeß, 1475-1588, Hannover 1996.

Peter Schuster, Das Frauenhaus. Städtische Bordelle in Deutschland 1350-1600, Paderborn 1992; Beate Schuster, Die freien Frauen. Dirnen und Frauenhäuser im 15. und 16. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1995.

Zum europäischen Sklavenhandel des späten Mittelalters siehe jetzt die eindrucksvolle Studie von Steven Epstein, Speaking of Slavery. Color, Ethnicity, and Human Bondage in Italy, London, Ithaca 2001.

Martine Ostorero, "Les marques du diable sur les corps des sorcières", S. 362f., in: La pelle umana / The Human Skin, hrsg. von Agostino Paravicini Bagliani, Florenz 2005, S. 359-388.

Walter Schaufelberger, Der alte Schweizer und sein Krieg. Studien zur Kriegsführung vornehmlich im 15. Jahrhundert, Zürich 1952, S.73.

Zur Lösegeldpraxis Yvonne Friedmann, Encounter Between Enemies: Captivity and ransom in the Latin Kingdom of Jerusalem, Leiden 2002, und die Bemerkungen bei Maurice Keen, Medieval Warfare, Oxford 1999; Arnold Esch, "Mit Schweizer Söldnern auf dem Marsch nach Italien", S. 289-291 und S. 297, in: ders., Alltag der Entscheidung. Bern, Stuttgart 1998, S. 249-328 - "ein Lösegeld-Konsortium".

Bernhard Harms (Hrsg.), Der Stadthaushalt Basels im ausgehenden Mittelalter, Bd. 3, Tübingen 1913, S. 326.

Ich bin dem Kontext dieser Erzählung an anderer Stelle genauer nachgegangen. Siehe Valentin Groebner, Ungestalten, München 2003. Zum Verkauf von menschlichem Fett und Leichenteilen siehe auch Jutta Nowasadtko, Scharfrichter und Abdecker. Der Alltag zweier "unehrlicher" Berufe in der frühen Neuzeit, Paderborn 1994.

Fridolin Sichers Chronik, hrsg. von Ernst Götzinger, St. Gallen 1885, S. 179f.; Thomas Platter der Jüngere, Beschreibung der Reisen durch Frankreich, Spanien, England und die Niederlande 1595-1600, hrsg. von Rut Keiser, 2 Bde, Basel/Stuttgart 1968, Bd. 1, S. 181f.

Paul Frauenstaedt, "Zur Geschichte der Galeerenstrafe in Deutschland", in: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 16 (1896), S.518­546; Louis Carlen, "Die Galeerenstrafe in der Schweiz", in: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 88 (1976), S.558ff.; Hans Schlosser, "Die infamierende Strafe der Galeere", in: Festschrift für Hans Thieme zu seinem 80. Geburtstag, hrsg. von Karl Kroeschell, Sigmaringen 1986, S. 253-263.

Messmer, Hoppe, Luzerner Patriziat, S. 76.

Zur offiziellen Stellungnahme des Royal College of Pathologists zu Alderey www.rcpath.org/news/press.html; www.netzeitung.de/ausland/128625.html; Süddeutsche Zeitung, 10. März 2004.

Lori Andrews und Dorothy Nelkin, Body Bazaar. The Market for Human Tissue in the Biotechnology Age, New York 2001; Sheila und David Rothman, "The Organ Market", in: New York Review of Books, 23. Oktober 2003; Nancy Scheper-Hughes und Loic Wacquant (Hrsg.), Commodifying Bodie, London 2002; S. 1-8 Süddeutsche Zeitung, 7. Juni 2005. Siehe dazu auch www.m-ww.de/kontrovers/organspendeorganhandel.html, und die umfassende Dokumentation auf http://sunsite3.berkeley.edu/biotech/organswatch.

Martina Kaller, "Bestattung zahlt Empfänger", in: Die Zeit, 5. Dezember 2002.

Der polnische Schriftsteller Andrzej Stasiuk hat in seinem im Januar 2005 in Bochum uraufgeführten Stück "Die Nacht" die Inkorporation der armen Peripherie in die Europäische Union am Herz eines polnischen Autodiebs durchgespielt, das qua illegalen Transfers im Körper des herzkranken deutschen Mercedesfahrers landet.

Eugene B. Smith, "The New Condottieri and US policy: The Privatization of Conflict and its Implications", Winter 2002 in: www.findarticles.com/p/articles/mi_m0IBR/is_4_32/ai/95447364/print

Peter Singer, Corporate Warriors. Ithaca, London 2004.

Published 27 March 2006
Original in German
First published by Mittelweg 36 6/2005

Contributed by Mittelweg 36 © Valentin Groebner/Mittelweg 36 Eurozine

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