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2008-02-21
Heftbeschreibung für Blätter 2/2008
Wole Soyinka
Das Schicksal der Négritude
Von der Selbstbehauptung Afrikas zum Versagen in Darfur
Im Zuge der Entkolonialisierung wurde die "Négritude"-Bewegung zu einem wichtigen Mittel der afrikanischen Emanzipation. Dem europäischen Rassismus begegnete sie mit der kulturellen Selbstbehauptung der Schwarzen. In seinem aufrüttelnden Beitrag konfrontiert der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka die Aktualität der humanistischen Werte der Négritude mit dem politischen Versagen im sudanesischen Darfur. Wie konnte es dazu kommen, dass auch die Afrikanische Union die dortigen "Prediger rassischer Überlegenheit" ungehindert morden lässt?
Ernst Ulrich von Weizsäcker
Klima, Ressourcen und Krieg
In den ersten Januartagen des neuen Jahres kletterte der Preis für ein Barrel Öl über die Rekordmarke von 100 US-Dollar -- Tendenz langfristig steigend. Grund genug für den bekannten Naturwissenschaftler und Politiker Ernst Ulrich von Weizsäcker zu fragen, wie angesichts endlicher natürlicher Ressourcen und unübersehbarer Klimaveränderungen eine nachhaltige Klimapolitik aussehen muss, die die absehbaren kriegerischen Konflikte doch noch verhindert.
Micha Brumlik
Die Rückkehr des Reaktionärs
Nicht erst die Wahlkampfführung des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch bewies, dass die Sehnsucht nach Härte, Autorität und Unterwerfung in weiten Kreisen der Gesellschaft angekommen ist. Reaktionäres Denken ist wieder en vogue -- und zwar auf der ganzen Breite des politisch-kulturellen Spektrums. Micha Brumlik, Erziehungswissenschaftler und "Blätter"-Herausgeber, analysiert die Strategien der Reaktion -- von Martin Mosebachs Kampf gegen die Aufklärung über Bernhard Buebs "Lob der Disziplin" bis hin zur Kampagne zur Verschärfung des Strafvollzugs und der Einrichtung von Erziehungslagern.
Johann Welsch
Gewerkschaften im Niedergang?
Organisierte Arbeiterschaft im 21. Jahrhundert
Das zunehmend eigenmächtige Handeln einzelner Interessengruppen wie etwa der Lokführergewerkschaft belegt, dass sich die organisierte Arbeiterschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts in einem tiefgreifenden Umbruch befindet. Johann Welsch, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der FH Wiesbaden und langjähriges Mitglied im DGB-Bundesvorstand, diskutiert die aus Globalisierung und Massenarbeitslosigkeit resultierenden Herausforderungen. Wie müssen sich die Gewerkschaften ändern, um in der "Globalisierungsfalle" bestehen zu können?
Jeremy Leaman
Hegemonialer Merkantilismus
Die ökonomische Doppelmoral der Europäischen Union
Freiheit, Wettbewerb, Konkurrenz -- der Abbau von Handelshemmnissen gilt den Apologeten des Neoliberalismus als Schlüssel für wirtschaftliche Entwicklung. Jeremy Leaman, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Loughborough, weist jedoch nach, dass die Europäische Union zwar die Vorteile deregulierter Märkte durchaus zu nutzen weiß, insbesondere in Osteuropa. Ihre eigenen Märkte in gleichem Maße zu öffnen, etwa gegenüber ausländischen Staatsfonds, sind die EU-Mitgliedsländer jedoch keineswegs bereit. Die Forderung nach Freihandel entpuppt sich als wohlfeiles Postulat der Mächtigen.
Daniel Leisegang
Das Google-Imperium
Immer mehr Nutzer geben, zumeist freiwillig, im Internet ihre letzte Intimität preis. Dabei sind die privaten Informationen sprichwörtlich Gold wert, insbesondere für den Suchmaschinen-Giganten Google. "Blätter"-Redakteur Daniel Leisegang analysiert, wie die Nutzer die Kontrolle über ihre Daten verlieren und auf diese Weise ihrer Privatsphäre regelrecht enteignet werden. Am Ende der Entwicklung wird der gläserne Mensch endgültig Wirklichkeit geworden sein -- ganz privat und ohne großes Aufsehen.
Dieter Deiseroth
Die Legalitäts-Legende
Vom Reichstagsbrand zum NS-Regime
Nach fast 75 Jahren wurde soeben das Todesurteil gegen den holländischen Kommunisten Marinus van der Lubbe aufgehoben. Noch immer hoch umstritten sind jedoch die historische Bewertung des Reichstagsbrands und dessen politische Bedeutung. Dieter Deiseroth, Richter am Bundesverwaltungsgericht, macht deutlich, dass die nach wie vor weit verbreitete, aber wissenschaftlich nicht mehr haltbare "Alleintätertheorie" politisch weitreichende Folgen hat: Sie zementiert die Legende von der Legalität der nationalsozialistischen Machtübernahme.
Außerdem in diesem Monat:
Rentenlücke und Riesterfalle -- Antonio Brettschneider
Der neue Zwang zur Altersarbeit -- Jörg Melz
Akademikersteuer statt Studiengebühren -- Stefan Welzk
Sarkomania -- Glamour und Kalkül -- Ronja Kempin
Schweiz: Die Krise der Konkordanz -- Burkhard Steppacher
Belgien: Vom Bundesstaat zum Staatenbund -- Frank Berge
Der Heilige Stuhl im Reich der Mitte -- Ralph Rotte
Zauberlehrling Bush im Nahen Osten -- Heiko Flottau
Oettingers "Scheiß-Privatsender" -- Annett Mängel
Arbeitsvermittlung ganz privat -- Jürgen Karasch
Hypothekenkrise und virtuelle Ökonomie -- William Pfaff
Prima Auto-Klima -- Hanno Groth