Merkur
2010-03-02
Heftbeschreibung Merkur 3/2010
Wie halten wir es mit Toleranz und Pluralismus (Minarettverbot!), fragt Otfried Höffe im Märzheft (Nr. 730) -- und wie hält man es in der islamischen Welt damit? Darüber und über manches andere, nicht zuletzt Sex, diskutieren Michael Roes und Rachid Boutayeb.
Eröffnet wird das Heft mit einem Essay von Egon Flaig: Anhand der theoretischen Wandlungen des großen Ethnologen Claude Lévi-Strauss wirft er einen kritischen Blick auf den Multikulturalismus und macht den Universalismus stark. Aber Universalismus, so Heinz Theisen, kann nur stark sein, wenn er sich selbst zurücknimmt und nicht aggressiv verbreitet werden soll: Das sei eine der Lehren aus dem Afghanistankrieg. Alles ist noch viel schlimmer, glaubt Thomas E. Schmidt: Für die kommende Supermacht China spielen "westliche" Begriffe wie Demokratie und Menschenrechte, geschweige Universalismus, kaum noch eine Rolle.
Außerdem Kolumnen von Jens Bisky -- wo, bitte, bleibt das Monumentale in der Architektur? -- und Lothar Müller, der über die deutsch-französischen Spiegelungen der zeitgenössischen Literatur nachdenkt; Porträts zweier toter weißer Dichter, und beider Werk scheint noch ziemlich frisch zu sein: John Donne und Wilhelm Lehmann; Middlebrow-Geschmack sei das Allerletzte, und wohlfeile Klassikerausgaben entlarvten den Spießer: Für W. A. Pannapacker ist das dünkelhafter Unfug; Szenen einer Uni zwischen Streik und Tristesse; Heimatkunde einmal anders: Gerd Roellecke erzählt eine Dorfgeschichte, die der Historikerzunft zu denken geben könnte.
Heinz Theisen
Grenzen des Universalismus
Nach Afghanistan muss sich der Westen zurücknehmen
Den Anspruch auf Universalität der Menschenrechte kann der Westen nicht aufgeben, ohne seine Identität aufzugeben. Aber es gehört zur Politik als Kunst des Möglichen, die kulturellen Grenzen des Möglichen zu erkennen und den eigenen Handlungskreis realistischer als bisher zu bestimmen.
Solange der Westen seine Einflusssphäre mit der Universalität der allgemeinen Menschenrechte gleichsetzt, droht jedes Problem auf der Welt zu einem Problem des Westens zu werden. Doch statt um Universalität der eigenen Kultur geht es um Koexistenz und Gegenseitigkeit der Kulturen, die gegenüber unterschiedlichen Kulturkreisen unterschiedlich definiert werden müssen.