Aus für das Oppositionsblatt "Nascha Niwa" in Weißrussland

Der ältesten unabhängigen Zeitung in Weißrussland, Nascha Niwa, droht kurz vor ihrem 100. Geburtstag die Schließung. Gerichtsvollzieher versiegelten die Redaktionsräume des Wochenblattes, teilten die Mitarbeiter der Zeitschrift mit. Als Grund für die Schließung hätten die Beamten die zehntägige Haftstrafe gegen den Chefredakteur Andrej Dynko im Zuge der Proteste gegen das autoritäre Lukaschenko-Regime genannt.

Seit dem 1. Januar hatte das Blatt mit einer Reihe von bürokratischen Hindernissen zu kämpfen, die das oppositionelle Medium aus dem Verkehr ziehen sollten. Der staatlich kontrollierte Vertrieb wie auch die offizielle Abonnementverwaltung hatte unter verschiedenen Vorwänden die Verbreitung verweigert. Am 10. April informierte das weißrussische Informationsministerium die Redaktion, dass der Antrag, Nascha Niwa über einen unabhängigen Vertrieb verbreiten zu dürfen, abgelehnt worden sei.

Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die weißrussische Presse mit einigem Anschein an Legalität durch das Informationsministerium behandelt. Doch sowohl die Intervention durch die Behörden in Minsk, die vom Ministerium für Ideologie ausgegangen ist, wie auch die Schließung eines Betriebs aufgrund der Haftstrafe des Leiters, sind gesetzlich nicht begründet.

Inzwischen hat sich die Redaktion an das Litauische Kulturministerium gewandt, um das Blatt unter den Schutz der UNESCO stellen zu lassen. Nascha Niwa wurde 1906 in Vilnius gegründet und dort bis 1915 und dann wieder zwischen 1991 und 1996 herausgegeben. Die Redaktion appelliert an Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen in den anderen Ländern, wie auch an internationale Organisationen, diesen Antrag zu unterstützen. Sie wendet sich auch an die internationale Gemeinschaft, die unabhängige Presse in Weißrussland intensiviert zu unterstützen.

Nascha Niwa wird derzeit von privaten Spenden am Leben gehalten, da sie nicht offiziell verkauft werden kann. Wenn die Printausgabe nicht mehr verbreitet werden kann, werde es weiterhin eine online-Ausgabe geben, meinte die Redaktion. Es wäre darüber hinaus denkbar, die Zeitung aus dem Ausland weiter zu betreiben. Allerdings würde das Verbot, Geld außer Landes zu führen, es den Lesern unmöglich machen, die Zeitung zu abonnieren. In der Zwischenzeit bittet die Redaktion um weitere Spenden.

Der Versuch, Nascha Niwa zu schließen, gehört zu den vielen Übergriffen auf die Alternativen zur sowjetischen Kultur seit der dritten Amtsperiode Alexander Lukaschenkos. Neben dutzenden anderer Publikationen, die von der Schließung bedroht sind, wird auch der Schriftstellerverband gerade aufgelöst. Neue Fernseh- und Radiostationen, die auf Weißrussisch senden, sind verboten worden. Und weißrussische Rockmusik wurde aus TV und Radio verbannt.

Published 19 April 2006
Original in English

© Eurozine

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