Hans-Joachim Lenger
Hans-Joachim Lenger/Mittelweg 36
Eurozine
Mittelweg 36
Mittelweg 36 4/2007
2007-09-06
Holografische Kriege
Zur "Echtzeit" des Objekts
/XML/infobox/futureofwarbox.htmSprecher: Seitdem uns der Kosovo-Krieg lehrte, dass die Frage, was Europa ist und wer zu Europa gehören darf, auf dem Boden mit Massakern und ethnischen Vertreibungen, in der Luft dagegen mit satellitengestützter Aufklärung, lasergesteuerten Lenkwaffen und selbststeuernden Marschflugkörpern beantwortet werden soll, steuert jene Allianz von Kino und Krieg, die Paul Virilio zufolge das Geheimnis des einen wie des anderen ausmacht, neue Höhepunkte an. Höchste Zeit also, ins Kino zu gehen und sich vor Ort darüber zu unterrichten, was die Ordnung des Sehens zur Vernichtung eskalieren lässt -- oder worin, um mit Friedrich Kittler zu sprechen, die Geschichte der Filmkamera von Anfang an mit der von automatischen Waffen zusammenfällt. Denn weitere und noch gewagtere Waffengänge stehen heute in Aussicht; demnächst wohl im arabischen Raum. Das Szenario blitzschneller Schläge scheint sich weltweit zu totalisieren, aber das heißt vor allem auch: sich zu medialisieren.
Denn dass Medien Krieg sind und der Krieg in einer Usurpation des Medialen besteht, die dem Medium allerdings stets innewohnte, gehört mittlerweile zu den vertrauten tópoi, mit denen man sich der Genres zu versichern sucht. Aber wenn dies zugleich die Frage der Kunst aufwirft, dann nicht nur, weil sie selbst ihren Platz in der Medien- und damit der Kriegsgeschichte einnimmt. Mehr noch setzt der Krieg Techniken eines identifizierenden Sehens voraus, das den Anderen in Masken der Hostilität oder in der Gestalt des Feindes erscheinen lässt, im Feind-Bild also. Und da werden jene Experten des Sehens nicht ungehört bleiben können, die der common sense "Künstler" nennt und die in diesen Kriegen als Kombattanten unverzichtbar sind.
Jedes Sehen nämlich koinzidiert mit einer gewissen Ordnung oder Anordnung des Lichts, in der erst erscheinen könnte, was sich auslöschen ließe. Und deshalb stand der Vorspann der Twentieth Century Fox, der eben zu sehen war, nicht von ungefähr am Anfang. Enthält er doch alles, wovon im Folgenden die Rede sein wird, wenn seine nervös in den Himmel fingernden Flakscheinwerfer von der Sorge sprechen, es könne von oben etwas zuschlagen, was der Aufmerksamkeit kinematografischer Aufzeichnungsapparaturen oder optisch gesteuerter Abfangsysteme entgeht und so die eigenen Absichten hinterrücks -- und deshalb bestialisch -- durchkreuzen wird. Um nichts anderes als um das, was "hinter dem Rücken" vorgeht, wird es sich im Folgenden nämlich handeln. Wir werden also einen Film zu sehen bekommen, wobei ich mich darauf beschränken will, neben vielen anderen nur eine von mehreren Stimmen zu simulieren, die ansonsten auf Namen wie Jacques Lacan, Carl Schmitt oder Arnold Schwarzenegger hören. Denn ein gewisses Spiel der Verstellung ist unvermeidlich, wo es darum geht, Kriege zu führen. Also zu verbergen, was ist, und nicht weniger zu erfinden, was nicht ist. Dies jedoch verlangt noch eine andere, nämlich weibliche Stimme --
Sprecherin: ... entzünden sich an ihr doch besonders nachhaltig nicht nur alle Phantasmen von Verborgenheit und Verführung, sondern auch jenes Todes, von dem uns nicht zuletzt der Mythos des Narziss spricht. Wie gültig dessen Erfahrung ist, wird sich umso schlagender erweisen, als es sich um einen Dschungelkrieg handelt, zu dem wir nunmehr aufbrechen. Denn wie man in den Wald hineinruft, so schallt es gerade da heraus. Anders gesagt: was in der Ordnung des Lichts oder des Krieges gerade nicht in Erscheinung tritt, kehrt auch hier wie im Mythos des Narziss zunächst als akustisches Phänomen wieder, dem eine Nymphe denn auch den Namen gab: als jene Echo, die unsere Helden auf allen Ebenen heimsuchen wird, oder als Spiegelbild, in dem sich die Ordnung ihres Krieges erst errichtet.
Sprecher: Und darauf kommt es zunächst an. Der Feind nämlich ist, wie wir auch Carl Schmitts "Theorie des Partisanen" entnehmen könnten, "unsere eigene Frage als Gestalt" Carl Schmitt, Theorie des Partisanen, Berlin 1975, S. 87.. Ein bestimmtes "Sein" also, das als Gestalt allerdings schon jener Logik des Opto-Mechanischen unterliegt, auf die Ulrich Sonnemanns Wort von einer "Okulartyrannis" der okzidentalen Denk-Tradition auch nicht schlecht passt. Vgl. Ulrich Sonnemann, Tunnelstiche, Frankfurt am Main 1987, S. 254. Denn was ist von einer "Frage" zu halten, die sich als "Gestalt" entpuppt?
Sprecherin: Und um wessen Gestalt geht es dabei? -- Nun, im vorliegenden Fall beantwortet sich die Frage glücklicherweise von selbst. Nunmehr nämlich betritt unser Hauptreferent die Bühne. Bereits seine körperliche Statur lässt sichtbar werden, was unansehbar ist, und dies, wie mir StudentInnen, die das schließlich wissen müssen, versicherten, auf überaus ansehnliche Weise: nämlich Arnold Schwarzenegger, das Biest. Jenes Biest, das im Folgenden einem anderen Biest ausgesetzt ist, einem Predator. Der war soeben -- wie im Vorspann der Twentieth Century Fox gesehen -- per Raumshuttle auf Mutter Erde niedergestürzt, um dort einer bemerkenswerten Jagdleidenschaft nachzugehen.
Sprecher: Die Bestialität dieses Predators nun dissimuliert sich nicht von ungefähr darin, andere, dem Kino überlegene Bildtechnologien ins Feld des Krieges einzuführen. Worauf militärisch, medial und künstlerisch zu antworten sein wird. Das wird im Übrigen auch medientheoretisch nicht ohne Gewinn sein und ebenso dringend nötige Gender Studies beflügeln.
Sprecherin: Doch der Reihe nach. Stellen Sie sich beispielsweise vor, eine US-amerikanische Einheit von Anti-Guerilla-Spezialisten hätte den Auftrag erhalten, mitten im lateinamerikanischen Dschungel abzuspringen, um eine Gruppe von Geheimnisträgern der CIA herauszuhauen, deren Flugzeug durch subversive Feindeinwirkung in Form einer Boden-Luft-Rakete niedergegangen ist. Dann haben Sie in etwa folgendes Szenario, das seit Coppolas Apocalypse Now Kino-Standard ist:
Sprecher: Den Guerilla-Stützpunkt auszuschalten, in dem zum Zeitpunkt der Dreharbeiten noch sowjetische Militärberater ihr Unwesen treiben -- heute sprächen sie vielleicht arabisch --, gibt diesemRock'n' Roll natürlich keinerlei Problem auf. Dank Luftüberlegenheit, elektronischer Ortungstechnik, dank AWECs, Nachtsichtgeräten, satellitengestützter Gestalterkennung und Infrarot-Optik beim Bodenkrieg, die den Partisanen und seine chthonische Aktivität ausmachen können, ohne selbst ausgemacht zu werden, gelingt es Arnold Schwarzenegger und seinen Spezialisten, und zwar ohne Verluste, wie sich von selbst versteht, Holografische Kriege das subversive Dschungelcamp vollständig einzuäschern. Wir schenken uns das hier, denn nicht um Probleme der Pyrotechnik geht's. Worauf es ankommt, ist Folgendes: Luftaufklärung, satellitengestützte Hochleistungs- Optik und Infrarot-Technik ermöglichen es, zu sehen, ohne gesehen zu werden. Und diese Überlegenheit des Blicks erlaubt Überraschungsangriffe von oben her, denen eine tellurische Logik des Dschungelpartisanen wenig entgegenzusetzen hat. Unsere Task Force schaltet das Nachtsichtgerät ein und hat umso durchschlagenderen Erfolg. Lediglich eine Frau wird nicht dahingemetzelt, sondern gefangen genommen; denn wer schießt schon auf Frauen? Doch eben, mit dieser Dame beginnen die Dinge denn auch, eine gewisse Wende zu nehmen.
Mit jener Präzision, die amerikanischen Drehbuchautoren stets die Feder führt, wenn sie zur Tat schreiten oder das Leben selbst sprechen lassen, hat der Film nämlich nunmehr, nach den vorgeschriebenen zwanzig Minuten, seinen ersten Plot-Point erreicht. Wie jeder Plot-Point, so besteht auch dieser darin, dass er unsere Helden in eine Falle laufen lässt -- jener Falle täuschend ähnlich, die sie dem Feind zu Anfang gestellt hatten. Eine Falle des Optischen also, des Sehens und Gesehenwerdens.
Sprecherin: Unvermittelt nämlich stellt sich heraus, dass unsere Anti-Guerilla-Spezialisten -- bislang Herren des Sichtbaren -- ihrerseits einer Sichtbarkeit ausgesetzt waren, die ihrer Kontrolle gerade nicht untersteht. Einer Sichtbarkeit, die sie aus dem Dschungel her angeht, aus dem Dschungel her erfasst, ohne selbst sichtbar zu sein oder fassbar -- ihnen jedoch dabei, um eine vorsichtige Metapher zu verwenden, unter die Haut fährt. Ein kleiner Zusammenschnitt mag demonstrieren, worum es sich handelt:
Sprecherin: Nicht von ungefähr ist zunächst die Haut unserer Kombattanten bevorzugtes Angriffsziel jener anonymen Bestie, jenes Predators, mit dem sie es nun zu tun kriegen. Appelle an die Mutter Gottes und Feststellungen wie die, wer so unter die Haut fahre, könne kein "Mensch" sein, liegen zwar längst im Schwarzen...
Sprecher: ...doch beruhigen sich unsere Spezialisten bis auf weiteres mit der irrigen Vorstellung, lediglich gegen eine Guerilla angetreten zu sein, die ihren Carl Schmitt nicht gelesen hat. Dabei signalisiert aber doch schon der Entzug oder Abzug der Haut, dass sich der Krieg, in den sie da geraten sind, nicht mehr im Rahmen von Gestaltungen bewegt, sondern um die Sichtbarkeit selbst geführt wird. Und damit um die Haut. Sie hat bei Lacan nicht zufällig in einer Liste von Objekten Aufnahme gefunden, die in diesem Zusammenhang ein gewisses Privileg genießen; Lacan also schreibt über die Erotik und den Krieg:
Sprecherin: "Hier tritt das Sein auf großartige Weise auseinander in Wesen und Schein, in es selbst und in diesen Papiertiger, den es zur Schau stellt. Handele es sich nun um die Parade, bei den Männchen meistens, oder um jenes grimassierende Aufplustern, mit dem das Kampfspiel zur Einschüchterung wird, das Wesen gibt von sich oder erhält vom andern etwas, das Maske, Doppel, Hülle, abgelöste Haut, losgelöst zur Bedeckung eines Schildrahmens, ist." Jacques Lacan, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Das Seminar Buch XI, Weinheim, Berlin 1987, S. 114.
Sprecher: Erst die Maske, die Hülle, die abgelöste Haut also erlaubt, auf den Schildrahmen gespannt, die militärische Aktion.Wer dagegen, wie unsere Dschungel-Spezialisten, mit etwas konfrontiert wird, was ihm die Haut abzieht und damit um die Möglichkeit bringt, überhaupt noch etwas zur Schau zu stellen oder auf Schilde zu spannen, steht nicht nur militärisch vor einem Problem. Denn mit der Haut zerfällt auch jene Gestalt, die -- Carl Schmitt zufolge -- der Ordnung des Krieges im Feind- Bild die Geschlossenheit einer Frage erst verleiht. Grund genug für unsere Spezialisten also, eine fundamentaleRegelverletzung zu konstatieren:
Sprecher: Jetzt also wird abgerechnet. Schließlich steht mit der Haut der Krieg selbst auf dem Spiel, wie er dem Völkerrecht von Techniken des Kinos vorgeschrieben worden war. Die besagen zwar, dass 24-mal pro Sekunde geschnitten wird. Aber der Hautfilm selbst muss dabei intakt bleiben, um ungestört weiterlaufen zu können. Anders gesagt: wäre der Krieg nicht mehr anschaulich, so würde dies die Regisseure der Generalstäbe ebenso wie die großen Studios um den Überblick und damit um das Kommando bringen. Wer seine Haut verliert, wird nämlich nicht nur aus der Ordnung des Imaginären katapultiert, in der sich etwas zur Schau stellen ließe. Er ist prinzipiell kriegsuntauglich geworden, und das heißt: auch für Kino-Filme nicht mal mehr als Reservist zu gebrauchen. Denn er zerfällt, wie gerade gesehen, in bloßen Abfall aus Innereien und jene Erkennungsmarke, die seinen Namen und eine Dienstnummer trägt: in Reales und Symbolisches also, wie der Lacan'sche Diskurs es will. Was schließlich könnte realer sein als dieser Haufen von Innereien? Und was könnte markanter als die Erkennungsmarke das Symbolische einführen? Ihre Zerbrechlichkeit oder Teilbarkeit erfüllt nicht von ungefähr alle Bestimmungen, mit denen Lacan das Symbolische auszeichnet. Zerbrechlich, teilbar, zirkuliert sie nun unter denen, denen sie zugefallen ist, kehrt an ihren Platz zurück,wenn auch in einer etwas kurzschlüssigen Weise, wie sich zeigen wird. Zunächst nämlich wird, da es an Gestalt und folglich an Krieg fehlt oder am Imaginären mangelt, das sich symbolisieren ließe, zum Rückzug geblasen.
Sprecherin: "Dreh' dich um" -- nichts dringender als das, wenn man eine renitente Gefangene nicht bändigen kann und überdies einen Skorpion im Nacken sitzen hat. Den man nämlich auch dann nicht zu sehen kriegt, sobald man sich umgedreht hat. Ein anderer muss einen vom lästigen Krabbeltier befreien; einer, der noch im Rücken des Skorpions steht und ihn deshalb sehen und aufspießen kann. "Dreh dich um" -- das wird dann ebenso notwendig, wie es doch andererseits ohne jedes Ergebnis bleibt. Unheimlich ist es niemals vorn, im Blickfeld. Unheimlich bleibt es hinterrücks, dort, wo etwas zu nah ist, als dass es sich sehen ließe, selbst wenn man sich umgedreht hat. Und dies macht denn einen einfachen Rückzug auch militärisch unmöglich. Wo im Wald geht's nach vorn, wo zurück? Die leibliche Präsenz des Feindes fehlt. Er hat sich mit dem Wald verschmolzen. Hänschen klein kennt sich nicht mehr aus, sobald in Krieg und Erotik mit der Sichtbarkeit derart auch der Überblick verloren geht. Das lässt sich nur noch verdrängen oder in unserem Fall auf das Niveau von Zoten bringen, mit denen sich die Truppe dann in Kampfpausen bei Laune hält. Ganz so, wie Lacan die Haut, auf den Schildrahmen gespannt, als Manöver in Krieg wie Erotik nachzeichnet, verschiebt der Söldnerhumor ins Obszöne, womit er es zu tun oder nicht zu tun hat:
Sprecherin: Was also widerfährt unseren Spezialisten, die derart rabiat aus der Position vertrieben wurden, in der sie sich als Herren des Sichtbaren aufführen konnten? Nun, im Grunde nichts Außergewöhnliches. In gewisser Weise ist das Sehen nämlich immer schon hintergangen worden, steckt es in einer Falle, aus der es nicht herauskommt. Denn gewiss, ich stehe vor einer Landschaft, die ich sehe. Sie spannt sich vor mir aus, stellt sich als Panorama dar, das sich um mich errichtet und mich umgibt ...
Sprecher: ...und doch: als Sehender stehe ich doch nicht vor dieser Landschaft, sondern in ihr. Sie muss mich bereits erfasst, erblickt, positioniert haben, bevor ich sie sehen kann. Deshalb geht es bei Lacan um jenen Chiasmus, der das Sichtbare durchkreuzt hat. Er versetzt das Subjekt des Sehens in einen gewissen Status der Ohnmacht, der das Spiel seines Sehens erst ermöglicht. Und zwar deshalb, weil es von dem, was es sieht, selbst bereits angesehen, angegangen wird, ohne das Wie dieses Sehens seinerseits sehen zu können.
Sprecherin: Das Sehen geht also aus einer Art Blindstelle hervor, die mich bereits im Feld des Sehens positioniert hat und beständig bedrängt oder sogar auf mich eindringt. Und dieses Drängen schneidet die Subjekt-Position und versetzt sie in ein gewisses Gleiten. Lacan spricht uns deshalb davon, das Subjekt mache unter diesem Drängen, unter diesem Schnitt einen "Fleck". Was von jener Mimikry oder Maskerade ja technisch bestätigt wird, die nicht nur amerikanische Spezialeinheiten veranstalten, wenn sie ihre Gesichter mit einem Tarnanstrich versehen. Der dehnt den Pointillismus ihrer Kampfanzüge auf die Haut aus -- und lässt sie so buntscheckig werden, wie es der Hintergrund ist; Lacan also schreibt:
Sprecher: "Die Mimikry gibt insofern etwas zu sehen, als sie von dem, was man ein es-selbst nennen könnte, was dahinter wäre, sich unterscheidet. Ihr Effekt ist Tarnung, verstanden in einem rein technischen Sinn. Dabei geht es nicht darum, dass etwas mit einem Hintergrund übereinstimmt, sondern: dass etwas auf einem buntscheckigen Hintergrund selbst buntscheckig wird -- es verhält sich damit genauso wie bei den Tarnmanövern in den Kriegen der Menschen."4 Vgl. ebd., S.106.
Sprecherin: Doch was ist das -- ein "Hintergrund"? Und was ist im Rücken des Kämpfers, was die Mimikry in Szene setzen lässt? "Dreh dich um" -- diese kameradschaftliche Empfehlung begleitet den Einsatz unserer Spezialisten jedenfalls von nun an wie ein Tagesbefehl an die Truppe. Jede weitere Stufe der militärischen Eskalation wird durch diese Empfehlung eingeleitet.Wo das Sehen immer schon hintergangen worden ist, wird das Subjekt der Zentralperspektive aus dem Rücken wie von einem Tod bedroht. Er präsentiert sich zunächst als Skorpion, der einem im Nacken sitzt und bekanntlich selbst hinterrücks zusticht. "Dreh dich um" -- das wird unter solchen Umständen zur Anweisung, jenes Chiasmus' ansichtig zu werden, der sich -- kaum erblickt -- als Bestie erweist, die das cartesische Subjekt der Zentralperspektive hinterrücks perforiert. Sprecher: Und damit einen gewissen Narzissmus des Sehens. Denn dass es aus dem Wald herausschallt, wie man hineinruft, in dieser Erfahrung oder Nichterfahrung des Narziss zeichnet sich bereits ein gewisser Tod ab. Dies umso mehr, wo man es mit einem Biest zu tun hat, das sich in holografischer Projektion vom Wald fast ununterscheidbar zu machen weiß und die Nymphe Echo restlos militarisiert, weil digitalisiert hat. Was als Chiasmus im Feld des Sehens erscheint, wird von der außerirdischen Echo namens Predator jedenfalls perfekt maschinisiert. Wo unsere Task Force immer noch den Gesetzen des Kinos, analogen Techniken der Bildverarbeitung oder einem kriegerischen Ordo Carl Schmitts vertraut, das auf feindlicher Gestalterkennung aufsetzt, da ist mit Techniken digitaler Tonmanipulation und Bilderzeugung in Echtzeit etwas ins militärische Szenario eingebrochen, was die Nymphe Echo zum überlegenen Kombattanten auf den Schlachtfeldern der Zukunft macht. Unter solchen Bedingungen bleibt unseren Spezialisten zunächst nur, das Sturmgewehr im Anschlag, vor die Romantik der Kulisse zu treten wie Naturbetrachter auf Gemälden Caspar David Friedrichs:
Sprecher: Dies allerdings bringt die Sache auf ihren ontologischen Begriff. Wenn unser Indianer-Scout Billy nämlich, an seinem Medizinbeutel nestelnd, zu verstehen gibt, im Wald sei etwas, doch er nehme an (also entgegen), das sei Nichts, so spricht er, als hätte er das Seminar Lacans besucht. Mag er also mit künstlerischer Magie und anderem Zauber hantieren -- es hilft doch nichts gegen das Nichts, das er da entgegennimmt.
Sprecherin: Weder Form noch Stoff, ist der Blick, unter dem er steht, nämlich gerade deshalb auch nicht beherrschbar. Jenem Blick ausgesetzt, den er nicht setzen kann, widerfährt dem heldischen Subjekt ein erster Anflug von Ohnmacht, um es schließlich außer Gefecht zu setzen. Was folglich einen Sturz ankündigt, der sich in vertrauten Begriffen nicht mehr abfangen lässt.
Sprecher: Nicht umsonst schließlich ist das Holz des Waldes, in dem der Krieger steht, auch etymologisch mit jener aristotelischen hyle verwandt, die als bloßer Stoff auf ihre Form oder morphé wartet, in der sie Gestalt annehmen könnte. Doch wird ein solches Rendezvous, wie uns der Indianer überzeugend versichert, bereits durchkreuzt von jenem Nichts, gegen das kein Kraut gewachsen ist, und sei es das philosophischer Begriffe.
Sprecherin: Ganz folgerichtig trifft es in dieser fundamentalen Konfusion deshalb auch zunächst den guten Hawkins -- jenes Hänschen klein, das unsere Spezialisten in Kampfpausen mit Zoten über seine Freundin bei Laune gehalten hatte. Ein Augenblick der Unaufmerksamkeit nur, und die gefangene Partisanin nimmt Reißaus, sieht sie doch keinerlei Anlass, sich bei dieser Task Force irgendwie in Sicherheit zu wähnen. Hänschen klein läuft hinterher, und schon ist es passiert:
Sprecherin: Der Befund scheint eindeutig, und das heißt: verwirrend genug. Was unsere Spezialisten da holt, ist vorerst nur als "Wald", als Holz, als hyle oder Stoff zu identifizieren. Dabei geht es zum Angriff über wie die Bäume Birnams auf Macbeth, und zwar hier wie dort geschützt durch Techniken einer Mimikry, die Lacan zufolge im Krieg nicht weniger herrschen als in der sexuellen Nicht-Beziehung einer Beziehung. Umso nichtsahnender aber lässt sich unsere Task Force, auch hierin ganz Macbeth, ein X für ein U vormachen. Ein erneutes Mal wird die gefangen genommene Partisanin für den ganzen Schlamassel verantwortlich gemacht, in den unsere Truppe da geraten ist.
Sprecher: Theorielastig wie alle Schwarzenegger-Filme, geizt auch dieser jedenfalls nicht mit schockierenden Einsichten. Denn tatsächlich macht keinen Sinn, was die blutüberströmte Dame unserem Team mitzuteilen hat, doch nicht nur, weil sie es ist, die spricht, und Frauen ohnehin nur Unsinn reden. Ganz im Gegenteil. Längst spricht aus ihr jene Logik einer grandiosen Konfusion, die unsere Spezialisten selbst gepackt hat. Sie versetzt das Gefüge von Form und Stoff wie die von Signifikant und Signifikat in eine Art Aufruhr, der nicht nur eine gewisse Phänomenologie des Sprechens, sondern auch alle bisherige Kunst und Mimikry grenzenlos überfordert. Zur Gestalt will sich nicht fügen, zur Form nicht werden, was da zuschlägt, weil es sich als Nichts eben nur entgegennehmen lässt und doch nicht entgegennehmen lassen will. Weshalb unseren Spezialisten auch nichts anderes bleibt, als weiterzumachen, wie sie's gelernt haben, während sie dezimiert werden.
Sprecherin: Insofern also bleibt alles beim Alten. Die militärische Expedition, die sich bei jedem Kontakt dezimiert sieht und darauf antwortet, indem sie ihre Projektile wie Blicke durch den Wald mäht, versammelt sich nach getaner Arbeit nur ein weiteres Mal vor der Kulisse, so als hätte ihr Caspar David Friedrich den Pinsel geführt. Doch immerhin, das Aufleuchten der Augen und ihr Verschwinden im holografischen Feld des Sichtbar-Unsichtbaren indizieren bereits, dass hier etwas zur Entscheidung kommen wird, was sich vor allem auf der Ebene von Raum und Objekt zuträgt. Insofern ist der theoretische Gewinn, der sich daraus ziehen lässt, auch erheblich. Er betrifft den "Hintergrund", das Sehen und das Auge. Zurück also ins psychoanalytische und kunsthistorische Seminar:
Sprecher: All dies ist fast wörtlich auch bei Lacan nachzulesen. Augen, die sich dem Sehen entziehen, also ein Gesehenwerden halluzinieren lassen, münzen die Ohnmacht des Ego schließlich auch militärisch aus. Sie markieren im Sichtbaren, was die Logik des Imaginären ebenso übersteigt wie analoge Techniken der Bildverarbeitung. Schamanistisches Fitzliputzli mit Medizinbeuteln oder Naturästhetik à la Caspar David Friedrich mögen da vorübergehend ein Gefühl der Vertrautheit vermitteln. Aber das währt nicht lang. Der Einbruch nichtanaloger, also digitaler Techniken im Medienverbundsystem macht selbst zur Waffe, was bei Lacan das "Symbolische" hieß. Und dies degradiert Akustik, Bildfindung und Kinematografie zu bloßer Folklore. Allerdings -- das Symbolische muss schließlich digital gerechnet werden, und das geht auch nicht ganz ohne Schwierigkeiten ab.
Sprecherin: In seiner "halbtechnischen Einführung" in die Computergrafik, die auch im Internet abrufbar ist, führt uns Friedrich Kittler überzeugend die Schwierigkeiten vor Augen, die digitale, also symbolverarbeitende Maschinen damit haben, in begrenzten Rechenzeiten etwas vor Augen zu führen, was so aussieht, als wäre es vorhanden. Oder, was dasselbe ist: als wäre es nicht vorhanden. Denn darauf kommt es noch drängender bei kriegerischen Konflikten an, die sich bekanntlich immer weniger in zwei Dimensionen darstellen lassen. Lacans buntscheckiger Hintergrund wirft das Problem noch aus einer Perspektive des "Davor" und "Dahinter" auf. Die aber stellt möglicherweise ein wenig zu sehr auf die Anordnungen von Malerei und Stellungskrieg ab, als dass sie bei modernen Bewegungskriegen noch hilfreich sein könnte -- um von Auseinandersetzungen im Dschungel der Signifikanten zu schweigen, die ein "Davor" und "Dahinter" erst recht nicht mehr kennen.
Sprecher: Anders gesagt: das künstlerische ebenso wie das militärische und medientechnische Problem besteht darin, sich nicht mehr nur in die Fläche eines Hintergrunds einzuschreiben, sondern "Objekte im Raum" zu dissimulieren. Die müssen jedoch nicht nur von vielen Beobachterpositionen gleichzeitig, sondern auch in Bewegung aussehen, als gäbe es sie gar nicht. Es geht also darum, wie uns der Predator ja auch vorführt, sich selbst als Objekt in "Echtzeit" zu dissimulieren. In solchen holografischen Kriegen, die Objekte in "Echtzeit" berechnen und projizieren, eskalieren die Rechenzeiten digitaler Maschinen natürlich in exponentieller Weise. Sie lassen zweidimensionale Bildberechnungen mittels Raytracing und selbst Radiosity fast schon als Probleme erscheinen, die sich zur Not auch mit dem Rechenschieber lösen lassen. Doch auch, wenn es flimmert und flackert, was er da rechnet: offenbar verfügt der Predator in all seiner Bestialität über entsprechende Prozessor- und Speicherkapazitäten. Umso drängender wird also die Frage, auf welcher Ebene sich ihm noch antworten ließe. Was hieße es, sich unter Bedingungen "umzudrehen", in denen der Feind Objekte im Raum in Echtzeit dissimuliert oder den "Hintergrund" digital unterlaufen hat? Zum wiederholten Mal also: "Dreh dich um!"
Sprecherin: Offenbar sind unsere Spezialisten mittlerweile dabei, eine gewisse Grenze zu überqueren. Sich umzudrehen, das bedeutet nunmehr, sich dem Dschungel gleichsam einzuverleiben. Man könnte auch sagen: zum Leibphänomenologen zu werden. Die erstaunliche Performanz außerirdischer Datenverarbeitung jedenfalls kann nur überboten, der Predator nur sichtbar werden, wenn man selbst zum Objekt wird, also noch dessen Dissimulation dissimuliert. Erst ihr Zum-Dschungel-Werden versetzt unsere Spezialisten in eine Position, die den Horizont des Bildes verlassen hat, also die Frage der Malerei auch kunsthistorisch übersteigt und Aussagen wie die soeben gehörten zulässt: "Ich sehe dich. -- Ich sehe ihn." Denn eben, dies ist auf der Ebene des Bildes nicht mehr zu machen. Es verlangt nach Kunstformen, die das Tafelbild und seine zweidimensional konfigurierten Probleme von Mimesis und Mimikry verlassen haben. Incipit Performance.
Sprecher: Allerdings bedarf es keines Hinweises darauf, dass diese Grenze zur Performance hier nur berührt, noch nicht überschritten wurde. Noch tragen die Herren schließlich Uniformen; noch vertrauen sie auf die Durchschlagskraft ihrer Sturmgewehre; und noch sind sie, obwohl oder weil derart armiert, so etwas wie phänomenologische Subjekte oder Subjekte einer gewissen Phänomenologie. Umso weniger aber überrascht es auch, dass sie, derart begrenzt, auch weiterhin dahingerafft werden, Mann für Mann, bis zu jenem Punkt, an dem Arnold Schwarzenegger allein im Wald steht -- um freilich eine erstaunliche Metamorphose durchzumachen. Nicht von ungefähr fällt dabei Mutter Erde die Schlüsselrolle zu, was denn auch alle Beziehungen von Sehen und Gesehenwerden ebenso umkehren wird wie die bisherigen Anordnungen des Geschlechter- und Kriegsverhältnisses. Plot-Point 2 also: Eröffnet wird er durch einen Sturz, der unseren Helden in jenen Freud'schen Gewässern aufschlagen lässt, die allemal Geburtsvorgänge einleiten; man konsultiere nur die Traumdeutung oder Freuds Mann Moses und die monotheistische Religion Vgl. Sigmund Freud, Der Mann Moses und die monotheistische Religion, Studienausgabe Bd.IX, Frankfurt am Main 1974, S. 463. -- ders., Die Traumdeutung, Studienausgabe Bd. II, Frankfurt am Main 1974, S. 390-92 und S. 394.. Turbulent, wie der Weg durch den Geburtskanal von Natur aus ist, versetzt er Schwarzenegger im Handumdrehen in eine neue und, wie sich zeigen wird, auch militärisch unangreifbare Position. Bei dieser Geburt amalgamiert sich sein makelloser Körper nämlich mit jener Materie, die schon etymologisch einer gebärenden Mütterlichkeit korrespondiert oder Schlamm und Boden mit einer gewissen Imago der Frau verschränkt hat. Nur auf diesem Umweg kommt unser Held aus dem Hintertreffen heraus, in dem wir ihn bisher erlebten; oder kunsthistorisch, was freilich aufs selbe hinausläuft: nur so kann er die Sphäre des Bildes verlassen und definitiv in die Ordnung von Objektkunst und Performance eintreten.
Sprecherin: Der militärische Gewinn dieses Umstands allerdings ist beispiellos. Die Positionen scheinen sich zu verkehren. Jetzt wäre es nämlich am Außerirdischen, sich umzudrehen. Nur würde er dabei ebenso wenig zu sehen bekommen wie zuvor Schwarzenegger von ihm. Mit Schlamm nämlich hat es der Alien jetzt zu tun, mit jenem Dreck, der unseren Helden umgibt und maschineller Gestalterkennung undurchdringlich bleibt. Offenbar ist dieser Dreck keineswegs bloßes Bild; ebenso wenig aber ist er einfach etwas Reales. In ihm inkarniert sich viel eher eine Art Mutter-Imago aus Muttererde, die aufs Objekt übergesprungen ist. Sie nimmt Gestalt gerade darin an, Schwarzenegger in die Gestaltlosigkeit eines gewissen Informel einzutauchen, um ihn daraus wie neugeboren aufsteigen zu lassen. Offenbar wohnen wir also einer gewissen Feminisierung unseres Helden bei, die jedoch -- weit davon entfernt, ihn aus der Ordnung des Krieges zu katapultieren -- in dessen Zentrum erst hineinführt. Auf der Ebene einer bestimmten Verweiblichung wird sich der Krieg nämlich totalisieren und schließlich auflösen. Doch wer könnte es Schwarzenegger verdenken, derart zum Äußersten zu gehen? Die Metamorphose, die er vollzieht, entspricht vollauf den Erfordernissen der künstlerisch-medialen und militärischen Lage. Wo sich der außerirdische Predator um analoge Kino-Techniken, Völkerrecht und Schmitt'sche Gestalterkennung einen Dreck schert, wird ihm eben auch mit Dreck geantwortet werden müssen. Dessen Vorzug besteht darin, aus der Vermütterlichung einer bestimmten Materialität etwas zu gewinnen, was den Krieg im Handumdrehen total werden lässt.
Sprecher: In anderen Worten: auch Schwarzenegger vergisst auf dieser Stufe der Eskalation, was er einst bei Carl Schmitt gelesen hatte. Seine künstlerische Performance, sein Zum-Holz-Werden, Zu-Schlamm-Werden entzieht dem Krieg seinerseits Haut, Sichtbarkeit und Gestalt. Dies verleiht dem chthonischen oder tellurischen Element des Partisanen nicht nur unverhoffte Bodenhaftung oder gar Tiefe, einer kunsthistorischen Reflexion von Fragen der Performance nicht nur neue Nahrung. Mehr noch: die Einführung von Dreck ins Medienverbundsystem macht Carl Schmitts "Hegung des Krieges" definitiv zur bloßen Reminiszenz. Nunmehr geht es sozusagen ans Eingemachte, und zwar strikt medienanalytisch und kunsthistorisch. Hatten sich digitale Techniken der Dissimulation dem Bild, dem Kino und dem Völkerrecht als grenzenlos überlegen erwiesen, so bieten Feminisierung und Ökologisierung des militärischen Arsenals beste Aussichten, ihrerseits noch die Ordnung des Digitalen zu überbieten und dem extraterrestrischen Spuk ein definitives Ende zu setzen. Alle Technologien versagen, sobald der Urschlamm selbst aufsteht.
Sprecherin: Das genüsslich ins Bild zu setzen, verabsäumt Schwarzenegger natürlich nicht. Vielleicht erinnern Sie sich ja jener Anamorphose eines Totenschädels, die Lacans Seminar in den Gesandten Holbeins als Index einer Nichtung des Subjekts im Reich der malerischen Zentralperspektive entzifferte -- oder als phallisch-symbolische Instanz eines Mangels, der das Subjekt streicht. In diesem Fall werden Sie es zu schätzen wissen, dass nackte Totenschädel auf der Ebene jener Eskalation, die im Dschungelkrieg mittlerweile eingekehrt ist, zum Sammlerobjekt außerirdischer Touristen werden, während unser klug gewordener Held längst dabei ist, sich eine Schlamm-Maske zu verpassen:
Sprecherin: Hier die kahlen Schädel; dort der unter feuchter Erde verschwindende unseres Helden. Erwartungsgemäß geht der folgende Schlagabtausch erstmals zugunsten Schwarzeneggers aus. Unsichtbar geworden, kann er den Außerirdischen nunmehr selbst ins Visier nehmen. Der Dreck, von digitaler Echtzeit-Projektion als Abfall des Realen verworfen, wird ihm zur absoluten Waffe, sobald eine gewisse Mutter- Imago sich seiner bemächtigt oder kriegstauglich wird. Wir übergehen die Schlägereien, die daraus hervorgehen, ein weiteres Mal; denn entscheidend ist etwas anderes.
Sprecher: Analysiert man nämlich die neue militärisch-künstlerische Lage, so entgeht sie nicht nur Carl Schmitts beschwörerischer Bestimmung, die im Feind die Gestalt der eigenen Frage sistieren wollte. Sie entzieht sich auch, was freilich aufs selbe hinausläuft, der Ordnung des Kinos, in dem wir schließlich sitzen. Denn ebenso unanschaulich wie eine digitale Objekt-Dissimulation in Echtzeit ist nunmehr auch der Schlamm, den Schwarzenegger ins Feld führt. Die Auseinandersetzung beginnt damit, sich in ein Feld zu bewegen, das auch kinematografisch nicht mehr darstellbar sein wird. Sobald sich der Predator in holografischen Bildsimulationen, Schwarzenegger im Schlamm des Mutterbodens von der Leinwand verabschiedet haben, könnte Krieg bald kaum noch stattfinden. Bald wäre nichts mehr zu zeigen außer beschwörerischen Kamera-Zooms in den Wald, wie man sie schließlich auch aus Schul-Lehrfilmen über das Leben des Borkenkäfers kennt. Wo sich die Gestalt der eigenen Frage derart in nichts auflöst, werden mithin die Grenzen von Krieg und Kino selbst berührt. Und wie um McLuhans Satz zu bewahrheiten, das Medium selbst sei die Botschaft, muss der eskalierende Bildzerfall an diesem Punkt abgebrochen werden, um Kino zu bleiben und damit Krieg, der im Feind die Frage der eigenen Gestalt aufwirft.
Sprecherin: Praktisch gesagt: um Kino bleiben zu können, müssen die Kombattanten sich digitaler Techniken ebenso entledigen wie jenes Drecks, mit dem Schwarzenegger ihnen antwortet. Um die Darstellbarkeit des Krieges zu retten, muss die Gestalt der Kombattanten durch einen Kunstgriff der Dramaturgie wiederhergestellt werden. Nur so kann sich jener Showdown Mann-gegen-Mann in Szene setzen, für den wir an der Kinokasse schließlich bezahlt haben. Es bedarf einer Restauration der Gestalt, die einen zweiten Wassersturz Schwarzeneggers erforderlich macht. Eine erneute Badeszene also, die ihm den Schlamm abwäscht und ihn schlagartig in die Ordnung des Kinos zurückversetzen wird: jetzt, beim zweiten Mal, lässt diese Geburt ihn prompt wieder Gestalt annehmen; oder aber: in den Kulissen romantischer Malerei landen, auf die auch ein extraterrestrischer, digitaler Scan wieder Zugriff hat. Das Resultat dürfte klar sein:
Sprecherin: Man wird diese Wendung der Dinge zu Recht ein wenig enttäuschend finden. Freundlicherweise entledigt sich auch der Alien seiner Montur, um eine Visage zu zeigen, die das Spinnenmaul mit der Vagina dentata montiert. Vom Schlamm befreit wie von holografischer Bildprojektion, tritt sich die Bestie Mensch entgegen, um Carl Schmitts Gestalt der eigenen Frage mit der Auskunft zu bescheiden, es sei hässlich, was sich da zu sehen gebe.
Sprecher: Eine bestimmte Ästhetik scheint damit zu triumphieren. Digitalität und Schlamm nehmen sich zurück, um dem Showdown Mann gegenMann Platz zu machen. Und doch sind wir mit alldem den vergangenen und laufenden Ereignissen näher, als uns lieb sein könnte. Hatte doch zum Beispiel auch Jürgen Habermas seinerzeit in der Wochenzeitung Die Zeit die Kriegstauglichkeit seiner Philosophie der "kommunikativen Kompetenz" unter Beweis gestellt, indem er seinen Artikel auf Seite 1 mit "Bestialität und Humanität" überschrieb, weil er den Krieg "an der Grenze zwischen Recht und Moral" wähnte. Dabei übernahm die jugoslawische Seite natürlich den Part des Bestialischen, die in souveränen Höhen einschwebenden Bomberverbände der NATO den des Humanen. Neuerdings, im Zusammenhang des Afghanistan-Krieges, ist denn auch von taktischen Atomwaffen zu hören, die demnächst eingesetzt werden sollen. Sie werden eine Guerilla buchstäblich aus jenen Bergen brennen, in die sie sich verkrallt haben könnte. Entscheidend daran ist, dass die vermeintlich archaischen Kriegsmytheme von Wald, Boden, Schlamm und Dickicht nicht etwa archaisch sind, sondern modernen Mediendispositiven selbst entspringen. Waffentechnologien sind es, die sie generieren.
Sprecherin: Wo computergesteuerte Kriege dazu tendieren, ihre Objekte in "Echtzeit" zu berechnen, bleibt dem Feind nur noch, im Mutterboden zu verschwinden. Der Krieg vollzieht nach, was sich zunächst als jene Spaltung von Auge und Blick in Szene setzte, deren Überschreitung das Kino allerdings auch implodieren lässt. Medientheorie, die sich darüber hinwegsetzen würde, verbliebe selbst noch im Kino. Von nichts anderem sprechen uns die Ereignisse, von denen die Tages-Nachrichten voll sind. Die Bestialisierung des Feindes folgt einer Logik, die jene des Mediums selbst ist. Der Krieg vollzieht nur nach, was zwischen Film und Computer gewisse Entscheidungen herausfordert. Irgendetwas inkarniert das Symbolische im Computer, um eine Entmenschung oder Bestialisierung eskalieren zu lassen, die umso grotesker ist, als sie im Zeichen der Menschenrechte und ihrer Verteidigung selbst stattfindet. Ein happy end, das dem Kino vorgeschrieben ist, ist den Szenarien eines solchen Krieges allerdings keineswegs selbstverständlich. Der dramaturgische Kunstgriff, durch einen zweiten Wassersturz oder eine zweite Geburt Schwarzeneggers zu widerrufen, was man doch zuvor als Krieg eines Verschwindens in Szene setzte, steht Generalstäben schließlich nicht ohne weiteres zu Gebote.
Sprecher: Doch gottlob, im Kino bleibt das möglich, und damit auch die Perspektive, den Krieg auf der Leinwand in jene Gefilde einer Hegung zurückzuführen, von der Carl Schmitts "Gestalt der eigenen Frage" sprach. Insofern verwundert auch nicht, wenn es Schwarzenegger gelingt, sich seiner eigenen Bestie letztendlich zu entledigen, indem er den Wald selbst zur Waffe macht. Hingestreckt durch den Schlag eines Baumstamms, den amerikanisch adaptierte Holz- und Guerillatechnik niedersausen ließ, löst sich der Predator am Ende im Lichtblitz nuklearer Selbstzerstörung auf -- doch nicht, ohne dem Narziss ein letztes Mal seine Echo gegeben zu haben und sich sodann mit jenem Lachen zu verabschieden, das er anfangs digital aufgezeichnet hatte.
Sprecherin: Romeo Grünfelder, der die Filmsequenzen digital am AVID schnitt, ist der Hinweis zu verdanken, dass der Atompilzdschungel, der sich da zum Schluss aus Hubschrauber-Perspektive zu sehen gibt, tatsächlich gemalt ist. Erst die Arbeit am digitalen Schneidetisch zeigt das; aber wie auch sonst könnte es sich zeigen?
Sprecher: Strikt mediengenealogisch endet das Spektakel also, wo es begann: im Schlachtenpanorama einer Tafelmalerei, die allerdings erst in digitalen Medien entzifferbar wird. Kommt in der doppelten Geburt Schwarzeneggers einerseits zum Tragen, was man seine Verweiblichung nennen könnte, so führt gerade sie auch zurück in eine Wiederherstellung des Bildes und damit einer bestimmten Ordnung des Krieges. Hierin determiniert sich nicht zuletzt ein gewisser "Feminismus", der nichts weniger als up to date sein könnte, und zwar in Krieg und Erotik. Nebenbei bemerkt, scheint das Spiel mit einer gewissen Verweiblichung die Vernichtungswut Hollywoods nämlich auch ansonsten zu inspirieren, namentlich die Schwarzeneggers. Nicht von ungefähr ist der protestantisch aufgeladene Mutterschoß auch im Terminator II das geheime Zentrum, um das sich alles dreht. Diesen Hinweis verdanke ich Peter Sloterdijk, Medien-Zeit. Drei gegenwartsdiagnostische Versuche, Stuttgart 1994, S. 36 und 40. Überall aber geht es darum, kein Bild mehr zu präsentieren, denn darin besteht die Angreifbarkeit selbst. Das Lamento darüber, es seien von den gegenwärtigen Kriegen so wenige oder eigentlich gar keine Fernsehbilder zu sehen, findet hier seine Begründung. Denn es hat nicht so sehr damit zu tun, dass Pentagon oder NATO Bildzensur ausüben würden. Vielmehr mangelt es in einem bestimmten Sinn an Krieg und deshalb an Bildern, wo digitale Waffentechnologien in der Luft, tellurische Versenkung ins Reich der Erde auf dem Boden eine Logik der Vernichtung freisetzen, die nicht mehr Kino-Standards gehorcht.
Und doch -- spricht uns Schwarzenegger, ebenso philosophisch wie kunsthistorisch, nicht zugleich auch von Holzwegen, die solche Oppositionen durchkreuzen könnten? Zumindest den Status von Bildern stellt er in Frage, aus denen sich die Kriege zurückziehen und in denen sie doch immer wieder Bild und Gestalt annehmen müssen, um Kriege zu bleiben. Hier dürften sich vielleicht Ent-Täuschungen im Wortsinn abzeichnen. Sie könnten immerhin andere Fluchtwege eröffnen als das "Mein Gott" -- und zwar mitten in dem oder durch das hindurch, was Hollywood nicht anders als die Regisseure des Pentagon das "Theater of War" nennen.
Wir danken dem Autor für die freundliche Genehmigung, diesen 2003 im materialverlag der Hamburger Hochschule für bildende Künste in der Schriftenreihe zur Theorie, material 165, erstmals erschienenen Vortrag nachdrucken zu dürfen.