Merkur
2011-12-06
Heftbeschreibung Merkur 12/2011
Mit dem Dezemberheft (Nr. 751) beschließen Karl Heinz Bohrer und Kurt Scheel ihre Arbeit für den Merkur -- drei Jahrzehnte einer Zeitschrift aus der Perspektive ihrer Herausgeber.
Zeitungen, so glauben viele, insbesondere Journalisten, spiegelten die Welt. Keineswegs, sagt Michael Rutschky, sie erzählen sie, und das ist ein Unterschied ums Ganze. Aber wenn Jörg Schröder erzählt, ist die Welt wieder in Unordnung, und das, findet Gerhard Henschel, dient der Wahrheitsfindung. Kathrin Passig lügt, wenn sie sich scheinheilig darüber beklagt, dass man ihre Merkur-Kolumne nicht kommentieren kann: In Wirklichkeit hasst sie Kritik.
Horst Dreier skizziert in der Rechtskolumne den windungsreichen Weg der Deutschen auf der Suche nach einem Nationalfeiertag, Giles MacDonogh lässt anhand englischer und deutscher Biographien dem Eisernen Kanzler Gerechtigkeit widerfahren, Jonathan Keates zeichnet selbstbewusst ein so selbstkritisches Bild heutiger englischer Identität, dass man sofort Engländer sein möchte.
Die letzten vier Essay dieses Heftes kommen von Uwe Simson, dessen schnörkellose Feststellungen zu Migration, Ethnizität, Integration die Gesundbeter und Schönredner schockieren werden. Auch Egon Flaig wird mit seinen ketzerischen Überlegungen zur Gerechtigkeit leider keinen Beliebtheitspokal gewinnen. Hans Ries will den Millionen Kurt-Schwitters-Fans, ja allen Liebhabern des tropfen Tiers (vielleicht) erklären, wer Anna Blume eigentlich ist. Und Ulrich Schacht weint der Europäischen Union, wie sie sich heute darstellt, eine riesengroße Krokodilsträne nach -- was einer etwas selbstironischen "Deutschen Zeitschrift für europäisches Denken" gut zu Gesicht stehen sollte.
Kathrin Passig
Internetkolumne
Wenn der Kuchen spricht, haben die Krümel Pause
Kathrin Passigs Internetkolumne können Sie im Netz lesen, aber nicht kommentieren. Wenn die Autorin sagt, sie bedaure dies, so lügt sie: In Wirklichkeit will sie einfach keine Kritik hören.
Woher kommt der Widerstand so vieler Netzautoren gegen den Dialog mit ihren Lesern? Er könnte Illusionen zerstören, vielleicht entsprechen die Leser nicht dem eigenen Wunschdenken: Man schreibt für die Schlauen, wird aber hauptsächlich von den Doofen gelesen. Gefährdet wäre auch die Illusion vom Rechthaben und dass man schon alles Nötige zum Thema wisse, ja etwas Neues beizutragen habe. Und schließlich besteht ja tatsächlich die Gefahr, dass der Kontakt zum Leser -- das können auch Kollegen sein , erkennbar macht, dass der Autor auch nur mit Wasser kocht und woher er sein Material nimmt. Die Abneigung gegen eine Beteiligung am Dialog ist also kein Ergebnis schlichter Trägheit, sondern hat robuste Gründe. Und das macht es attraktiv, sich öffentlich zum Dialog zu bekennen und ihn in der Praxis zu ignorieren.