Osteuropa
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2011-06-08
Heftbeschreibung Osteuropa 4/2011
Otto Luchterhandt
Verhöhnung des Rechts
Der zweite Strafprozess gegen Michail Chodorkovskij und Platon Lebedev
Ausgerechnet zu einer Zeit, in der Präsident Medvedev als Staatsoberhaupt den "Rechtsnihilismus" im Lande geißelt und zu dessen Bekämpfung aufruft, wird von einem Moskauer Gericht gegen die JUKOS-Manager Michail Chodorkovskij und Platon Lebedev ein weiteres Strafurteil gefällt, welches das von 2005 an Willkür und Zynismus übertrifft. Dies ergibt eine detaillierte Analyse der Anklage, des Sachverhalts, des strafprozessualen Vorgehens sowie des Urteils. Im Unterschied zum ersten Prozess regt sich nun in Teilen der Elite Widerstand.
Helmut König
Paradoxien der Erinnerung
Über Wissen und Vergessen
Die damnatio memoriae, das gezielte wechselseitige Vergessen von Gewalt und Unrecht, galt lange Zeit als Bedingung jedes haltbaren Friedensschlusses nach Kriegen oder Bürgerkriegen. Doch die bewährte Amnestieklausel ist nur realistisch, wo bestimmte Regeln im Krieg nicht oder nicht systematisch missachtet wurden. Der Erste Weltkrieg liegt bereits jenseits ihres Geltungsbereichs, der Ausrottungskrieg der Nationalsozialisten um so mehr. Wo nicht vergessen werden kann, bleibt nur das Erinnern, das mit dem Vergessen allerdings in einem unauflöslichen, paradoxen Zusammenhang steht: Erst was zuvor gewusst -- erinnert -- wird, kann anschließend aktiv vergessen werden.
Arsenij Roginskij
Erinnerung und Freiheit
Die Stalinismus-Diskussion in der UdSSR und Russland
Seit dem "Tauwetter" ist der Umgang mit Stalin und dem Stalinismus ein Gradmesser für die aktuelle Politik. "Anti-Stalinisten" plädieren für Freiheit und Reformen, "Stalinisten" für Ordnung und den starken Staat. Die Geschichtspolitik des Putin-Regimes passt in dieses Modell. Der Rückgriff auf Stalin und den Sieg im Zweiten Weltkrieg sollte dazu dienen, Putins autoritäre Herrschaft zu legitimieren. Antidemokratische Politik ging mit der mythischen Verklärung der totalitären Vergangenheit einher. Doch der nationalstalinistische Geist droht sich gegen seine Schöpfer zu wenden. Zu dessen Abwehr sowie aus innen- und außenpolitischen Motiven bringen sich Medvedev und Putin nun als "Antistalinisten" in Position. Die sowjetische Geschichte ist erneut Schauplatz eines Kampfes um die Zukunft des Landes.
Heinrich Olschowsky
"Wo einst das südöstliche Polen war ..."
Bertolt Brecht und der Hitler-Stalin-Pakt
Anders als für das polnische nationale Gedächtnis war der Hitler-Stalin-Pakt für die linke deutsche Erinnerungskultur lange fast ein Tabu. Noch heute ist die Erinnerung daran schwierig. Einer der Gründe war die verbreitete Vorstellung, Antifaschismus und Antistalinismus seien unvereinbar. Deshalb äußerte sich auch Bertolt Brecht, der das Unrecht des Pakts durchaus sah, dazu nicht öffentlich. In seinem 1941 publizierten Gedicht Kinderkreuzzug 1939 dagegen spricht Brecht eine zwar poetische, aber deutliche Sprache. Die Brecht-Forschung hat den historischen Hintergrund des Gedichts ignoriert.
Nawojka Cieslinska-Lobkowicz
Judaika in Polen
Herkunft, Schicksal, Status
Ende des 19. Jahrhunderts begannen polnisch-jüdische Sammler, wertvolle Judaika aus ehemaligen Synagogen und Privathaushalten zusammenzutragen. Erste jüdische Museen entstanden. Während des Zweiten Weltkriegs plünderten die deutschen Besatzer systematisch den Besitz jüdischer Gemeinden und Privathaushalte und brachten im Holocaust etwa 90 Prozent der auf polnischem Gebiet lebenden Juden um. Ähnlich umfangreich war die Vernichtung des jüdischen materiellen Kulturerbes. Nur ein Bruchteil der ehemaligen Bestände überstand den Krieg. Einige jüdische Kulturgüter befinden sich heute in polnischen öffentlichen Museen. Zu selten wird die Frage nach der Provenienz und dem Eigentum dieser Güter gestellt.
Stefan Creuzberger
Kalter Krieg und Globalgeschichte
Die Cambridge History of the Cold War
Der Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums und die davon begleitete Archivrevolution im östlichen Europa haben zahlreiche neue Impulse für eine systematische Aufarbeitung der Geschichte des Kalten Krieges gegeben. Auf dieser Grundlage ist nunmehr eine dreibändige Cambridge History of the Cold War entstanden. Das Handbuch betrachtet den Kalten Krieg nicht nur als eine bipolare Angelegenheit zwischen den beiden Supermächten USA und UdSSR, sondern analysiert den Ost-West-Konflikt methodisch vielseitig in seinen globalgeschichtlichen Zusammenhängen und Auswirkungen.