Alix RuleDavid LevineBernadette Ott Alix Rule, David Levine / MerkurEurozineMerkurMerkur 6/20132013-06-17International Art EnglishZur Karriere der Pressemitteilung in der KunstweltDie internationale Kunstwelt verwendet eine besondere Sprache, derenreinster Ausdruck in der online verbreiteten Pressemitteilung zu finden ist.Sie weist sämtliche Kennzeichen des Englischen auf, ist ein Export der anglophonenWelt, verdankt ihre erstaunliche Verbreitung der globalen Vorherrschaftdes Englischen -- und doch handelt es sich in strengem Sinn nicht umEnglisch. Was sie auszeichnet -- und was aus ihr eine eigene Sprache macht --,ist gerade die von ihr stets kultivierte, ausdrückliche Distanz zum Englischen.Im Folgenden untersuchen wir einige der lexikalischen, grammatikalischenund stilistischen Eigenheiten dieser Sprache, die wir "InternationalArt English" (abgekürzt IAE) nennen. Wir fragen nach ihren Ursprüngenund formulieren einige Hypothesen zur Zukunft dieses Mediums, mit dessenHilfe zeitgenössische Kunst erschaffen, verbreitet, verkauft und verstandenwird.HypotheseWie alle Sprachen verfügt auch IAE über eine Gemeinschaft von Sprechern,für die sie eine sowohl distinguierende als auch einende Funktion erfüllt.Diese Gemeinschaft ist die Kunstwelt, worunter wir das Netzwerk von Personenverstehen, die in professionellen Zusammenhängen die materiellen undnichtmateriellen Objekte erschaffen, die in der Öffentlichkeit als zeitgenössischeKunst wahrgenommen werden. Zur Kunstwelt zählen nicht nurKünstler und Kuratoren, sondern auch Galeristen, Museumsdirektoren,Blogger, Herausgeber von Kunstzeitschriften, Kunstkritiker, Sammler, Gutachter,Praktikanten, Kunstgeschichtsprofessoren etc. Uns ist bewusst, dassder Begriff "Kunstwelt" durchaus umstritten ist, doch die Alternative --Kunstbetrieb -- spiegelt die Wirklichkeit von IAE nicht angemessen wider.Handelte es sich bei IAE lediglich um ein Repertoire von Fachausdrücken,wie man sie in jedem beruflichen Kontext benötigt, wäre es kaum gerechtfertigt,von einer eigenen Sprache zu sprechen. IAE wäre dann bestenfalls soetwas wie ein technisches Vokabular, ein Fachenglisch, das sich in dieserHinsicht nicht von der Sprache eines Automechanikers unterscheidet, derBegriffe wie "Drehschwingungsdämpfer" oder "Ventilsteuerung" verwendet.Doch der Automechaniker, der damit ein dem Nichtspezialisten unbekanntesAutoteil bezeichnet, wendet sich an den Kunden höchstwahrscheinlichnicht mit dem Willen, ihn dadurch zum Mitglied einer geteilten Weltzu erklären -- er adressiert ihn nicht als Gleichgesinnten oder vielleicht sogarWeggefährten. Er identifiziert sein Gegenüber dadurch nicht als jemanden,der dazugehört oder eben nicht.Werden innerhalb der Kunstwelt die Veränderungen der vergangenenJahrzehnte thematisiert, dann wird über die Vervielfachung der Biennalengesprochen. Bei den bisherigen Versuchen, sich über die Besonderheiten desinternationalen englischen Kunstdiskurses zu verständigen, bestand dieNeigung, ihn als das Esperanto dieser glitzernden, mobilen Ausstellungsweltzu umschreiben, als ein Medium, auf das man sich zwecks bessererKommunikation und Koordination verständigt hat. Doch das ist nur bedingtrichtig.Natürlich ist es beim Kuratieren einer Ausstellung, die Kunst aus zwanzigLändern nach Dakar oder Sharjah bringen soll, hilfreich, wenn Künstler,Praktikanten, Galeristen und Journalisten alle in derselben Sprache kommunizierenkönnen. Aber das allein erklärt das Phänomen IAE noch nicht hinlänglich.Es besteht schließlich berechtigter Grund zur Annahme, dass auchheutzutage die meiste Kommunikation über Kunst zwischen Personen stattfindet,die sich miteinander in ihrer gemeinsamen natürlichen Sprache verständigen:Künstler mit ihren Assistenten, Journalisten von Lokalzeitungenmit ihren Lesern. Wenn jedoch eine Kunststudentin aus Skopje zu ihrer Diplomausstellungeinlädt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie die Einladungdazu per Email in IAE verschickt. Man kann ja schließlich nie wissen.Um verstehen und einordnen zu können, warum sie dies tut, braucht mannur an e-flux zu denken, die führende digitale Plattform innerhalb derKunstwelt. Was die Kommunikation über zeitgenössische Kunst betrifft, iste-flux dafür derzeit das mächtigste Instrument und nachgerade deren Symbol.Anton Vidokle, einer der Gründer, bezeichnet e-flux selbst als Kunstwerk. "In seiner Totalität ist e-flux ein Kunstwerk, das Zirkulation als Form wie als Inhalt nutzt", antwortete Vidokle 2009 in einem Interview des Online-Magazins Dossier auf die Frage, ob e-flux -- zu dem Zeitpunkt bereits ziemlich profitabel -- sich als Kunst oder Business verstehe(http://dossierjournal.com/read/interviews/interview-anton-vidokle-of-e-flux). Im Wesentlichen handelt es sich dabei um eine Mailingliste: Werdort eingetragen ist, erhält im Durchschnitt dreimal pro Tag Ankündigungenzu weltweit stattfindenden Kunstevents. Wegen der großen Häufungvon Emails empfiehlt Vidokle das Abonnement von e-flux nur Personen, die"aktiv mit zeitgenössischer Kunst befasst sind".Nun gäbe es auch andere Möglichkeiten, solche Informationen auszutauschen.Ein ähnlich wie Craigslist aufgebauter Internetdienst etwa könnte dieEreignisse nach Ort und Sprache sortieren. Contemporary Art Daily verschicktmit Fotografien versehene Feeds zu weltweit stattfindenden Ausstellungen.Aber e-flux stellt das perfekte Kanalisationsmedium innerhalb der Kunstweltdar: Man muss nämlich dafür bezahlen, eine Ankündigung verschickenzu dürfen, und nicht jede Anfrage wird auch berücksichtigt. Wie alles, wasin der Kunstwelt von Bedeutung ist, wird e-flux natürlich kuratiert. ProfitorientiertenGalerien ist die Nutzung des Hauptverteilers verwehrt, deshalbgilt e-flux ebenfalls als nichtkommerzielles Unternehmen. Und mankann außerdem davon ausgehen -- oder zumindest darauf hoffen --, dass jederin der Kunstwelt die Mitteilungen liest. (Der Service hat doppelt so viele Abonnenten wie Artforum, die auflagenstärkste Publikation zur Kunst derGegenwart -- von den weitergeleiteten Emails ganz zu schweigen!) Wie soviele Texte über zeitgenössische Kunst, die online zirkulieren, richten sichdie Pressemitteilungen auf e-flux wenn nicht explizit, so doch implizit an diewichtigsten Persönlichkeiten der Kunstwelt -- und das bedeutet natürlich,dass sie ausnahmslos alle in IAE verfasst sind.Wir haben alle dreizehn Jahrgänge der Pressemitteilungen von e-fluxkompiliert, ein Korpus von Texten, das groß genug ist, um als repräsentativ(für den besonderen Sprachgebrauch des IAE) gelten zu können. Unsere Thesenbasieren weitgehend auf der Analyse dieses Materials.Um die stilistischen Besonderheiten des IAE zu untersuchen, wurden von uns sämtlicheAnkündigungen, die e-flux seit seinem Start im Jahr 1999 verschickt hat, in Sketch Engine eingegeben, eine von Lexical Computing entwickelte Suchmaschine zum linguistischen Vergleich von Texten. Sketch Engine ermöglicht es, den Sprachgebrauch unter anderem auflexikalische Konkordanz, syntaktische Auffälligkeiten sowie den Wortgebrauch über einenbestimmten Zeitraum hinweg zu analysieren (www.sketchengine.co.uk).VokabularIAE zeichnet sich durch einen besonderen Wortschatz aus, in dem sich etwaWörter wie aporia, radically, space, proposition, biopolitical, tension, transversaloder autonomy mit besonderer Häufigkeit finden. Das Werk eines Künstlerswird zwangsläufig mit aktiven Tätigkeiten wie interrogate, question, encode,transform, subvert, imbricate oder displace assoziiert -- wenn es nicht, was ebenso häufig geschieht, eher mit passiven Verben wie serve oder function in Verbindung gebracht wird oder ihm all dieses Tun nur scheinbar oder allem Anschein nach zukommt. IAE macht außerdem mit links den Mangel an Substantivenim Englischen wett. Aus visual wird nämlich visuality, aus global wird globality, aus potential wird potentiality und aus experience -- immerhin bereits ein Substantiv -- wird ... experiencability.Space ist im IAE ein ganz besonders wichtiges Wort und kann sich auf eineFülle von Entitäten beziehen, die üblicherweise nicht als räumlich gedachtwerden (wie the space of humanity), ebenso wie auf solche, denen banalerweisewohl in den allermeisten Fällen das Attribut der Räumlichkeit zukommt(wie the space of the gallery). Die Ankündigung der Ausstellung "Jimmie Durhamand His Metonymic Banquet" im Proyecto de Arte ContemporáneoMurcia in Spanien 2010 etwa ließ den Künstler "die Grenzziehung zwischenInnen und Außen im abendländischen sakralen Raum befragen" -- Ausstellungsortwar eine ehemalige Kirche -- und "den Blick darauf lenken, was seitjeher ausgeschlossen wird, um das Heilige in seiner Reinheit des Raumsetablieren zu können. Zementbrocken, Draht, Kühlschränke, Fässer, Glasscherbenund Residuen des 'Geheiligten' bringen den Raum der Ausstellungzum Sprechen ... und verwandeln ihn in einen 'Tempel der Wirrnis'."Räumlicher und nichträumlicher Raum sind im IAE austauschbar. Soschreibt etwa der Kritiker John Kelsey, die Künstlerin Rachel Harrison erschaffe "eine unmittelbare Verwirrung zwischen Verkaufsraum und demRaum subjektiver Wirklichkeitskonstruktion". Die Regeln, die für den Gebrauchvon space im IAE gelten, lassen sich ohne weiteres auch auf field übertragen,etwa in Ausdrücken wie "das Feld des Realen", in dem dann -- lautder Kunsthistorikerin Carrie Lambert-Beatty -- "mit einem Bein das Parafiktionalesteht". (Präfixe wie para-, proto-, post- und hyper- multiplizierenden Wortschatz um ein Vielfaches und auf eine Weise, die eigentlich für diedeutsche Sprache typisch ist, nämlich ohne neue Wörter erfinden zu müssen.)IAE steckt jedoch nicht nur voller räumlicher Begriffe -- wie intersection,parallel, parallelism, void, enfold, involution und platform --, seine Diktion bevorzugt auch eine häufig nur noch schwer in ein Vorstellungsbild zu übersetzenderäumliche Metaphorik. So "spannt sich" etwa eine künstlerischePraxis von Zeichnungen bis zu Künstlerbüchern, Matthew Ritchies Werkeüberbrücken "elegant eine Kluft im Kunst-Wissenschafts-Kontinuum",und Saâdane Afif verspricht laut Pressemitteilung, "seine Ideen über die spezifischen,anekdotischen Grenzen seiner Paris-Erfahrung hinaus zu entfalten,um einen allgemeineren Horizont in den Blick zu rücken, eine neue, erweiterteSinndimension".Und so ergeht es vielen normalen Wörtern, die im IAE auf einmal fremde,unspezifische Bedeutungen und Funktionen aufgebürdet bekommen. "Wirklichkeit", verkündete die Künstlerin Tania Bruguera kürzlich in Artforum,"fungiert als mein Tätigkeitsfeld". Apropos Wirklichkeit: Der Begriff realitytaucht in den gesammelten e-flux-Texten viermal so oft auf wie imBritish National Corpus (BNC), das den Sprachgebrauch des britischen Englischin der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dokumentiert, der Ausdruckthe real sage und schreibe 179 Mal so oft.SyntaxAls Beispiel für die syntaktischen Eigenheiten des IAE sei aus der Pressemitteilungzu Kim Beoms Ausstellung "Animalia" zitiert, die im Frühjahr2011 im REDCAT, Los Angeles, gezeigt wurde. "Mittels einer raumgreifendenPraxis, die sich von Zeichnung über Skulptur und Video bis zu Künstlerbüchernspannt", so heißt es dort, "richtet Kim einen nachdenklichenBlick auf eine Welt, in der die Wahrnehmung radikal in Frage gestellt wird.Seine visuelle Sprache zeichnet sich durch einen trockenen Humor und insAbsurde übersteigerte Behauptungen aus, welche die Erwartungshaltungender Betrachter spielerisch und subversiv unterlaufen. Indem er suggeriert,das jeweils Wahrgenommene sei gar nicht, was man wahrnimmt, enthülltKim die Spannung zwischen innerer Psychologie und äußerer Wirklichkeit.Beobachtung und Wissen werden als Bewusstseinszustände thematisiert."An dieser Passage lassen sich mehrere grammatikalisch-syntaktische Charakteristikaaufzeigen, von denen die häufige Benutzung von Adverbien, seies singulär ("radikal in Frage gestellt") oder besser noch gedoppelt ("spielerischund subversiv unterlaufen") vielleicht als erstes auffällt. Die Koppelungvon Begriffen sowie das Bilden von Gegensatzpaaren, sei es bei einzelnen Ausdrücken ("innere Psychologie und äußere Wirklichkeit"), sei es beiSatzkonstruktionen, sind ebenfalls typisch. Auch auf die Vorliebe fürSchachtelsätze, die zu den untrüglichsten Kennzeichen von Texten über zeitgenössischeKunst zählt, sei hier hingewiesen. Es gehört nicht nur zum gutenTon, mit einem Nebensatz zu beginnen, sondern auch in den weiterenSatzverlauf so viele Nebensätze wie möglich einzuschieben, um die einfacheSubjekt-Prädikat-Objekt-Struktur in ein verräumlichtes Gefüge von frappierenderReglosigkeit zu überführen. Besser noch: von frappierender Reglosigkeitund betäubender Ausgewogenheit.Im Übrigen empfiehlt es sich stets, bei IAE lieber zu viele als zu wenigeWorte zu gebrauchen, weshalb die Ankündigung zu einer Ausstellung mitdem Titel "Investigations" denn auch vermerkt, einer der Künstler offenbare"etwas anderes über das Reale, neue Informationen". Und wird Olafur EliassonsLichtskulptur Yellow Fog "täglich während der Abenddämmerung"gezeigt, dann "thematisiert" der Künstler "den Übergang vom Tag zurNacht und lenkt auf subtile Weise die Aufmerksamkeit auf die Veränderungdes Tagesrhythmus". Solche Redundanzen sind zwangsläufig Folge diesesPrinzips, wie auch die Häufung scheinbar zusammenhangloser Begriffe.So schreibt die Catriona Jeffries Gallery über die Künstlerin Jin-me Yoon:"Wie ein Insekt, der Verwundete oder vielleicht sogar ein Flüchtling gehtYoon ihren Weg, mit der für sie typischen Mischung aus Geschick und Ungelenkheit."Dieselbe implizite Norm ist wohl auch für die vielen Auflistungen im IAEverantwortlich. In aller Ausführlichkeit demonstriert dies etwa die Pressemitteilungzur Konferenz "Cultures of the Curatorial" im Jahr 2010, in der"das Kuratorische" als "Formen von Praxis, Techniken, Formaten und ästhetischenPositionen" umschrieben wird, "nicht unähnlich den Funktionender Konzepte des Filmischen oder des Literarischen", welche "Aktivitätenwie Organisation, Kompilation, Display, Präsentation, Vermittlung oderHerausgeberschaft nach sich ziehen ... eine Vielzahl unterschiedlicher, sichüberschneidender und heterogen definierter Aufgaben und Rollen".Vgl. die Häufung von Substantiven in der Ankündigung zur Ausstellung "Mockup" vonDaniel Lefcourt, die von White Flag Projects als "Magazin, Bühnenbild, Mausoleum, Messe, Diagramm, Spielbrett, Atelier, Kaufladen, Piktogramm, Klassenzimmer, Museumssaal, Architekturmodell und Werkstätte eines Schildermalers" beschrieben wird.Wer die Pressemitteilung zu "Animalia" durchliest, kann davon leichteine metaphysische Seekrankheit bekommen. Es fällt schwer, in dem erwähnten"Raum", in dem der Künstler Kim einen "nachdenklichen Blick"auf die Welt richtet und eine diffuse "Spannung" enthüllt, über den jedochfaktisch nichts ausgesagt wird, festen Boden unter den Füssen zu bekommen.Und doch fühlen sich diejenigen unter uns, die über Kunst schreiben, offenbarmit unwiderstehlicher Macht zu solch syntaktisch-semantischen Verrenkungenhingezogen, ja finden sie ganz natürlich. Sobald wir das Gefühl haben,an ernsthafte Themen zu rühren, die überdies mit Kunst zu tun haben,bedienen wir uns reflexartig eines verschachtelten syntaktischen Gefüges.Stellt sich nur die Frage, warum. Wie kommt es, dass die Texte, die wir überKunst schreiben, wie schlecht übersetztes Französisch klingen?GenealogieWenn e-flux als der große Schmelztiegel des IAE von heute bezeichnet werdenkann, dann die Zeitschrift October sicherlich als der aussichtsreichsteKandidat auf der Suche nach dem Ursprung dieser Sprache. In der 1976 gegründetenZeitschrift prallte die amerikanische Tradition formalistischerKunstkritik, wie sie insbesondere von Clement Greenberg vertreten wurde,auf die in Europa tonangebende poststrukturalistische Theorie. Den October-Herausgebern, darunter auch die Kunsthistorikerinnen Rosalind Krauss undAnnette Michelson, war die damalige Kunstkritik zu unpräzise und zuschöngeistig. Krauss' und Michelsons Bemühen um strengere Interpretationskriterienveranlasste sie zur Übersetzung zahlreicher Texte der französischenPoststrukturalisten, die sie damit dem englischsprachigen Publikumbekannt machten. Die Verschiebung im amerikanischen kunstkritischenDiskurs, die durch October angestoßen wurde, hatte enorme Auswirkungenauf das Verständnis von Kunst und veränderte auch den Stil, in dem überKunst geschrieben wurde.Man lese dazu nur Rosalind Krauss' Essay Sculpture in the Expanded Fieldvon 1979: "Ihr Misslingen ist auch in die Oberfläche dieser Werke selbsteingeschrieben: Das Tor wurde dermaßen ausgehöhlt und gegen seine Strukturinkrustiert, dass sich sein nichteinsatzfähiger Zustand deutlich in seinemÄußeren zeigt; der Balzac ist mit einem solchen Grad an Subjektivität ausgeführt,dass nicht einmal Rodin glaubte (wie Briefe von ihm bezeugen),dass das Werk jemals akzeptiert werden würde."October, Bd. 8, Frühjahr 1979; Rosalind Krauss, Skulptur im erweiterten Feld. In: Dies., Die Originalität der Avantgarde und andere Mythen der Moderne. Amsterdam: Philo Fine Arts 2000. Krauss übersetzte für OctoberBarthes, Baudrillard und Deleuze und schrieb in einem Stil, der ganzoffensichtlich von diesen Übersetzungen geprägt war. Eine Reihe ihrer Kollegenebenfalls -- darunter mehrere Franzosen und Deutsche, die sich vermutlichwährend des Schreibprozesses selbst übersetzten.Viele der kapriziösen lexikalischen Eigenheiten des IAE stammen aus demFranzösischen, am offensichtlichsten wohl die Suffixe -ion, -ity, -ality und-ization, die im Englischen geläufigere Alternativen wie das Suffix -ness ausstechen.Die wundersame Vermehrung der bestimmten und unbestimmtenArtikel -- the political, the space of absence, the recognizable and the repulsive -- istebenfalls ein Import aus dem Französischen. Mit Le vide beispielsweisekönnte auch einfach nur ein leerer Raum gemeint sein -- ganz offensichtlichbevorzugten die postrukturalistischen Übersetzer dafür jedoch das monumentaleThe Void.Im French Web Corpus taucht le vide 20,9 Mal pro Million Einheiten auf,the void im BNC dagegen nur 1,3 Mal pro Million, dafür aber 9,8 Mal proMillion im e-flux-Korpus. (Die Suche in Sketch Engine lässt keine semantische Differenzierung zu.) Das Wort multitude, sowohl im Englischen als auch im Französischen gebräuchlich, ist in e-flux-Pressemitteilungen 141 Mal proMillion Einheiten zu finden. A lot 102 Mal.Das Französische ist vermutlich auch für die vielen Präpositionen und Adverbienverantwortlich, die im IAE so gehäuft verwendet werden. Viele derübernommenen stilistischen Eigenheiten sind überdies gar nicht für dasFranzösische ganz allgemein charakteristisch als vielmehr für den elaboriertenschriftlichen Stil im Französischen, wie er von den Poststrukturalistengepflegt und in manchen Fällen auch parodiert wurde (der Unterschied gingbei der Übersetzung meist verloren). Dieser gehobene schriftliche Ausdruckzeichnet sich durch endlos lange Sätze mit hypotaktischen Fügungen aus sowiedurch die ausführliche Verwendung des Partizip Präsens oder Perfekt.Daraus wurden geradezu die Erkennungszeichen des Stils, in dem heute internationalüber Kunst geschrieben wird.Das Französische ist dabei nicht die einzige fremdsprachige Quelle für dasIAE. Auch die Frankfurter Schule hatte großen Einfluss auf die Generationvon October. Das Erbe von Horkheimer, Adorno und Benjamin lässt sich vorallem am grosszügigen Gebrauch der Begriffe Produktion, Negation und Totalität erkennen. Es wimmelt auch nur so von Dialektik.Das Wort production findet sich im e-flux-Korpus viermal so oft wie im BNC, negation dreimal so oft, totality zweimal so oft. Dialectics taucht sechsmal so oft auf. Mit 9,9 Treffern proMillion ist dialectics im IAE ein fast genauso häufig verwendetes Wort wie sunlight im BNC. Wie beispielsweise in der Aussage einer Pressemitteilung, dass "die Menschheit stets nach Höherem strebte und sich sowohl von der Entfremdung als auch von der Unterwerfungunter die Schwerkraft zu befreien suchte ... Diese körperliche undexistentielle Dialektik, in ständiger Oszillation zwischen Aufwärtsbewegungund Sich-Fallenlassen, treibt uns dazu, die Grenzen des Gleichgewichtszu erforschen." Womit offensichtlich allen Ernstes behauptet wird,dass Aufstehen eine dialektische Praxis sei.Die Nachfolgegeneration von October ahmte sowohl die bewusst intendiertenals auch die unfreiwilligen Stilmerkmale der Zeitschriftenbeiträge nach,ohne zwischen beiden unterscheiden zu können. Krauss und ihre Kollegenstrebten nach größerer analytischer Genauigkeit, doch heute, mit einigemAbstand, werden die von ihnen verwendeten Wörter wie Alltagssprache benutzt,nämlich anarchisch und emotional.Dialektik hat eine präzise -- manche würden sagen: wissenschaftliche -- Bedeutung, doch imIAE wird es normalerweise wegen seines affektiven Werts benutzt: Man fühlt sich dabeieinfach gut. Gleichzeitig erhoben die Nachfahrenvon October übersetzerische Ungelenkheiten zur stilistischen Norm.IAE verarbeitet Einflüsse unterschiedlicher theoretischer Richtungenmehr oder weniger ästhetisch und vermengt sie zu einem Stil, der Denkfigurenund Formulierungen freizügig kombiniert und sich dabei ständig neueEinflüsse einverleibt.Später sollte das IAE beispielsweise eine Vorliebe für die Vokabeln trouble und queer entwickeln. Heute bekennen die tonangebenden Kunstkritiker freimütig, dass der Kritik jedes Bewusstsein dafür fehlt, was sie eigentlichwill oder tut: Anders als in den Jahren nach der Gründung von October gibt esbei der Interpretation von Kunst keine klare Vorherrschaft eines bestimmtenTheorieansatzes mehr. Doch die Theoriebildungen der Vergangenheit wirkenimmer noch nach -- nicht in ihrer gedanklichen Substanz, sondern inGeist und Buchstabe des Kunstdiskurses, der in einer universalen Fremdsprachegeführt wird.AutoritätEs braucht wohl kaum eigens betont werden, dass die von der angloamerikanischenKunstkritik kultivierte Sprechweise auf Distinktionsgewinn abzielte.Eine solche Sprache will nicht so sehr verstanden, sie will vor allemerkannt werden. Die Diktion der Texte über Kunst, die während der OctoberÄra ausgebildet wurde und zahlreiche übersetzerische Idiosynkrasien in dasEnglische einführte, wirkte aus normalsprachlicher Sicht befremdlich, weilsie tatsächlich fremd war. Wer die Texte las, konnte sich zu Recht ausgeschlossenfühlen -- wer allerdings durch dieselbe Schule wie die Autorengegangen war, fühlte sich auf vertrautem Terrain. Diejenigen, die die rhetorischenStandardmanöver erkannten, konnten sich zur Bildungsschicht rechnen.Diejenigen aber, die auch die esoterischeren syntaktisch-semantischenVerrenkungen erkannten, hatten entweder ausführlichen Kontakt mit übersetztenTexten französischer Theoretiker oder zumindest Texte gelesen, diesich wie solche Übersetzungen lasen. Texte über Kunst vermochten auf dieseWeise, den Ein- oder Ausschluss von Lesern zu bewirken. Und auf Autorenseiteverschaffte die Diktion manchen mehr Autorität als anderen.Autorität ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, denn die Kunstwelthandelt mit keiner beliebigen Ware. Die Wertschöpfung geschieht ineinem symbolischen Medium und ist von Interpretationen abhängig. Deshalbist die Fähigkeit zur kritischen Bewertung der Werke ebenfalls ein gefragtesGut und die Definitionsmacht darüber, welche Objekte und Ideenhoch zu bewerten sind, eine wirkliche Macht.Reguliert wurde der Zugang zur schnell wachsenden amerikanischenKunstwelt seit den 1960er Jahren zunehmend durch ein obligatorischesUniversitätsstudium. Und unter dem Einfluss von October begann die Kunstweltsystematisch, eine ganz spezielle Ausdrucksweise zu belohnen. Werdiese besondere Sprache zu gebrauchen wusste, signalisierte damit, dass erüber ein geschärftes kritisches Vermögen verfügte; präsentierte sich alsstreng im Urteil, politisch engagiert und akademisch qualifiziert. In einemrapide sich ausweitenden Kunstmarkt hatte diese Sprache eine wichtige Aufgabezu erfüllen, nämlich die Werke mit höheren Weihen zu versehen. Wasin einem bestimmten Jargon besprochen wurde, galt als besonders bedeutungsvoll,kritisch oder zeitgenössisch. IAE wurde für Werke entwickelt,deren Beschreibung die Syntax und Terminologie der Kunstinterpretationfrüherer Zeiten überforderte.Es dauerte nicht lange, bis die Manierismen dieses Kunstdiskurses insämtliche Sorten von Texten zur Kunst durchsickerten. October klang von derersten Nummer an wie aus einer Fremdsprache übersetzt. Ein Jahrzehnt späterhörte sich das weniger elitäre Artforum schon genauso an. Und kurz daraufwar dies auch bei den Künstlern selbst, auf Faltblättern, in Stipendienanträgenund auf den Schrifttafeln von Ausstellungen der Fall. Die Gründe fürdiese schnelle Verbreitung unterscheiden sich kaum von denen, die in jüngsterZeit Kunstadepten in aller Welt dazu veranlasst haben, sich für IAE zuentscheiden. Egal, um welche Inhalte es in deren Texten über Kunst geht,Ziel ist es, wie jemand zu klingen, der in der Kunstwelt zu Recht Gehör findet-- und dies erreicht man durch größtmögliche Annäherung an das elitäreIdiom der Kunstwelt.Doch nicht jeder verfügt gleichermaßen über diese Fähigkeit. Weshalb esauch häufig ein Fehler sein kann, Texte über Kunst auf ihren tatsächlichen Inhalthin zu lesen. IAE kommt genauso gut auch ohne ihn aus. AufmerksameLeser können solche ausgedünnten Varianten recht problemlos identifizieren.So hieß es vor einiger Zeit auf einem Begleitblatt zur New York City MFAShow, verfasst von den Studenten des dortigen Master-Studiengangs inKunstgeschichte: "Das Erschaffen von Objekten, so die Künstlerin, ermöglichees ihr, Vergangenheit und Gegenwart zu beherrschen." IAE von unzureichenderKomplexität klingt zugleich besser und schlechter. Es kannschlichtweg klarer sein, weshalb die Ausführungen sich in ihrer Lächerlichkeitviel schneller selbst entlarven. Andererseits lassen wir uns gerne durchvirtuosen Gebrauch von IAE beeindrucken, völlig unabhängig vom mutmaßlichenInhalt. Laut der e-flux-Pressemitteilung einer führenden deutschenKunstzeitschrift etwa geht es beim Thema "Artistic Research" inzwischen"wesentlich mehr darum, die Spezifik künstlerischer Forschungspraxis unddie Bedingungen ihrer Möglichkeit zu erhellen, als immer wieder die Dialektik(oder Synthetik) von 'Kunst' und 'Wissenschaft' auszubuchstabieren".Texte zur Kunst, Nr. 82, Juni 2011.Hier setzt die Zeitschrift eine ganz besondere Duftmarke, indem sie dennormalen Gebrauch von Dialektik innerhalb des Kunstdiskurses ins Gegenteilverkehrt. Dialektik ist hier nicht positiv besetzt, sondern wird mitLangeweile assoziiert. Indem die Zeitschrift dies tut, behauptet sie implizit,ein besseres Verständnis von Dialektik zu haben als der Durchschnittsleser.Verstärkt wird dieser Anspruch noch durch die Unterstellung, die erwähntespezielle Dialektik sei so öde, dass sie mit einer ebenfalls öden "Synthetik" --wohlgemerkt nicht: Synthese -- austauschbar geworden sei. Was der Begriff"Dialektik" wirklich bedeutet, ist unwichtig geworden. Allein die Autorität,die durch die bloße Nennung beschworen wird, zählt.ImplosionNatürlich kann man immer wieder die Biennalen erwähnen. Trotzdem hat inden letzten zehn Jahren nichts die Kunstwelt so sehr verändert wie das Internetmit seinem Panorama aller Ereignisse. Was hatte das Oklahoma CityMuseum mit der Pinakothek der Moderne in München zu schaffen, bevor ese-flux gab? Sobald jetzt jedoch die Ausstellungsankündigungen verschicktsind, sind sie füreinander wahrnehmbare Größen. Dasselbe gilt für dieKünstler, die dort erwähnt werden, sowie natürlich für die Werke. Spracheist in der Kunstwelt mächtiger denn je. Trotz aller Biennalen gilt die größteAufmerksamkeit der Kunstwelt den Mitteilungen im Internet. Zum e-flux-Durchschnittsleser gelangt das Kunstwerk immer schon in IAE verpackt.Weil die Mitglieder der heutigen Kunstelite die Deutungshoheit überdie Werke verloren haben, erkennen sie sich gegenseitig nur mehr an ihremJetset-Dasein. Die ererbte Diktion des Sprechens über Kunst aber zieht immerweitere Kreise und wird inzwischen in aller Welt gebraucht. Mit derselbenMotivation wie ihre angloamerikanischen Vorläufer stürzen sich dieneuen Sprecher von IAE eifrig und anonym auf die Produktion von Texten.Auf die Pressemitteilung, die via e-flux in Gott weiß welchen Emailfächernlandet, wird dabei die größte Mühe verwandt. Dort macht das IAE seine eindrucksvollstenFortschritte.Das kollektive Projekt IAE hat inzwischen globale Ausmaße erreicht. Dererhoffte Distinktionsgewinn durch sprachliche Mimikry sorgt für schnelleAusbreitung einzelner Begriffe im Netz. So erreichte 2009 speculative einenSpitzenwert, 2011 war dies bei rupture der Fall, und 2012 erzielte transversalsein vermutlich bestes Ergebnis in der Sprachgeschichte. Den Beteiligtenbleibt dabei wenig Zeit und Raum, über einen möglichen tieferen Grund fürdie Verwendung eines Wortes nachzudenken. Unsere Vermutung ist, dassdie Geschwindigkeit, mit der Begriffe sich im IAE in bloße Floskeln verwandeln-- der auf Emotionen abzielenden Werbesprache ähnlich -- noch weiterzugenommen hat.Wenn eine Sprache immer größere Verbreitung findet, differenzieren sichunvermeidlich regionale Sonderformen aus. Das IAE in französischen Pressemitteilungenetwa klingt schon fast zu perfekt: Wir können nur mutmaßen,dass sie höchstwahrscheinlich von französischen Praktikanten verfasstwerden, die amerikanische Praktikanten imitieren, die amerikanische Professorenimitieren, die französische Professoren imitieren. SkandinavischesIAE wirkt dagegen etwas lieblos. Wahrscheinlich wiegen sich die Verfasserdort in falscher Sicherheit, vertrauen zu sehr auf ihr flüssiges Englisch alsNon-Native-Speaker, und es fehlt ihnen das Ohr für die Finessen des IAE.Die Pressemitteilung auf e-flux für die Guangzhou Triennale 2006 -- passenderweiseunter dem Titel "Beyond" veranstaltet -- liest sich wie folgt:"Einen außerordentlichen Raum als Experimentierfeld der Modernisierungbietet das Pearl River Delta" -- wo eine Megacity mit 40 Millionen Einwohnernentstehen soll -- "als eine der typischen Entwicklungsregionen, um dortdie zeitgenössische Kunst innerhalb des außerordentlichen Netzwerks vonModernisierung zu studieren, das voller Möglichkeiten und Verwirrungsteckt. Pearl River Delta (PRD) steht für neue Raumstrategien, ökonomischeMuster und Lebensstile. Betrachten Sie diesen außerordentlichen Raumals Plattform für Experiment und Praxis. Gleichzeitig ruft dies auch ein einzigartigesund originelles experimentelles Probestück hervor." Dieses Beispiel kann wohl als symptomatisch für einen Zustand gelten, in dem uninspirierteKopisten von Bataille in englischer Übersetzung ebenso gutPraktikanten im chinesischen Kulturministerium sein könnten -- und dannauch wieder nicht. Denn der entscheidende Punkt ist, dass Englisch zu könneninzwischen gar keine Voraussetzung mehr zu sein scheint, um Texte inIAE zu verfassen.Auf den ersten Blick scheint dies nur einer der üblichen Siege über gutesund richtiges Englisch zu sein, mit der Verheißung auf eine immer noch weitereSteigerung der semantischen Ekstasen, an die wir uns in Texten überzeitgenössische Kunst längst gewöhnt haben. Doch lässt man die Bedingungeneinmal beiseite, die zur schnellen Verbreitung von IAE geführt haben,könnte diese Sprache tatsächlich ernsthaft in Gefahr sein. IAE verfügte nieüber eine kodifizierte Grammatik. Stattdessen entwickelte es sich fort, indemes ständig neue Quellen und Taktiken absorbierte, um den erwünschtenfremdartigen Sound zu erzeugen. Die Grenzen der Verstehbarkeit wurdendabei immer weiter ausgedehnt (und auch überdehnt, jedenfalls für den englischenNative Speaker). Doch bei der globalisierten Leserschaft von heutekann nicht mehr darauf vertraut werden, dass sie die Abweichungen von dersprachlichen Norm überhaupt als bewusste Verfremdung erkennt. Wirkt dasIAE aber auf einmal inklusiv -- und zwar gerade weil es sich um kein korrektesoder gepflegtes Englisch handelt --, dann verschafft es nicht mehr denDistinktionsgewinn, dem es sich verdankt.Wir sind nicht die ersten, die sich des Ernstes der Situation bewusst sind.Die Krise der Kunstkritik, schon seit längerem auf Dauer gestellt, scheintam Ende der 2010er Jahre ihren Höhepunkt erreicht zu haben. So beklagteetwa der Kunsthistoriker und Kritiker Sven Lütticken, Kunstkritik seinichts anderes mehr als "highbrow copywriting", intellektuelle Werbesprache.Die These, jede ernsthafte kritische Auseinandersetzung mit zeitgenössischerKunst werde durch die zunehmende Kommerzialisierung unmöglichgemacht, wurde in den letzten Jahren bereits oft genug vorgetragen, dochvermochte bislang niemand überzeugend zu erklären, warum der Markt dieAutorität der Kritik so leicht beiseite fegen konnte. Lüttickens Formulierungist in diesem Zusammenhang entlarvend: Kann die Kritik etwa nichtmehr für sich beanspruchen, anders als die Werbesprache zu klingen? DieKritiker, lange die Speerspitze des IAE, scheinen darüber die Kontrolle verlorenzu haben.Ist denn die Kunstwelt heute ohne IAE überhaupt vorstellbar? Wenn dieTexte ihre Ernsthaftigkeit nicht mehr in der gewohnten Weise signalisieren,was haben sie uns stattdessen zu sagen? Wird die Kunst sich ohne ihren Jargondann dem kritischen Blick eines breiteren Publikums stellen müssen?Wird sie diesem Blick standhalten?Wenn IAE eines Tages implodiert, sollten wir allerdings nicht darauf hoffen,dass die Sprache der globalisierten Kunstwelt demokratischer und nüchternersein wird. Wahrscheinlicher ist, dass die Elite der Kunstwelt sich dannauf das konventionelle Upper-Middle-Class-Bildungsenglisch besinnt unddie damit verbundenen, erprobten Distinktionen.Vielleicht sollten wir in der Zwischenzeit einfach unseren Spaß an der Verfallsperiodevon IAE haben. Wir sollten e-flux-Pressemitteilungen nichtmehr lesen, um ihren Inhalt zu verstehen oder deren Professionalität in derVerwendung von IAE zu würdigen, sondern wir sollten uns daran erfreuen,wie man sich an Lyrik erfreut.