Abstracts Osteuropa 7/2007

Georg Vobruba
Kritik der Europakritik. Die intellektuelle Perspektive auf die europäische Integration

Die europäische Integration bestimmt den Alltag der Europäer. Doch intellektuelle Kritik an ihr gibt es kaum, denn alle einfachen Perspektiven sind schon besetzt. Preisen Intellektuelle die EU für Frieden und Wohlstand, verschmelzen sie mit den europäischen Eliten. Üben sie Kritik an konkreten Formen und Folgen der EU-Politik, laufen sie Gefahr, zwischen dem Unbehagen der Menschen und dessen populistischer Ausbeutung zu verschwinden. Eine intellektuelle Kritik, die im Stile der Kritischen Theorie von der Gesellschaft enthoben ist, verfängt sich gerade deswegen in der Position anderer Akteure. Nur eine Soziologie der Kritik, die gesellschaftliche Ängste in formale Gestaltungsideen überträgt, kann Grundlage für eine eigene intellektuelle Perspektive sein.

Ludger Helms
Die politischen Kulturen Osteuropas. Vielfalt und Differenz

Demokratien sind nicht nur auf geeignete Institutionen, sondern auch und vor allem auf die Unterstützung der Bürger angewiesen. Ein Vergleich der Werte und Einstellungen sowie des zivilgesellschaftlichen Engagements von Bürgern der ostmittel- und osteuropäischen Länder fördert beträchtliche Unterschiede zwischen einzelnen Ländern zutage. Weiter dimensionierte internationale Vergleiche schärfen demgegenüber den Blick für die Gemeinsamkeiten und Besonderheiten der post-kommunistischen Systeme Osteuropas. Die Entwicklung der politischen Kultur in den Staaten Ostmitteleuropas gibt Anlaß zu vorsichtigem Optimismus.

Susanne Schattenberg
“Gespräch zweier Taubstummer”? Die Kultur der Außenpolitik Chruscevs und Adenauers Moskaureise 1955

Außenpolitik wird meist als Realpolitik behandelt, in der allein die “harten” Fakten eine Rolle spielen. Diplomatie ist aber eine interkulturelle Kommunikation. Die Moskaureise Adenauers zeigt exemplarisch, wie schwierig die Verständigung zwischen Ost und West war. Unwissen und Vorurteile verhinderten das Verständnis. Selbst das westliche Protokoll konnte nicht als gemeinsame Sprache dienen, da die Sowjetunion es als bourgeoises Produkt ablehnte. Schließlich ließ sich Adenauer auf Chruscevs Schreien und Drohen ein, was eine Entscheidung ermöglichte.

Claudia-Yvette Matthes, Monika Kacinskiene, Feliciana Rajevska, Anu Toots
Rentenreform im Baltikum. Neue Modelle im Praxistest

Seit der Umsetzung der Rentenreformen in den baltischen Staaten vor einigen Jahren zeichnen sich in einigen Bereichen Erfolge ab. So konnten die Rentenkassen finanziell entlastet und die Schwarzarbeit eingedämmt werden. Die kapitalgedeckten Rentenfonds, die in allen drei Ländern neben der umlagefinanzierten Alterssicherung angeboten werden, erfreuen sich großer Popularität und erbringen bislang hohe Renditen. Einzig die Altersarmut, die gerade in Lettland und in geringerem Maße in Litauen viele Rentner betrifft, ließ sich mit den Rentenreformen nicht beheben. In dieser Hinsicht besteht also noch weiterer Reformbedarf.

T. Hausotter, A. Niemann, A. Schratz
Die Belarus-Politik der Europäischen Union. Handlungsspielräume und Politikoptionen

Die EU will Belarus demokratisieren, doch ihr Einfluß ist begrenzt. Die Entwicklung einer Partnerschaft im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik ist momentan nicht denkbar, da das autoritäre Lukasenka-Regime nicht die Werte teilt, die der ENP zugrunde liegen. Sanktionen und Kooperationsanreize hatten bisher nur begrenzte Wirkung und müssen daher ergänzt werden. Vor allem muß die belarussische Zivilgesellschaft stärker unterstützt werden. Außerdem sollte die EU ihre Politik besser mit anderen internationalen Akteuren abstimmen.

Gulbaat Rzchiladse
Rußland und Georgien. Konfrontation statt Kooperation

Seit Mitte der 1990er Jahre haben der radikale Islamismus und der internationale Terrorismus in Tschetschenien einen fruchtbaren Boden gefunden. Dieser militante Islamismus stellt nicht nur für Rußland, sondern auch für Georgien eine Bedrohung dar, für keines der beiden Länder sind eine Destabilisierung der Region und eine Stärkung der Islamisten im Nordkaukasus von Vorteil. Moskau und Tbilisi sind in dieser Frage eigentlich natürliche Verbündete, und es gibt weitere gewichtige Argumente für eine Zusammenarbeit. Tatsächlich aber setzen beide Seiten auf Konfrontation und gießen immer wieder Öl ins Feuer ihres Konflikts.

Lara Sigwart
Der Südossetien-Konflikt. Eskalation nach der Rosenrevolution

Der georgische Präsident Michail Saakasvili kündigte nach seiner Machtübernahme in der Rosenrevolution des Jahres 2003 die Lösung des Südossetien-Konflikts an. Jedoch hatte er nicht neue Angebote an die lokalen Machthaber im Sinn. Vielmehr wollte er den georgischen Zentralstaat stärken. Dazu suchte er eine Anlehnung an den Westen, insbesondere an die USA. Südossetien wird jedoch weiter von Rußland gestützt. Was folgte, war eine Eskalation der Gewalt.

Fabrice Larat
Ein Leben für die Freiheit der Kultur. François Bondy und die Einheit Europas

François Bondy war ein geborener Europäer. Er wurde 1915 in Berlin als Sohn einer jüdisch-deutschen Familie geboren, sein Vater stammte aus Prag, seine Mutter aus Ungarn. Seine Kindheit verbrachte Bondy in der Schweiz. Ein Leben lang hat der Chefredakteur der Zeitschrift Preuves zur kulturellen und politischen Einigung Europas beigetragen. In ihr sah er die einzige Möglichkeit, das totalitäre Erbe in Westeuropa – und die totalitäre Gegenwart in Osteuropa – zu überwinden. Als einer der wenigen verlor er so während des Ost-West-Konflikts nicht die Einheit des ganzen Kontinents aus den Augen.

Published 27 July 2007
Original in German

Contributed by Osteuropa © Osteuropa

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